Ruhig bleiben und Gott vertrauen

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Studienreise in Norwegen
Nachweis

Foto: Fabienne Torst 

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Umgeben von der Natur wird der Mensch ganz klein. Unsere Autorin auf der Insel Tautra, nördlich von Trondheim. 

Die katholische Kirche in Deutschland ist von Unsicherheit und Sorgen geplagt. Dass es auch anders geht, zeigt die Kirche in Norwegen. Sie ist klein, beschränkt sich auf das Wesentliche und will nichts Besonderes sein. Eine Reise nach Trondheim hat unsere Autorin Jacqueline Rath zum Nachdenken gebracht.

Landeanflug Trondheim. Die Wolken lüften sich und ich blicke aus dem Fenster. Unter mir breitet sich eine schier unendliche Landschaft aus. Wälder und Wiesen, schroffe Felsen, kleine Seen und mächtige Fjorde. Die Natur zieht mich in ihren Bann – und nicht nur mich. 

Wir sind eine kleine Gruppe aus den Bistümern Osnabrück und Hamburg und mit dem Ansgar-Werk auf Studienreise in Norwegen unterwegs, in der Region Trondheim. Es steht viel auf dem Programm: Begegnungen, Besichtigungen, Gespräche. Aber kein Grund für Stress. Denn das ist es, was wir zuerst lernen in Norwegen: eine Gelassenheit und Ruhe, wie wir sie in Deutschland nicht gewohnt sind. Die Menschen scheinen im wahrsten Sinne des Wortes geerdet zu sein, verbunden mit der übermächtigen Natur, die sie umgibt. 

„Wir nutzen hier den Sommer und genießen die langen hellen Tage. Und im Winter, da macht man es sich dann eben drinnen gemütlich. Aber die paar Stunden, die es dann hell ist, die sind wir dann auch meistens draußen“, erzählt Florian Pletscher. Der 31-jährige Diakon kommt gebürtig aus der Pfalz und hat in München Theologie studiert – ursprünglich, um in seiner Diözese Speyer Priester zu werden. Doch dann ist er in Trondheim „hängen geblieben“, wie er selbst sagt. Vorgesehen waren nur ein paar Monate Auszeit bei den Zisterzienserinnen in Tautra, Mithelfen im Garten, in der Creme- und Seifenproduktion. „Das Rückflugticket war von Anfang an gebucht, aber dann ist für mich hier alles an der richtigen Stelle gewesen und ich habe mich hier wie zu Hause gefühlt“, erzählt er. So wurde er in Trondheim zum Diakon geweiht. Im nächsten Jahr steht die Priesterweihe an.

» Wir feiern die Messe einfach so, wie es im Buch steht. «

Diakon Florian Pletscher

Auch Erik Varden, Bischof der Prälatur Trondheim, ist eher unerwartet auf diesem Fleckchen Erde gelandet. Für ihn war die Ernennung zum Bischof geradezu ein Schock, wie er verrät. Aufgewachsen ist der 49-Jährige zwar im Süden Norwegens, er ging jedoch mit 16 Jahren nach Großbritannien, ursprünglich nur für einen Schulaufenthalt. Protestantisch erzogen, interessierte er sich für die katholische Spiritualität. Er konvertierte und studierte Theologie in Cambridge. Später trat er in Leicestershire in das Trappistenkloster ein, wurde Priester und Abt des Klosters. 2019 kam die Ernennung zum Bischof. „Ich lebte zu dem Zeitpunkt seit 30 Jahren im Ausland und kannte diese Gegend hier überhaupt nicht. Aber der Heilige Stuhl hatte wohl seine Gründe“, erzählt Bischof Varden lachend. Inzwischen fühlt auch er sich in Trondheim zu Hause. Und das liegt vor allem an den Menschen: „Die Leute hier wollen etwas Gemeinsames bauen und erleben und sie haben einen enorm großen guten Willen. Denn die Abstände hier sind wirklich groß, man fährt sehr viel Auto. Ich finde es beeindruckend, dass Menschen regelmäßig zwei Stunden Auto fahren, um in die heilige Messe zu kommen“, so der Bischof. Und Diakon Pletscher ergänzt: „Es ist eine unglaublich lebendige Kirche hier. Die erste Sonntagsmesse, die ich hier erlebt habe, die hat mich überwältigt, weil geschätzt ein Drittel der Kirchenbesucher unter 15 Jahre alt ist und man hier Menschen aus wirklich jeder Weltecke sieht.“ Kein Wunder, denn die katholische Kirche der Prälatur Trondheim zählt insgesamt 108 verschiedene Nationen. Ein typisches Bild für Norwegen. Nur etwa acht Prozent der Katholiken haben norwegische Wurzeln. 

Eine volle Kirche und die Lebendigkeit, von der uns Bischof Varden und Diakon Pletscher berichten, erfahren wir während unseres Aufenthalts leider nicht, wohl aber die Vielzahl von Nationalitäten. Etwa 20 Menschen besuchen mit uns den Gottesdienst in St. Olav in Trondheim. Beim Betreten der Kirche schnappe ich polnisch, spanisch und asiatisch klingende Wortfetzen auf.

Die 2016 geweihte Domkirche St. Olav ist ein schlichter, hoher Backsteinbau mit einem sehr prägnanten, durch einen Baldachin beschatteten Bischofsstuhl im Altarraum, der durch eine Chorschranke abgetrennt ist. Es ist eine Werktagsmesse, ganz klassisch, „gut katholisch“ wie wir sagen würden. „Wir haben schon einen gewissen liturgischen Standard“, nennt es Diakon Pletscher. „Wir feiern die Messe einfach so, wie sie im Buch steht.“ So fällt dann auch die Frage nach anderen Gottesdienstformen und nach Experimentierfreude negativ aus. „Kreativität ist nicht so gefragt“, sagt der Diakon.

Da ist es auch wenig verwunderlich, dass die Debatten, die wir in Deutschland führen, in Norwegen überhaupt keine Rolle spielen. Aber was sind dann die Herausforderungen? „Die Hauptherausforderung ist die zeitlose Herausforderung, das Evangelium überzeugend zu leben, damit das Wort gehört werde und die Menschen wirklich Jesus kennenlernen“, sagt Bischof Varden. 

Im Gespräch mit den anderen Reiseteilnehmern merke ich, dass diese Worte für uns ein wenig nach „alles auf Anfang“ klingen. Und irgendwie sind wir damit nicht zufrieden. Aber mit Blick auf Norwegen ist diese Konzentration auf das Wesentliche verständlich: Die katholische Kirche dort ist eine kleine Gemeinschaft, ganz ohne festgefahrene Strukturen. Da gibt es nichts zu diskutieren oder zu beraten, da geht es schlicht darum, den Glauben zu leben.

Das erfahren wir auch von den Ordensleuten in den Zisterzienserklöstern in Tautra und Munkeby – beides etwa 90 Kilometer nördlich von Trondheim –, die eine Begeisterung und eine Zuversicht ausstrahlen, die uns in Deutschland oft abhanden kommt. 

„Wir haben mal für zwölf Personen gebaut. Aktuell sind wir vier. Aber wer weiß, was passiert“, erzählt einer der Mönche, als er uns durch den Klosterneubau in Munkeby führt. Und eine der Nonnen in Tautra sagt lachend: „Ja, momentan ist der Altersdurchschnitt bei uns etwas hoch. Aber es wird gut werden. Wir müssen nur beten. Für alles hier haben wir gebetet, für diesen Ort, für die Gebäude. Und alles ist so gekommen. Alles, was wir tun müssen, ist von Herzen beten.“ 

Das klingt so einfach. Und doch bemerken wir bei uns in der Gruppe eine gewisse Ernüchterung. Vielleicht erscheint es manchen von uns sogar etwas naiv. Die Probleme, vor denen wir in Deutschland stehen, sind einfach ganz andere. Was wir deshalb von der Reise mitnehmen können, ist: mehr Gelassenheit, mehr Gottvertrauen und vor allem mehr Freude am Glauben. 

 

Info

Die katholische Kirche in Norwegen ist eine durch Zuzug von ausländischen Arbeitskräften stark wachsende Kirche. 2009 wurden noch 57 000 Mitglieder registriert, 2020 waren es 165 000, etwa drei Prozent der Bevölkerung. Zentren sind die Bischofssitze Oslo, Tromsø und Trondheim. 

Das Ansgar-Werk unterstützt die katholische Kirche in Schweden, Finnland, Norwegen, Dänemark und Island. Es fördert unter anderem die pastorale Arbeit in Gemeinden und Diözesen sowie die Aus- und Fortbildung des Priesternachwuchses in den Nordländern.

 Jacqueline Rath ist Theologin und Redakteurin für Verkündigungssendungen im katholischen Rundfunkreferat des Erzbistums Hamburg.

Jacqueline Rath