Anstoß 46/2023

Wachsen

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In meiner Familie nimmt das Thema Wachsen viel Platz ein. Ich bin groß, mein Mann ebenfalls. Und auch unsere Kinder sind überdurchschnittlich lang für ihr Alter. Gefühlt kommt wöchentlich noch ein Zentimeter dazu.

Portrait Christina Innemann
Christina Innemann
Katholische Polizeiseelsorgerin in Mecklenburg-Vorpommern

Dieses Wachsen wird kommentiert: „Bist du aber groß geworden.“ „Meine Güte, wohin willst du denn noch wachsen?!“ „Ist das nicht schwer, so groß zu sein?“
Wie viel oder wenig jemand in unserer Gesellschaft wächst, scheint viele zu bewegen. Oft geht es darum, noch größer, noch erfolgreicher, noch leistungsfähiger zu sein. Es gibt sogar Studien, die belegen, dass längere Menschen später mehr Gehalt bekommen. 
Mich befremdet das immer. Wie groß oder klein jemand ist – das liegt gar nicht in der Hand der jeweiligen Person. Es ist meiner Meinung nach kein Qualitätsmerkmal. Außerdem ist Wachsen vielschichtiger. Einiges ist äußerlich sichtbar. Viel wichtiger ist jedoch der innere Prozess. 
Die norddeutsche Sängerin Lina Maly nimmt in ihrem Lied „Wachsen“ darauf Bezug. „Alle wachsen. Ich, ich will gedeihen.“ Es geht nicht um den Wunsch, größer zu werden, um sich den gesellschaftlichen Normen zu unterwerfen. Im Mittelpunkt steht das Reifen, das Klüger werden. Der Weg dahin, glaube ich, ist ein lebenslanger. 
Mir fällt das kleine Senfkorn ein, von dem in der Bibel die Rede ist. Oft wird es unterschätzt. Aber es kann zu einem starken Baum heranwachsen. Das wünsche ich mir für mein Leben. 
Ich denke, dass eine tragfähige Beziehung zu Gott so wichtig dafür ist wie Humus. Er ist sozusagen der Nährstoff für ein gelingendes Leben. Also versuche ich, mich nicht zu sehr um die Kommentare meines Umfeldes zu kümmern. Sondern mich um inneres Wachstum zu bemühen. Das sich dann – so hoffe ich – auch außen zeigen kann. 
Denn: Wie Wachsen geht, weiß ich. Gedeihen ist die echte Herausforderung.

Christina Innemann