Arbeit der Arikamissionare in Berlin

Eine veränderte Mission für Afrika

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Unterricht im Berliner Afrika-Center
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Fotos: Michael Burkner

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Im Berliner Afrika-Center können sich Menschen aus Afrika austauschen und Deutsch lernen.

Viele Jahrzehnte lang setzte sich die Gemeinschaft der Afrikamissionare für den Aufbau der katholischen Kirche in Afrika und gegen Sklaverei und Armut ein. Heute widmen sie sich der afrikanischen Bevölkerung auch in Europa, zum Beispiel in Berlin.

„Weiße Väter“ wurden sie lange genannt, nach ihrer Ordenstracht, einem in Nordafrika verbreiteten langen, weißen Gewand. „Unser Ordensgründer Kardinal Lavigerie hat uns den Auftrag gegeben, Afrikaner mit den Afrikanern zu werden, die Sprache der Menschen zu lernen, ihr Essen zu essen und auch ihre Kleidung anzunehmen“, erklärt Pater Ralf Weber. Er sitzt in der kleinen Küche des Afrika-Centers in Berlin-Schöneberg, trägt ein hellblaues Hemd unter einer dunkelblauen Strickjacke. Auf dem Tisch steht Kuchen einer deutschen Konditorei. Afrika hat Pater Ralf schon vor Jahren verlassen und damit auch das traditionelle Gewand abgelegt. Und als „Weiße Väter“ bezeichnen sich er und seine Mitbrüder auch nicht mehr, zu oft wurde der Name fälschlicherweise auf ihre Hautfarbe bezogen. Heute bevorzugen sie die Bezeichnung „Afrikamissionare“.

Denn viel hat sich verändert, seit der damalige Erzbischof von Algier, Charles Martial Lavigerie, 1868 ihren Missionsorden gründete. Er wollte die afrikanische Bevölkerung nicht tatenlos den Kolonialpolitikern und Sklavenhändlern überlassen, sondern stattdessen christliche Glaubensgemeinschaften auf dem ganzen Kontinent gründen und gerade im muslimisch geprägten Nordafrika den Dialog zwischen Christentum und Islam fördern. „Die Gemeinschaft hat teils unter dem Schutz der verschiedenen Kolonialmächte jahrzehntelang Gemeinden aufgebaut und seelsorgerisch betreut, viel Bildung geleistet und Schulen gegründet“, erklärt Pater Ralf. Sie war von Beginn an international aufgestellt und hielt zusammen – auch durch viele Kriege hindurch. In den letzten Jahrzehnten aber schrumpfte die katholische Kirche in Europa rapide, während sie auf dem afrikanischen Kontinent wuchs. Damit veränderte sich auch die Arbeit der heutigen Afrikamissionare.

Die erfüllte Mission in Afrika

Pater Ralf wurde direkt nach seinem Abitur 1984 Afrikamissionar, zunächst in Sambia. „Damals wollte ich raus, da wollte ich was tun“, erinnert er sich. Etwa zur gleichen Zeit entschied sich auch Pater Frank Roßmann für das Leben als Missionar. „Ich dachte mir, ich fange einfach mal an. Es hat mich gereizt, und die internationale Gemeinschaft hat mir gefallen“, erklärt er. Der Reiz des Anfangs blieb und Pater Frank lebte über ein Jahrzehnt in Tansania. Die beiden sind Teil der letzten großen Generation europäischer Afrikamissionare. „Aktuell haben wir in ganz Europa zwei Mitbrüder in Ausbildung; sieben deutsche Mitbrüder sind noch in Afrika aktiv. Wir konzentrieren uns darauf, die Sache hier abzuwickeln“, sagt Pater Ralf und sieht die Situation gelassen: „Unsere Mission, eine eigenständige afrikanische Kirche aufzubauen, ist erfüllt. Ich habe keine Trauer, keine Wehmut. Die Zukunft unserer Missionsgesellschaft liegt in Afrika.“

Pater Peter Ekutt ist einer dieser neuen afrikanischen Generation. Er stammt aus Nigeria, wo er die Afrikamissionare seit seiner Kindheit kannte: „Mit den Weißen Vätern bin ich aufgewachsen. Mich hat ihre Lebensweise angezogen: ihr einfacher Lebensstil, ihr Kontakt zu den Menschen, die Internationalität und interkulturelle Gemeinschaft.“ Heute lebt er in Berlin, wo die Afrikamissionare eine neue Mission gefunden haben.

Team des Berliner Afrika-Centers
Das Team des Berliner Afrika-Centers (von links): Pater Frank Roßmann, Christine Thomas, Pater Ralf Weber, der Prior und Pfarrvikar in Berlin ist, und Pater Peter Ekutt.

Die neue Mission in Berlin

1996 gründeten die Afrikamissionare gemeinsam mit dem Erzbistum Berlin das Afrika-Center, um die in der Hauptstadt lebenden Afrikaner zu betreuen und zu beraten und den Kontinent mehr ins Bewusstsein der deutschen Bevölkerung zu rücken. Daran habe sich bis heute nicht viel geändert, sagt Pater Frank, der die Einrichtung inzwischen leitet.

Christine Thomas ist schon seit den 1990er Jahren Teil des Teams. Die Rechtsanwältin war damals neugierig auf Afrika und das internationale und spendenfinanzierte Projekt. Außerdem wollte sie alle Menschen juristisch beraten – unabhängig vom Geld. „Die Menschen fühlen sich hier sicher und geborgen. Sie müssen kein Geld zahlen und man kann sich Zeit für ihre Sorgen und Probleme nehmen“, erklärt die Juristin. Viele würden von Rassismus berichten oder hätten Ehe- und Familienprobleme, oft verbunden mit der Angst vor Abschiebung. „Da kommen zum Beispiel Frauen, die sich von ihrem gewalttätigen Mann trennen wollen, aber Angst haben, dann abgeschoben zu werden“, sagt Thomas. Sie erklärt, berät, vermittelt und arbeitet mit anderen Beratungsstellen zusammen.

Aber nicht nur Rechtsberatung finden Hilfesuchende in der Einrichtung. Auch Deutschkurse, Sprachgruppen und eine afro-europäische Familiengruppe treffen sich hier. Im Gemeinschaftsraum finden manchmal Feierlichkeiten wie Kindergeburtstage, Hochzeiten und Beerdigungen statt. Auch die ghanaisch-katholische Gemeinde wurde hier gegründet. Zudem laden die Mitarbeiter Kindergartengruppen und Schulklassen ein, die etwas über den afrikanischen Kontinent erfahren wollen.

Doch die Arbeit von Pater Frank und Pater Peter geht über die Räumlichkeiten des Centers hinaus. Einmal im Monat sind sie in der JVA Tegel, sprechen mit Menschen, die schwierige Situationen erlebt haben, zu Straftätern wurden und nicht selten einer Abschiebung entgegensehen. „Wir fragen nie, warum sie da sitzen. Wir hören einfach zu“, erklärt Pater Frank. Auch in den Görlitzer Park, Berlins berühmt-berüchtigten Drogenpark, gehen die beiden Patres regelmäßig. „Wir sind seit dem Ende der Corona-Pandemie jeden Freitag da, verteilen Essen und sprechen mit den Menschen. So konnten wir Vertrauen zu ihnen aufbauen“, erklärt Pater Peter.

Gut 150 Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Situation der Afrikamissionare verändert – und damit auch ihre Arbeit, ihre „Mission“, die sie mehr und mehr in Deutschland sehen. Geblieben ist der Blick für die Menschen, die Hilfe benötigen, und ihre Liebe zu einem ganz besonderen Kontinent: zu Afrika.

Michael Burkner