Anstoß 30/2023

Es möge uns die Schuhe ausziehen

Anstossbild
Wenn mir etwas sprichwörtlich die Schuhe aus-zieht, bin ich erstaunt oder beeindruckt.

Insofern könnte man sagen, Mose hat es am Horeb die Schuhe ausgezogen.
Vor ein paar Tagen war die Erzählung vom brennenden Dornbusch als Lesung in der Werktagsmesse dran. „Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ Mose fühlt sich von Gott angesprochen. Er spürt, das ist ein besonderer Ort, dem ich mich vorsichtig nähern muss, um den Augenblick nicht zu zerstören.
 

Pfarrer Marco Dutzschke
Pfarrer Marko Dutzschke, Lübbenau

Die Erfahrung mit Gott macht den Platz zum heiligen Boden. Um an solche Erfahrungen zu erinnern, haben Menschen oft Altäre errichtet. So in der Erzählung von der Himmelsleiter: Gott offenbart sich dem Jakob im Traum. Als dieser erwacht, baut er einen Altar, um an seine Gottes-
erfahrung zu erinnern.
Mir geht durch den Kopf, wie leicht sich die Idee vom heiligen Boden in ihr Gegenteil verkehren lässt. Ich denke an die Blut-und-Boden-Ideologie der nationalsozialistischen Weltanschauung. Boden wurde zum heiligen Besitz einer Rasse erklärt und damit das Recht begründet, andere Völker zu vertreiben. Israel, das Heilige Land, ist gleich für drei Weltreligionen heiliger Boden, den man um Gottes Willen nicht preisgeben darf. Deshalb wird dieser Boden mit Waffen verletzt und immer weiter mit Blut getränkt.
Mose erklärt den Platz am Horeb nicht zu seinem Eigentum. Mose zieht sich die Schuhe aus. Er zeigt sich damit sensibel und macht sich verletzlich.
Bis heute muss man sich in einer Moschee die Schuhe ausziehen. Daran wird deutlich, dass zwei Dinge zusammenkommen müssen, damit diese Erde zum heiligen Boden wird: Gott, der sich finden lässt und Menschen, die ihre Antennen ausgefahren haben für Gott.
Christen laden mit ihren Kirchen dazu ein, die Begegnung mit Gott zu suchen. Die Kirchen sind aber auch eine Erinnerung, dass Gottesbegegnung überall möglich ist. Vielleicht fällt das in der Urlaubszeit leichter, in der wir freier und offener sind. Insofern wünsche ich uns allen, dass es uns die Schuhe auszieht, weil wir erkennen, der Ort, an dem wir stehen, ist heiliger Boden.