Rahmenordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen

10 Jahre „Augen auf!“

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Fälle von sexuellem Missbrauch am Berliner Canisius-Kolleg erschütterten im Frühjahr 2010 die katholische Kirche. Kein Einzelfall in Deutschland. Die katholischen Bischöfe erließen daraufhin im September 2010 eine „Rahmenordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen“.


Seit acht Jahren ist Jutta Menkhaus-Vollmer
Präventionsbeauftragte des Bistums.

In ihrer Rahmenordnung beschlossen die deutschen Bischöfe, dass jede Diözese „besondere Beauftragte“ für das Thema Prävention benennen soll. So trat vor acht Jahren, im Februar 2012, Jutta Menkhaus-Vollmer die Stelle der Präventionsbeauftragten im Bistum Hildesheim an und übernahm die neu eingerichtete „Fachstelle Prävention von sexuellem Missbrauch und zur Stärkung des Kindes- und Jugendwohles“. Damit gehörte das Bistum zu den ersten, die diesen Beschluss der Bischöfe umsetzten. „Das Erzbistum Hamburg war noch schneller und so lag es für mich klar auf der Hand, neben der Rahmenordnung als rotem Faden auch den Schulterschluss innerhalb der Metropolie zu suchen und zu schauen, welche ersten Erfahrungen man dort auf dem Feld der Prävention bereits gemacht hatte“, erinnert sich die Diplom Pädagogin.

Für Menkhaus-Vollmer fing die Arbeit nun erst richtig an. Sie musste ein Konzept für die Fortbildungen der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kirche erarbeiten, wie sie die Bischofskonferenz ebenfalls beschlossen hatte. „Ein großer Vorteil war, dass alle, die im Bereich von Kirche mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen, zur Teilnahme daran verpflichtet waren. Sonst wäre dies wohl ein schweres Unterfangen geworden“, vermutet Menkhaus-Vollmer.

Mit dem Präventionscurriculum 2013, das Generalvikar Werner Schreer damals verbindlich anordnete, waren die Weichen für eine flächendeckende Fortbildung gestellt. Kooperationspartner dafür fand die Beauftragte unter anderem in der Jugendseelsorge. Die Referenten in diesem Fachbereich stiegen mit 20 Prozent ihrer Arbeitszeit in diese Tätigkeit ein. Darüber hinaus haben seit 2013 rund 160 Teilnehmende eine Multiplikatorenschulung erfolgreich bestanden und dürfen nun selbst in den Dekanaten Präventionskurse übernehmen.

Notwendigkeit wurde bei vielen nicht gesehen

Doch nicht überall wurde anfangs die Notwendigkeit der Präventionsfortbildungen eingesehen und oft genug als überflüssig bezeichnet. „Das hat sich im Laufe der Jahre geändert. Fast 11 000 Haupt- und Ehrenamtliche haben in den vergangenen Jahren an den Grundfortbildungen ‚Augen auf!‘ teilgenommen“, betont Menkhaus-Vollmer. Und inzwischen haben bereits 2000 Teilnehmende die Vertiefungsfortbildungen, die alle fünf Jahre erfolgen müssen, absolviert. „In allen Dekanaten und für die verschiedenen kirchlichen Einrichtungen werden regelmäßig sowohl die Basis-, als auch die Vertiefungsfortbildungen angeboten. In den Bereichen der Kitas wie auch in den Alten- und der Behindertenpflegeeinrichtungen sowie den kirchlichen Krankenhäusern haben wir mit der Caritas einen starken Partner an der Seite, die hier die Mitarbeitenden schulen“, freut sich die Präventionsbeauftragte.

Die Bistumsleitung lässt sich schulen

Und  niemand ist von den Präventionsfortbildungen ausgenommen – nicht einmal die Bistumsleitung. „Der bischöfliche Rat hat Ende März eine solche Maßnahme“, berichtet Menkhaus-Vollmer. „Die Bistumsleitung hat mir immer den Rücken gestärkt. Dafür bin ich dankbar, das hat mir Kraft gegeben.“

Sie weist darauf hin, dass Kinder bei sexualisierter Gewalt die schwächsten Glieder einer Kette sind. Dabei sind die Erwachsenen für den Schutz von Kindern und Jugendlichen verantwortlich. „Aber in diesem Bereich gibt es viel Verunsicherung. Wir wollen mit unseren Präventionsmaßnahmen sensibilisieren, dass Grenzüberschreitungen verhindert werden, dass sich jeder in seinem Handeln einmal überlegt, ob die Distanz zu anderen Menschen gewahrt bleibt, ob eine Begrüßungsumarmung vielleicht schon als zuviel, als unangenehme Nähe empfunden wird.“

Zu den Vorgaben der Präventionsordung gehört ebenfalls, dass alle Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen – unter anderem auch die Schulen in kirchlicher Trägerschaft – ein sogenanntes Schutzkonzept erarbeiten müssen. „Die kirchlichen Einrichtungen haben diese Arbeit  bereits geleistet, ebenso auch rund 50 Prozent der Pfarrgemeinden – die anderen sind zur Zeit noch dabei.“ Auch das ist in den Augen von Menkhaus-Vollmer ein großer Erfolg.

100-prozentige Sicherheit ist Illusion

Sie warnt allerdings davor, sich auf den Präventionskursen, den Leitlinien der Bischöfe und den Schutzkonzepten auszuruhen. „Wir müssen wachsam bleiben. Wir müssen die Schutzkonzepte vor Ort umsetzen und mit Leben füllen. Trotzdem dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, dass es sexualisierte Gewalt und Missbrauch zukünftig in der katholischen Kirche nicht mehr geben wird. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Wir können durch unsere Präventionsmaßnahmen die Gefahr dafür aber deutlich senken – nicht nur in der Kirche, sondern auch in unserer Gesellschaft“, so Menkhaus-Vollmer.

Edmund Deppe