100 Schwestern für Rostock

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In Rostock geht eine Ära zu Ende. Die Thuiner Franziskanerinnen verlassen nach 113 Jahren die Stadt. Ihre Einsatzorte waren Schule, Krankenhaus, Kinderheim, Gemeinde und vor allem: das stetige Gebet in Konvent und Kirche.


Sie sind die letzten Thuiner Franziskanerinnen in Rostock: Schwester Ingetraud, Schwester Birgit und Schwester Bernadet. | Foto: Andreas Hüser

Seit 113 Jahren besteht die Gemeinschaft der Thuiner Franziskanerinnen in Rostock. Im Laufe dieser Zeit haben 100 Schwestern in der Hansestadt gelebt, gebetet und gearbeitet. „Ich bin die Hundertste“, sagt Schwester Bernadet. „Und leider auch die letzte.“ Im Juli geht die Ära der Thuiner Schwestern in Rostock zu Ende. In vielen Ordensgemeinschaften steigt das Alter der Schwestern, Nachwuchs gibt es wenig, und das ist nicht nur ein deutsches Phänomen. „In Holland zum Beispiel haben wir keine goldenen Schwestern mehr, nur noch diamantene“, sagt Schwester Bernadet. Die Thuiner Franziskanerinnen haben ihr Mutterhaus zwar in Thuine im südlichen Emsland. Aber der Orden ist weltweit tätig – in Albanien, in den USA, in Japan, in Indonesien – und eben in Holland. 1875, sechs Jahre nach der Ordensgründung, wollten die Schwestern mit der holländischen  iederlassung eine zweite Option haben – falls der Orden im Zuge des Kulturkampfes in Deutschland verdrängt worden wäre.

Ein bisschen weite Welt lebte immer auch in Rostock. Schwester Rosalind (+2017) war die einzige gebürtige Rostockerin in dem großen Kreis.

Heute wohnen noch drei Frauen im Schwesternhaus neben der Christuskirche. Schwester Bernadet kommt aus dem Raum Osnabrück, Schwester Ingetraud ist echter Berlinerin. Und Schwester Birgit kommt aus München. Sie kam 1998 als erste Schulleiterin der wiedergegründeten Don Bosco Schule. Diese Aufgabe war neu – und doch auch alt. Schon vor dem Krieg haben Rostocker Franziskanerinnen an der „katholischen Volksschule“ unterrichtet. Andere waren Krankenschwestern in der Privatklinik „St. Georg“. Wieder andere arbeiteten im „Kinder- und Säuglingsheim St. Josef“, dazu kamen verschiedenste Dienste in der Pfarrei.

„Ich muss etwas mit Menschen zu tun haben“

Jeder Orden hat eine eigene Ausrichtung. Einige haben einen karitativen Schwerpunkt, andere widmen sich in erster Linie der Kontemplation und dem Gebet. „Wir Thuiner Franziskanerinnen haben beides“, sagt Schwester Birgit. Das Gebet, die eucharistische Anbetung und die Herz-Jesu-Verehrung gehören zur geistlichen Orientierung, an jedem Herz-Jesu-Freitag (erster Freitag im Monat) ist Schweigetag in der Gemeinschaft.

Schwester Ingetraud erinnert sich an ihre ersten Ordenskontakte in Berlin. Die Steyler Anbetungsschwestern – wegen ihrer rosa Tracht „Bonbon-Schwestern“ genannt, hatten sie als Jugendliche angezogen. „Aber ich muss immer etwas mit Menschen zu tun haben. Das hätte mir dort gefehlt.“ Eine Einladung der Hamburger Katholischen Jugend an die Berliner Katholische Jugend ergab dann Begegnungen, die zu den Thuiner Franziskanerinnen führten. Bei Schwester Birgit war es eine Radtour an der Nordsee und die Begegnung mit Pfadfinderinnen, die sie auf die Spur brachten.

Der Lebensweg der drei Frauen bestand aus vielen Stationen. Und Rostock ist nicht die letzte. Schwester Bernadet wird ins Emsland gehen. In Dörpen südlich von Papenburg haben die Thuiner Schwestern einen Konvent und eine Sozialstation. Schwester Ingetraud zieht nach Osnabrück, ihr neuer Konvent an der Franz-von-Assisi Schule für Sozialpägdagogik ist nur ein paar Schritte vom Dom entfernt – auch dort gibt es eine Sakristei. „Und wenn man mich fragt…“

Eine besondere Aufgabe bekommt Schwester Birgit. Sie wird die Ewige Anbetung im Mutterhaus in Thuine verstärken. Rund um die Uhr sind dort die Schwestern. „Für die älteren wird das nächtliche Beten zu anstrengend. Und ich freue mich richtig auf diese Aufgabe.“

Heimweh nach Rostock, davor haben die drei Schwestern nicht so große Angst. „Aber man lässt viele Menschen zurück, die einem ans Herz gewachsen sind.“ Auf der anderen Seite: Die Kontakte müssen ja nicht abbrechen. Heute gibt es Computer, die entfernte Menschen einander nahebringen. Und erst einmal steht die Feier der Verabschiedung an: in einem festlichen Gottesdienst am 10. Juli um 10.30 Uhr in der Christuskirche. Beim anschließenden Gemeindefest ist Gelegenheit, persönlich „auf Wiedersehen“ zu sagen.

Autor: Andreas Hüser