Ausblick für das Bistum Mainz

2021: (Er)findet sich Kirche neu?

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Wohl selten stand am Anfang eines Jahres so viel in den Sternen wie aktuell. Das Coronavirus hat auch das Bistum Mainz gebeutelt: liturgisch, pastoral und finanziell. Nun braucht es 2021 neuen Schwung. Denn es steht vor einer wichtigen Etappe auf dem Pastoralen Weg: dem „Zuschnitt seiner Pfarreien“. Von Anja Weiffen.


Stellvertretende „Menschen“ in leeren Kirchen: Im ersten Corona-Lockdown bastelten Katharina und Winfried Ruppel für die Gemeinde St. Marien in Seligenstadt diese Pappfiguren. Das Jahr 2021 wird zeigen, wie sich die Erfahrungen von Gottesdiensten unter Corona-Bedinungen auf die weitere Gestaltung der Liturgie auswirken wird.

Die Schere könnte das Symbol dieses Jahres im Bistum Mainz sein. Mit ihr kann man gestalten, beispielsweise Papierfiguren ausschneiden, wie Sie oben rechts im Bild sehen. Zugleich teilt eine Schere. Man könnte sagen, sie „entscheidet“. Was gehört wozu? Solche Entscheidungen bahnen sich in den nächsten Monaten in den Dekanaten an: Die 134 pas-toralen Einheiten sollen 2021 ihren neuen „Zuschnitt“ zu rund 50 Einheiten bekommen. Beauftragt mit dieser Aufgabe sind die Dekanate. Sie sollen Vorschläge erarbeiten, wie diese Grenzen neu festgelegt werden können. Das ist der nächste Schritt auf dem Pastoralen Weg, auf dem Weg der Erneuerung der Kirche im Bistum Mainz. 

Dr. Wolfgang Fritzen, Leiter der Koordinationsstelle für den Pastoralen Weg, bestätigt eine Terminverschiebung aufgrund der Corona-Pandemie: Eigentlich sollten bis Mitte 2021 die Dekanate ihre pastoralen Konzepte zu diesem „Zuschnitt“ beim Bistum einreichen. Diese Frist wurde bis zum 26. November 2021 verlängert. 

„Das Jahr wird spannend“, ist sich Wolfgang Fritzen sicher. Die 20 Dekanate sind ganz unterschiedlich auf dem Pastoralen Weg unterwegs. Bisher ging es darum, der Frage von Bischof Kohlgraf nachzugehen „Was brauchen die Menschen?“ „Von der Kirche“, ergänzt Fritzen. Diese Frage habe vielleicht manchen „positiv irritiert“, weil man meinen könnte, die Antworten schon zu wissen. 

Konzentrieren auf das, was beeinflussbar ist

„Auch wenn manche Ergebnisse nicht neu sind, haben sie gute Gespräche in Gang gesetzt“, ist Wolfgang Fritzen überzeugt und verbucht das unter gelungen. Viele hätten vorher noch nicht so intensiv an Themen gearbeitet. Zudem wurden in den Dekanaten neue Kirchorte und Kooperationspartner entdeckt. Mit verschiedenen Methoden sind die Dekanate an die Beantwortung der Bischofsfrage gegangen: mit Umfragen, Interviews, Sozialraum-analysen. Ein paar Ergebnisse dieser Umfragen fasst Wolfgang Fritzen zusammen: „Oft genannt wurde der Wunsch nach Einzelseelsorge, genauso nach moderneren und attraktiveren Gottesdienstformen sowie der Wunsch nach Unterstützung in Notlagen.“ 

Aber was fangen die Gemeinden mit den Wünschen der Menschen nach einer moderneren Kirche an? Etwa Forderungen nach Frauen im Weiheamt oder einem anderen Umgang mit Homosexualität? „Das sind vor allem Themen für den Synodalen Weg“, antwortet der Leiter der Koordinationsstelle. Er empfiehlt, sich vor Ort auf das zu konzentrieren, was beeinflussbar ist.

Und Corona? „Die Pandemie schärft den Blick auf manche Themen. Beispielsweise empfinden wir aktuell den Wert von Nähe und echter Gemeinschaft viel deutlicher.“ Die Arbeit an den pastoralen Konzepten, die bis November vorliegen sollen, kann allerdings steinig werden. Denn es geht nicht nur darum, wahrzunehmen, was die Menschen brauchen, sondern auch darum, zu entscheiden, was in den Gemeinden nicht (mehr) gebraucht wird. Oder positiv formuliert: „Wo man kooperieren kann, beispielsweise bei Kirchenchören oder bei Gottesdiensten.“ In dieser ersten Phase sollten Schwerpunkte gesetzt werden, sagt Wolfgang Fritzen. Details spielten noch keine Rolle.

„Im Frühjahr 2022 werden die Räume der neuen Pfarreien feststehen. Ich denke, der Prozess wird damit an Dynamik gewinnen, weil konkreter und anschaulicher wird, wie und wo wir zusammenarbeiten können.“ Allerdings würden die Entscheidungen dann auch spürbarer, zum Teil auch schmerzlich spürbarer, wenn es zum Beispiel um Gebäude gehen wird. Auch konfliktreicher. Denn klar sei: Es muss auch gespart werden. „Das ist unerlässlich und längst überfällig. Und da müssen wir uns ehrlich machen: Wir geben zurzeit Geld aus, das wir nicht haben.“ Daher sei die Phase im gerade angebrochenen Jahr auch so wichtig: „Jetzt geht es darum, viele zu beteiligen und sich als Gemeinde, als Pfarrei, als Dekanat zu überlegen: Was ist uns wirklich wichtig? Wo sollen sich nicht nur die jeweiligen Grenzen der pastoralen Einheiten befinden, sondern wo könnten sich Netzwerke entwickeln?“ Wolfgang Fritzen hofft, dass die Aktiven „nicht nur aus der Not heraus an diesem Prozess arbeiten, sondern weil es sie interessiert“. Wichtig sei, sich all diesen Fragen nicht zu verschließen und sich von Entwicklungen nicht überrollen zu lassen. Gut wäre auch, so Fritzen, wenn die Entscheidungen über Konzepte nicht in „Kampf-Abstimmungen“ gefällt, sondern im Konsens gefunden würden, „soweit das möglich ist“. Fritzen: „Bei all diesen Überlegungen geht es nicht um irgendetwas, sondern letztlich um die Zukunftsfrage unserer Kirche: Wie können wir gute Orte erhalten beziehungsweise schaffen, an denen Menschen den christlichen Glauben leben und teilen können?“

Das Dekanat Wetterau-West hat seine Entscheidung bereits getroffen. Es hatte vom Bistum die Vorgabe bekommen, aus seinen 13 pastoralen Einheiten, darunter Pfarreien, Pfarrgruppen, Pfarreienverbünde, drei Pfarrei zu „schneidern“. Aus mehreren Modellen haben sich die Katholiken dort für Pfarreien mit dem Arbeitstitel Nord, Mitte und Süd entschieden. Die kleinste Pfarrei hat 15500 Mitglieder, die größte 18500. Jetzt wird sich in diesem Jahr um die Angebote im Netzwerk der verschiedenen Kirchorte gekümmert und um die Verteilung des Personals. Die Entscheidung im Dekanat Wetterau-West kam übrigens einstimmig zustande.

Ausführliche Infos: www.bistummainz.de/pastoraler-weg

 

Zur Sache: Bald Gremium für Frauen

Im Bistum Mainz soll es bald eine Frauenkommission gegeben. Die Idee der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) wurde bei der Diözesanversammlung 2019 beschlossen, auch Bischof Peter Kohlgraf stimmte dem zu. Nun geht es in diesem Jahr einen Schritt voran: Wenn Corona es zulässt, soll am 19. Juni 2021 eine Frauenversammlung stattfinden, die die Frauenkommission wählt. Die Kommission besteht aus zwölf Frauen. Sie soll Frauenthemen im Bistum voranbringen. (wei)