In Altötting kehren viele ein, um zu danken

5000 Tafeln des Dankes

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In der alttestamentlichen Lesung will der Syrer Naaman dem Propheten Elischa für seine Heilung ein Dankgeschenk machen. Von den zehn geheilten Aussätzigen im Evangelium kehrt zumindest einer dankbar zu Jesus zurück. Und auch in Altötting erlebt Wallfahrtsdirektor Klaus Metzl eine Fülle an Dankbarkeit.

Foto: Passauer Bistumsblatt/Roswitha Dorfner
Wallfahrtdirektor Klaus Metzl beeindrucken die vielen Votivtafeln in Altötting immer wieder. Foto: Passauer Bistumsblatt/Roswitha Dorfner

Von Theresa Brandl

Bei Baumfällarbeiten vor einigen Monaten ist es passiert. Ein Mitarbeiter des Stadtbauhofs in Altötting wurde schwer verletzt. So schwer, dass die Ärzte ihn bereits aufgegeben hatten, erzählt Wallfahrtsdirektor Klaus Metzl: „Aber er hatte einen eisernen Willen und großen Zuspruch und ist wider Erwarten so gesund geworden, dass er heute sogar wieder im Stadtbauhof arbeiten kann.“ 

Aus Dankbarkeit für seine Genesung stand der Mitarbeiter wenig später gemeinsam mit dem gesamten Team des Stadtbauhofs im orangenen Arbeitsgewand in der Gnadenkapelle von Altötting. Mit dabei hatten sie eine Votivtafel, auf der Maria für dieses Glück gedankt wird. Und weil die Mitarbeiter des Stadtbauhofs sich handwerklich zu helfen wissen, haben sie die Tafel eigenhändig an der Gnadenkapelle befestigt. 

Sie kamen zurück, um zu danken – wie einer der Geheilten im Evangelium. In Altötting kommen mehr. An die 5000 Votivtafeln hängen in der Gnadenkapelle, sagt Metzl. Dahinter verbergen sich 5000 Schicksale von ganz normalen Menschen. Insgesamt allerdings seien es viel mehr, denn pro Jahr würden zehn Votivtafeln ausgetauscht. Die alten kommen dann in die sogenannte Administration, wo sie langfristig aufbewahrt werden. In den vergangenen beiden Jahren hatten die Danksagungen oft mit dem Coronavirus zu tun. Metzl erzählt von Votivtafeln, auf denen Menschen zu sehen sind, die in einem Krankenbett auf der Intensivstation liegen. 

Ein Coronavirus als Wachsmodell

Und er hat heute auch noch etwas ganz Besonderes vor sich liegen. Am Telefon beschreibt er es so: „Das ist das Coronavirus – aus Wachs nachmodelliert. Es hat einen Durchmesser von ungefähr zehn Zentimetern und ist unter einer Glashaube. Auf dem Fuß steht geschrieben: ‚Maria hilf‘ und auf der Bodenplatte, dass diese Votivtafel von einer Frau aus Straßkirchen stammt.“ In Schränken in der Kapelle sind außerdem zahlreiche modellierte Gliedmaßen zu sehen, teilweise sogar aus Silber, um für eine konkrete Heilung „Danke“ zu sagen.

Es gibt nur zwei Kriterien, die Votivtafeln oder -gaben erfüllen müssen, um in Altötting angenommen zu werden: Sie müssen die Gottesmutter ansprechen und es muss klar sein, von wem sie stammen. Seit 1489 pilgern Gläubige zur Gnadenkapelle. Angefangen habe alles mit einem Wunder, erzählt Metzl. Ein Junge sei in den Mörnbach gefallen und ertrunken. Seine Mutter habe ihn daraufhin in die Kapelle getragen und zu Maria gebetet und das Kind sei wieder zum Leben erwacht.
 
Auch im Lockdown brannten Kerzen

Bis heute ist der jährliche Pilgerstrom ungebrochen, nicht einmal Corona konnte daran groß etwas ändern. „In den Luzernaren brannten fast genauso viele Kerzen wie zu normalen Zeiten“, sagt Metzl. „Die Menschen kommen hierher und finden Ruhe, einen inneren Frieden und eine Stärkung, die sie wieder beflügelt, in den Alltag zurückzukehren.“

Und sie danken – aus tiefstem Herzen. Und um das zu spüren, brauche es zunächst einmal Ruhe, sagt Metzl. Dass die Menschen heute weniger dankbar seien, könne er nicht bestätigen: „Aber ich denke, dass wir durch die Umtriebigkeit die Verortung in uns selbst und der Welt etwas verloren haben.“ Durch die Tage hetzen, „von Zerstreuung zu Zerstreuung“.
 
Auch im heutigen Evangelium ist von geschäftigen Menschen die Rede. Zehn Aussätzige wurden wegen ihrer Krankheit aus dem Dorf verbannt und treffen auf Jesus. Sie bitten ihn um Erbarmen und er rät ihnen, zu den Priestern zu gehen, die vor der Rückkehr in die Stadt ihre Gesundheit überprüfen sollen. Und tatsächlich: Schon auf dem Weg dorthin werden sie alle rein. Alle freuen sich und vergessen darüber sehr schnell, was eigentlich gerade geschehen ist. „Man kann ihnen keinen Vorwurf machen“, sagt Metzl, „sie sind geheilt und schauen wieder nach vorne.“

In der Ruhe zum Nachdenken kommen

Doch einer der Zehn denkt in Ruhe nach und versteht, wie ihm geschehen ist. „Das eigentliche Wunder ist, dass einer über das Selbstverständliche ins Nachdenken kommt – nämlich über das Leben“, sagt Metzl. Deshalb kehrt der dankbare Samariter zu Jesus zurück und lobt Gottes Liebe. 
 
Öfter einmal das eigene Leben überdenken. Das machen Gläubige, wenn sie nach Altötting pilgern. Sie sitzen in der Gnadenkapelle, schauen auf zum Herrn oder zur Muttergottes und werden ruhig. „Dann wird man automatisch dankbar“, sagt Metzl. Und das stärkt letztlich auch unseren Glauben. Jeder habe Menschen in seinem Leben, denen er etwas zu verdanken habe, sagt Metzl. Manche von ihnen prägen mich, andere präge ich. Je tiefer man sich auf diese Gedanken einlasse, desto eher „kommt man irgendwann auf den Urheber des Lebens, auf den, der uns alle in seinen Händen hält“, sagt Metzl. Und das sei entscheidend.

Besonders gut spüre man das, wenn man beim Pilgern unterwegs sei, erklärt Metzl: „Diese Kraft, die vom Gebet ausgeht, das einen zieht und trägt.“  Dann erkennen wir, dass der Herr mit uns auf unserem Weg ist und uns nie alleine lässt. Wenn das kein guter Grund ist, einmal zu ihm zu gehen und ihm ausdrücklich zu danken.