Zerstörte Kreuzwegstationen in Salzbergen

Andacht am geschändeten Kreuzweg

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Im Sommer 2017 brachen Diebe die Bronzeplatten aus dem Kreuzweg auf dem Friedhof in Salzbergen. Jetzt beteten die Gläubigen vor den zerstörten Stationen. Die kaputten Stelen versinnbildlichten eindrucksvoll das Leid der Welt, das Jesus mit seinem Tod besiegen will.


Unvollkommen wie die menschliche Existenz: die beschädigten Stelen aus Sandstein. | Fotos: Sebastian Hamel

Für viele Menschen in Salzbergen war es ein Schock, als sie an jenem Tag im Juni 2017 das Ausmaß der Zerstörung erblickten: 21 Jahre lang hatte ein ansehnlicher Kreuzweg, gestaltet von Künstler Joseph Krautwald aus Rheine, den Friedhof der Gemeinde im südlichen Emsland geprägt. Dann aber schlugen  Bronzediebe zu: Elf der 15 edlen Metalltafeln, welche die Leidensstationen Jesu darstellten, hebelten die unbekannten Täter mit brachialer Gewalt heraus und nahmen sie mit. Dabei beschädigten sie außerdem die Stelen aus Ibbenbürener Sandstein, an denen die Tafeln montiert waren.

Doch größer als die Trübsal war in der Gemeinde die Entschlossenheit, dieser pietätlosen Tat die Stirn zu bieten. Besonders kam diese Haltung am vergangenen Sonntag zum Ausdruck: Mehrere Gläubige beteiligten sich an einer Andacht mit Pfarrer Michael Langkamp unter dem Motto „Das geschändete Kreuz“, bei der die Stationen des zerstörten Kreuzwegs abgeschritten wurden.

Von den einst erhabenen Stationen ist meistens nichts übrig geblieben als die Sandsteinsockel, die seit Monaten durch Holzpfähle und Klebeband gesichert werden. „Schön ist unser Kreuzweg nicht – aber ausdrucksstark“, stellt Pfarrer Langkamp dazu fest. Der klägliche Anblick verstärke die Botschaft vom Leidensweg Jesu: „Vielleicht liegt die Schönheit darin, dass es ein echter Kreuzweg ist.“

Neben dem materiellen Schaden und dem unwiederbringlichen künstlerischen Wert stehe der Raub der Darstellungen auch für die Anonymisierung des Leides: „Durch diesen Kreuzweg schauen wir in das Gesicht und auf das Schicksal der Menschen, deren Elend niemand sieht, deren Los keinen interessiert und die niemand vermisst. Der Zerstörung und der Willkür der Mächtigen ausgeliefert. Anonym wie die Stationen des Kreuzwegs.“

Raub war im Dorf ein großes Gesprächsthema

1996 war der Kreuzweg mit den Krautwald-Stationen eingeweiht worden, dessen Entstehung zurückging auf ein Vermächtnis der Kolpingsfamilie. Als diese sich im Jahr 1935 auf Druck der NSDAP auflösen musste, übergab sie ihren damaligen Kassenbestand treuhänderisch der katholischen Kirchengemeinde. Diese sollte mit dem Geld eine Büste von Adolph Kolping anschaffen, sobald dieser seliggesprochen würde. Als dies 1991 durch Papst Johannes Paul II. geschah, gab es im 1983 entstandenen Kolping-Bildungshaus in Salzbergen allerdings schon Darstellungen Adolph Kolpings. So fiel nach intensiven Beratungen die Entscheidung zugunsten des Kreuzwegs.

Beim Aufbau der Stationen und der Einweihung im Oktober 1996 mit dabei war Benno Barkmann, der seit mehr als 50 Jahren dem Vorstand der Kolpingsfamilie angehört. Ihm ist die Zerstörung sehr nahegegangen. Im Dorf war der Raub ein großes Gesprächsthema: „Viele hatten zunächst die Hoffnung, dass die Tafeln wieder auftauchen“, sagt er. Ein Schrotthändler möge doch die Bedeutung der Tafeln erkennen und die Polizei einschalten. Der Wunsch blieb unerfüllt.

Längst herrscht jedoch Einigkeit darüber, den Kreuzweg wiederherzustellen. Deshalb wurde ein Angebot bei der Firma Janischowsky & Partner aus Steinfurt eingeholt, mit dem Ziel, das Werk des 2003 verstorbenen Künstlers Krautwald nachzubilden. Bei den 15 neuen Tafeln käme günstiger Aluguss zur Anwendung, berichtet Jürgen Puls, Vorsitzender der Kolpingsfamilie Salzbergen. Die vier noch vorhandenen Originale erhielten einen würdigen Platz in der Friedhofskapelle.

Die Kosten für den Wiederaufbau des Kreuzwegs belaufen sich auf rund 17 000 Euro, allein die Restaurierung der beschädigten Sandsteinstelen schlägt mit 5000 Euro zu Buche. Bislang sind 10 000 Euro an Spenden zusammengekommen. Wenn alles nach Plan läuft, könne eventuell noch im kommenden Herbst die Einweihung des neuen Kreuzwegs gefeiert werden.

„Es ist zu hoffen und wünschenswert, dass viele Menschen hier Zeit zu Gebet und Besinnung finden. Von allen Andersdenkenden wird Verständnis und Toleranz erbeten“, steht auf einer Informationstafel zu Beginn des Gebetsgangs geschrieben. Nun hoffen alle Beteiligten, dass diese Worte nach der Neuerrichtung mehr Beachtung finden als im vergangenen Juni.

Sebastian Hamel

Wer für neue Kreuzwegtafeln spenden möchte, kann sich an das Pfarrbüro in Salzbergen wenden unter Telefon 0 59 76/12 75.