Buchlesung im Forum am Dom

Auf der Suche nach Sinn

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Tillmann Prüfer ist Modejournalist. Models, Laufstege und inszenierter Luxus – ein Leben, das er immer führen wollte. Tod, Vergänglichkeit, Schmerz gab es darin nicht. Bis ein Freund starb.


Mode, Medien, Konferenzen: Das war die Welt von Tillmann Prüfer –
bis ihn ein Schicksalsschlag traf. Foto: Michael Biedowicz

Was haben eine Kirche und eine Autowaschanlage gemeinsam? Einiges, wenn es nach Tillmann Prüfer geht. Beide reinigen, sagt der Berliner Modejournalist: Beschmutzt und angestaubt geht man hinein, sauber kommt man wieder raus. Ein Vergleich, den er so treffend findet, dass er ihn an den Anfang eines Kapitels seines Buches „Weiß der Himmel ...?“ gestellt hat. Dieses Buch erzählt seine Glaubensgeschichte, und die beginnt mit dem Tod.

Prüfer verliert einen engen Freund. Unerwartet. Beide sind erst Anfang 40. Aber sie können sich noch verabschieden. Die Krankheit lässt dem Freund gerade noch genügend Zeit, um bewusst aus dem Leben zu gehen, sich letzte Gedanken zu machen, dankbar und in Liebe zurückzublicken. Und sie lässt Prüfer das erleben, was man einen Schicksalsschlag nennt. Dieser Tod lähmt ihn für Monate. Die Modeschauen, die Fotografen, der Alltag in Berlin, in Mailand, in New York – alles rauscht an ihm vorbei. Was wird bleiben? Nicht nur von seinem Freund, nicht nur von der Liebe, sondern eines Tages auch von ihm? Seine Gedanken schreibt Prüfer auf. Die tausend Fragen. Die Antworten, die er nicht hat. Die Ängste, die ihn nicht schlafen lassen. „Am Anfang habe ich nur für mich geschrieben“, sagt er heute. „Um den Horror zu fassen, um ihn zu bannen.“

Der Urgroßvater war Missionar in Afrika

Der Glaube ist für Prüfer lange Zeit eine Art Relikt, eine Erinnerung aus der Kindheit. Irgendwie ist er geblieben, doch die Zeit, in der der Glaube bedeutsam war, scheint lange vorbei. In Interviews erzählt der 43-Jährige gern, dass sein Urgroßvater als Missionar nach Afrika gegangen sei, wo er noch heute, lange nach seinem Tod, eine geachtete Persönlichkeit sei. Prüfer, Sohn eines katholischen Vaters und einer evangelischen Mutter, wurde als Kind konfirmiert. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Doch nun, mehr als drei Jahrzehnte später, wünscht er sich die Kirche zurück, einen Ort der inneren Einkehr, des Glaubens, der Ruhe. „Was ich gerade am dringendsten brauche, ist Sinn“, schreibt er in seinem Buch. Er verbringt Zeit in einem Kapuzinerkloster in Südtirol, beginnt, die Bibel zu lesen. „Weil es definitiv nichts anderes zu lesen gab.“

Im Modealltag, dem schnelllebigen Business des schönen Scheins, hat er längst seinen Platz gefunden. Er ist Style-Director des ZEIT-Magazins. Aus Paris und New York bringt er das Neueste von den Laufstegen mit.

Doch dann ist da noch der andere Tillmann Prüfer, jenseits der Mode, der Vater von vier Töchtern. Er spricht leise und nachdenklich, besonders dann, wenn er auf Liebe, Freunde, Vergänglichkeit zu sprechen kommt. Auf Leben und Tod. Und auf den Freund, mit dessen Verlust er erst lernen musste umzugehen.

Die Trauer begleitet vielleicht für immer

Am Ende finden sie zusammen, die Widersprüche. Nicht alle Fragen sind beantwortet. Aber Prüfer ist damit nicht mehr allein. Wenn er morgens betet, „dann ist das auch ein Bewusstwerden, dass die Dinge, die ich habe, nicht selbstverständlich sind“. Die Trauer nimmt er mit. Nur anders. „Trauer“, sagt Tillmann Prüfer, „ist für mich jetzt ein Prozess, in dem man einen Menschen würdigt, seiner gedenkt.“ Und: „Trauer kann uns begleiten, vielleicht ja für immer.“ Durch den Alltag, durch die Jahre, in die Kirche genauso wie zum Autowaschen.

Kathi Flau

 

Autorenlesung

Der ZEIT-Journalist Tillmann Prüfer ist am Dienstag, 21. Mai, um 19.30 Uhr zu Gast in der Reihe „Lesezeit“ im Osnabrücker Forum am Dom. Er liest aus seinem Buch „Weiß der Himmel ...?“, das sich mit den Themen Leben, Sterben, Tod und Sinn auseinandersetzt. Der Eintritt kostet 8 Euro (ermäßigt 6 Euro). Einen Kartenvorverkauf gibt es im Forum am Dom und unter Telefon 05 41/31 82 80.