Arbeitsplatz Tourismusseelsorge

Barfuß im Sand

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Zwei Frauen sitzen in einem Strandkorb im Sand.
Nachweis

Foto: privat

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Frauke Kiel (li.) und Cathrice Stadler an ihrem Arbeitsplatz.

Tourismusseelsorger an Nord- und Ostsee sind sich einig: Einen schöneren Arbeitsplatz gibt es kaum. Sie bieten Gespräche, Gottesdienste und Schöpfungserfahrungen – und die Menschen nehmen das gerne an.

Ob an der Nordsee oder entlang der schleswig-holsteinischen oder der mecklenburgischen Ostseeküste zwischen Eckernförde, Dahme und Kühlungsborn: Die Tourismusseelsorge kommt gut an bei den Urlaubern. Die Frauen und Männer der katholischen und der evangelischen Kirche arbeiten dabei Hand in Hand und gehen dorthin, wo die Menschen sind. Unsere kleine Rundreise beginnt in Kühlungsborn.

Pater Ralf
Pater Ralf hört in Dahme zu, was die Urlaubsgäste mit ihm bereden wollen. Foto: Marco Chwalek

Vor wenigen Wochen hat dort Cathrice Stadler als katholische Tourismusseelsorgerin mit der Strandkorbseelsorge begonnen, arbeitet mit ihrer evangelischen Kollegin Frauke Kiel zusammen. „Das Angebot der Seelsorge direkt am Strand besteht seit 18 Jahren“, sagt Kiel. Das Ziel ist seither unverändert: „Für Menschen da zu sein, unabhängig von Konfession oder Glaubensüberzeugung.“ Cathrice Stadler ergänzt: „Es geht um Zuhören und Begleiten, ohne Zeitdruck, ohne Vorurteile.“ Und das scheint ein gutes Rezept zu sein. „Manche kommen gezielt, andere setzen sich spontan dazu“, sagen die Seelsorgerinnen. Manchmal werde nur gemeinsam geschwiegen und dabei auf das Rauschen des Meeres gelauscht. Stadler spricht von einer Art „Seelenurlaub“: „So wie der Körper im Urlaub ruht, darf auch die Seele einen Ort finden, an dem sie durchatmen kann.“ Dazu gehöre auch, sich Sorgen von der Seele zu reden. Zwar gebe es keine Beichtgespräche. „Aber ein seelsorgliches Gespräch kann sehr befreiend sein, wenn jemand etwas aussprechen möchte, das lange schwer auf der Seele lag“, sagt sie.

Auch in Dahme gibt es einen Strandkorb als Anlaufstation, er heißt dort Zuhör-Korb. Pater Ralf Winterberg sieht in  kurzen Hosen, mit T-Shirt und Schirmmütze auf dem Kopf nicht wie ein Ordensmann aus – aber das ist am Strand ja gar nicht so schlecht. Die Begegnungen sind für ihn „ein wichtiges Lernfeld, um zu wissen: Wie ticken die Menschen von heute und was bewegt sie? Ihnen dabei ein offenes Ohr zu schenken, das macht mir Freude.“ Zwischenmenschliches habe in der Coronazeit gelitten, das sei noch immer zu spüren, sagt er.

Gerade für Alleinreisende fange der Tag im Frühstücksraum oft „viel zu still“ an. Da sei eine Unterhaltung viel wert. „Und wenn ich dann noch etwas auf dem Herzen habe, kann ich das natürlich mitbringen.“ Themen sind oftmals ungewollte Veränderungen im Leben, Trauer und Verlust. Gerade erst sei er einer Frau begegnet, deren Hund drei Tage zuvor gestorben war. „Das ist ja auch ein wichtiger Weggefährte“, meint Pater Ralf. Er bietet im Übrigen auch Tiersegnungen an, und selbst Fahrrad und Rollator werden auf Wunsch unter Gottes Segen gestellt.

Die Begegnungen leben, so sagt Pater Ralf, von der Spontanität, von der Möglichkeit, ohne Termin vorbeizukommen. Er habe schon erlebt, dass er direkt aus dem Strandkorb per Telefonanruf weiterempfohlen wurde: Der Pater ist noch eine Stunde da, komm’ doch rasch vorbei!

Das Angebot soll niedrigschwellig sein, doch die Fachlichkeit stehe – nicht nur bei ihm – stets dahinter. Dass der Kölner Sozialpädagoge ist, wüssten manche Besucher aus den Broschüren des örtlichen Tourismus-Service, der viele der Veranstaltungen nicht nur organisatorisch unterstützt, sondern sogar über die Strand-Lautsprecheranlage ankündigt. „Wir spielen uns die Bälle zu.“

Kleine und Gottluk
Bettina Kleine (li.) und Pastorin Brigitte Gottuk barfuß im Sand des Strands von Eckernförde. Foto: Marco Chwalek

Manche Menschen, die jedes Jahr an ihren Sehnsuchtsort Dahme kämen, suchten immer wieder den Kontakt zu Pater Ralf. Ehepaare wollten dann ihr Ehegelübde erneuern, sich segnen lassen oder ihr Kind taufen lassen. „Für viele wichtige Dinge nehmen sich die Menschen im Urlaub Zeit. Wir als Kirche können davon lernen, ja, vielleicht, dass die Menschen nicht zu unseren Gemeinden am Wohnort kommen, sondern dass sie unser Angebot hier besser nutzen können“, sagt Pater Ralf.

Während er viele Jahre Erfahrung in der Tourismusseelsorge, auch auf Kreuzfahrtschiffen, gesammelt hat, ist es für Pastoralreferentin Bettina Kleine in Eckernförde ein Neuanfang. Mit einer halben Stelle ist sie seit Anfang Juni in der Pfarrei Sankt Ansgar für Tourismuspastoral, Ökumene und Einzelseelsorge zuständig. Auf evangelischer Seite hat sie mit Brigitte Gottuk eine Pastorin an ihrer Seite, die seit Jahren das Programm rund um die Schäferwagenkirche am Strand gestaltet, sei es montags um 18 Uhr den Strandsegen oder sonntags um 20.30 Uhr das „himmelwärts blicken“.

Für die beiden Seelsorgerinnen steht an einem sonnig-warmen Juni-Abend der Strandsegen auf dem Programm. Dafür haben sie liturgische Gewänder übergestreift – und die Schuhe ausgezogen. Das ist für Außenstehende ein ungewohntes Bild, aber ein tolles Gefühl, da sind sie sich einig. „Wunderbar. Ich habe gerade begeistert die Schuhe ausgezogen und spüre mich, verbunden zwischen Himmel und Erde. Besser kann ich nicht geerdet sein“, sagt Bettina Kleine. Barfuß mit Albe, diese Kombination ist für sie völlig neu. „Diese Erfahrung ist wirklich ganz besonders.“

Manchmal lässt eine Fürbitte den Atem stocken

Ganz besondere Momente lassen sich immer wieder erleben, sei es in persönlichen Gesprächen oder wie neulich beim Strandsegen, als einer die Fürbitte aufschrieb, es möge hoffentlich sein Hof nicht zwangsversteigert werden. Ein Satz, der „eine ganze Existenz aufmacht“ und als Fürbitte „einmal laut“ gemacht wurde, sagt Pastorin Gottuk. „Das hat mich sehr bewegt.“

Feuershow in Kühlungsborn
Die Feuershow in Kühlungsborn zog viele Menschen in ihren Bann. Foto: KJM

An der Nordseeküste in der Pfarrei St. Knud sind Pastor Dirk Peters und Pastoralreferentin Renate Schulz das neue Team für die Urlaubsseelsorge, vor allem in Sankt Peter-Ording und auf Sylt. Sonnenaufgangsmeditationen um 5 Uhr am Strand von St. Peter-Ording sind dort ein besonderes ökumenisches Angebot, bei dem eine evangelische Diakonin federführend ist. Gemeinsames Singen und Beten in die aufgehende Sonne hinein, das ist aus Sicht von Pastor Peters ein besonderes Naturschauspiel: „Eigentlich predigt der liebe Gott dadurch seine Schöpfung.“

Nicht alles, was Urlaubsgäste anlockt, gehört zur Tourismusseelsorge: So wie das „Meereslauschen“ das vom 4. bis 6. Juli rund um die Kirche Heilige Dreifaltigkeit in Kühlungsborn stattfand. Organisatoren waren die Katholische Jugend Mecklenburg (KJM), KJM-Referentin Agnes Saul und Tourismusseelsorgerin Cathrice Stadler. Unterstützt wurden sie von über 20 Ehrenamtlichen. Ein Höhepunkt war eine Feuershow, die zahlreiche Gäste in ihren Bann zog.

mc/nvh/hix