Drei Religionen an einem Ort

Baubeginn für Berliner "House of One"

Image

Nach zehnjähriger Planung wird am Donnerstag der Grundstein für das Berliner "House of One» gelegt. Es ist der symbolische Baustart für ein in dieser Form bundesweit einmaliges "Bet- und Lehrhaus" von Juden, Christen und Muslimen.

Geistliche des House of One im Dialog (v.l.n.r.) Rabbiner Andreas Nachama, Imam Kadir Sanci und Pfarrer Gregor Hohberg
Wollen weltweit noch Mehrreligionenhäuser fördern: die Geistlichen des House of One Rabbiner Andreas Nachama, Imam Kadir Sanci und Pfarrer Gregor Hohberg

Die Zeremonie wird ab 10.30 Uhr auf https://house-of-one.org/de live übertragen. Zu dem Festakt werden Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erwartet. Das internationale Interesse an dem Projekt belegt, dass sich Generalsekretärin Azza Karam der Bewegung "Religions for Peace" per Internet zuschalten lässt. Wegen der Corona-Pandemie kann sie nach Angaben der Stiftung "House of One" nicht persönlich kommen.

Das Virus ist auch für die Verschiebung der Grundsteinlegung verantwortlich: Sie sollte ursprünglich am 14. April 2020 stattfinden, dem Jahrestag der Berliner Uraufführung von Gotthold Ephraim Lessings "Nathan der Weise" im Jahr 1783. Das Drama wirbt für Dialog und Toleranz zwischen den Religionen.

Diesem Ziel haben sich auch die Träger des neuen Sakralbaus verpflichtet. Es sind die evangelische Kirchengemeinde Sankt Petri-Sankt Marien, die Jüdische Gemeinde zu Berlin, das Abraham Geiger Kolleg zur Ausbildung von Rabbinern und der muslimische Verein Forum Dialog. Der Name House of One (Haus des Einen) bezieht sich auf den Glauben der beteiligten Religionen an einen Gott.

Ihr Bau im Zentrum Berlins wird nicht zu übersehen sein. Er entsteht an der mehrspurigen Gertraudenstraße auf den Fundamenten der ehemaligen evangelischen Petrikirche, deren Trümmer nach dem Zweiten Weltkrieg abgetragen wurden. Umfassen wird er eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee, die durch einen Raum der Begegnung auch mit nichtreligiösen Menschen verbunden sind. Das Konzept des dreistufige Ziegelbaus in kubischen Formen stammt vom Architekturbüro Kuehn Malvezzi Architekten. Es hatte 2013 bei einem Wettbewerb den ersten Platz belegt.

Die Arbeiten werden auf eine Dauer von vier Jahren und die Kosten auf 47 Millionen Euro veranschlagt. Davon trägt der Bund 20 Millionen Euro, das Land Berlin steuert zehn Millionen Euro bei. Spenden und weitere Zuwendungen erbrachten bislang neun Millionen Euro, knapp acht Millionen Euro will die Stiftung noch einwerben. Sie hat nach eigenen Angaben bereits Unterstützerinnen und Unterstützer in rund 60 Ländern weltweit.

Dabei hat die Stiftung auch den Rückhalt eines prominenten Kuratoriums. Ihm gehören unter anderen Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sowie Berlins Erzbischof Heiner Koch und Landesbischof Christian Stäblein an, überdies der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, und die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, Hetty Berg.

Das Projekt strahlt zudem weit über Deutschland hinaus aus. So dient es etwa in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui als Vorbild und Inspiration für ein vergleichbares Bet- und Lehrhaus, wie es im vergangenen Jahr eine Ausstellung von Zeichnungen und Modellen für das Projekt in der Berliner Parochialkirche deutlich machte.

Die Berliner Stiftung House of One strebt eine weitere internationale Vernetzung solcher Mehrreligionenhäuser an. So luden Rabbiner Andreas Nachama, Pfarrer Gregor Hohberg und Imam Kadir Sanci, die prominentesten Vertreter des Projekts, im vergangenen Jahr zu einer digitalen Konferenz mit Vertretern ähnlicher Einrichtungen in Bern, Hannover, München, Wien und Wilhelmshaven ein.

Das Berliner Projekt stellt sich auch problematischen Aspekten seines Standorts. So erforscht es die nationalsozialistische Vergangenheit von Walter Hoff (1890-1977), der Pfarrer an der Petrikirche und als "glühender Antisemit" bekannt war. «Ein geschichtsloser interreligiöser Dialog wäre substanzlos und naiv», betont Roland Stolte, der Verwaltungsdirektor der Stiftung House of One: "Deshalb muss auch das Wirken von Walter Hoff zum Thema werden".