200 Jahre St. Johann Bremen

Beim ersten Gottesdienst flogen Steine

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Propsteikirche St. Johann in Bremen von oben
Nachweis

Foto: Christof Haverkamp

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Die Kirche St. Johann mitten in Bremen. Das Gebäude entstand schon im Mittelalter. Foto: Christof Haverkamp

Seit 200 Jahren haben die Katholiken in Bremen wieder eine eigene Kirche. Wer mitfeiern wollte, musste eine Eintrittskarte erwerben. Die Propsteigemeinde St. Johann erinnert jetzt an dieses Datum.

Es ist ein langer Weg zur Wiedereinweihung der Kirche. Die Renovierung ist teuer, die Gemeinde muss noch 12 500 Taler Schulden abtragen. Daher werden „Billette“ für den Einweihungsgottesdienst verkauft – und zwar nur an aktive Kirchgänger, wie im Buch „St. Johann Bremen“ von Wilhelm Tacke zu lesen ist. „Begüterte anderer Confession“ können  ebenfalls Eintrittskarten erwerben. Von 195 Personen auf der Billett-Liste sind 55 protestantisch. „Erste ökumenische Rauchzeichen“, nennt Tacke das.

Die Freude ist groß. Endlich wieder eine eigene Kirche! Cornelius Richard Dammers, Generalvikar von Paderborn, nimmt am 17. Oktober 1823 die Weihe vor und vertritt den erkrankten Paderborner Fürstbischof Franz Egon von Fürstenberg. Er bringt den Paderborner Domprediger Josef Strider mit, der einen gewaltigen Eindruck hinterlässt. Spontan wird ihm eine gut dotierte Pfarrstelle angeboten. Er lehnt ab.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Zwar wird seit 200 Jahren wieder Gottesdienst in St. Johann gefeiert – das Kirchengebäude entstand schon im Mittelalter. Franziskaner kommen um 1225 nach Bremen und errichten im Schnoorviertel ein Kloster mit Kirche. Da sie zu klein ist, wird zwischen 1350 und 1400 die heutige Kirche als gotische Gewölbekirche gebaut. „Der Franziskanerorden hat durch den Ausbruch der Pest um 1380 herum so viele Seelenmessen lesen müssen – und die mussten ja bezahlt werden –, dass er sich praktisch eine neue Kirche leisten konnte“, erklärt Tacke.

Nach der Reformation wird die Stadt protestantisch. Katholische Messen sind zunächst verboten. Die Franziskaner müssen 1528 ihr Kloster schließen, es wird ein Armen- und Krankenhaus. Das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten bleibt lange Zeit spannungsgeladen. Den ersten katholischen Gottesdienst in Bremen nach dem Westfälischen Frieden feiert der Jesuit Johannes Zweenbrüggen im September 1648 in der Altstadt. Der Pater wird mit Steinen beworfen und muss fürchten, in die Weser gestürzt zu werden.

Katholiken mussten umziehen, weil die Nachbarn sich beschwerten

Nur mit einem Trick können katholische Christen Messe feiern: Der Kaiser hat einen Residenten in Bremen, und der darf Hofkapläne haben. Im Hof des Residenten ist eine Kapelle, dort dürfen Verwandte sitzen. Aber die Kapelle lässt sich zum Garten öffnen, draußen stehen die übrigen Gläubigen. Sie singen lateinische Lieder, und das bekommt die Umgebung mit. „Und das hat dazu geführt, dass zwischen 1648 und 1803 die Katholiken zehnmal umziehen mussten, weil die Nachbarn gemeckert haben oder aber der Resident starb und der Sohn irgendwo anders wohnte“, sagt Tacke.

Um zum eigenen Gotteshaus zu kommen, prozessieren die katholischen Christen beim Reichskammergericht und erhoffen sich Hilfe vom Kaiser. Beides vergeblich. Die Lage bessert sich im frühen 19. Jahrhundert, als sich Napoleons Truppen nähern und der Bremer Senat weiß: Napoleon will deutschen Katholiken die gleichen Rechte geben wie den Protestanten in Frankreich. So bietet der Senat den Katholiken gleich vier Kirchen an: Unser Lieben Frauen, die Martinikirche, die Katharinenkirche und St. Johann. Gekauft wird St. Johann, doch vor der Einweihung sind umfangreiche Arbeiten nötig: Weil die Weser mehrmals im Jahr über die Ufer tritt und die Kirche dann unter Wasser steht, wird der Fußboden um drei Meter angehoben.

Seit 1917 steht das Gebäude unter Denkmalschutz. 1953 wird St. Johann Propsteikirche, und 2016 wird sie umfassend renoviert. Spannungen zwischen Protestanten und Katholiken sind längst Geschichte. Heute bestehen gute Kontakte, und so ist es selbstverständlich, dass Edda Bosse als Präsidentin des Kirchenausschusses der Bremischen Evangelischen Kirche während der Jubiläumsfeier ein Grußwort sprechen wird.

Der Festgottesdienst mit Diözesanadministrator Johannes Wübbe wird am Sonntag, 29. Oktober, um 11 Uhr gefeiert.

 

Was ist typisch für St. Johann? Eine Umfrage

Propst Bernhard Stecker
Propst Bernhard Stecker. Foto: Christof Haverkamp

Ob Arabisch oder Igbo, Englisch oder Spanisch, emsländisches Platt oder oberbayerische Mundart: Es findet sich fast alles in St. Johann. Der Obdachlose oder Reisende, bepackt mit Taschen und Tüten, sitzt neben den feinen Gesellschaften Bremer Kaufleute. Der reformfreudige Katholik, der die Regenbogenfahne über dem Eingang begrüßt, singt zusammen mit der konservativen Kirchgängerin, der Traditionen und Lehre der katholischen Kirche unveränderbar und wichtig sind. Touristen, die auf dem Weg in den Schnoor neugierig hineinschauen, stehen neben ergriffenen Gläubigen, für die dieser Ort geistliche Heimat ist. Neugetaufte und frisch Bekehrte ebenso wie quasi-geburtliche Christen, Überzeugte und Suchende, sozial Engagierte genauso wie sogenannte Kultur-Christen: all das findet sich in St. Johann.

„Unter einen Hut“ bekommt man sie nicht, muss man vielleicht auch nicht. St. Johann ist das, was Kirche sein sollte: ein Ort der Begegnung mit Gott, mit Menschen aller Schichten und mit sich selbst. Dieser letzte Punkt ist mir am wichtigsten geworden: Der unverstellte Blick auf das Kreuz in St. Johann ermöglicht mir, mein eigenes Leben, auch die Brüche und Gefährdungen darin, zu erkennen und anzunehmen. Diesen Blick offenzuhalten, dafür bin ich hier. 
Propst Bernhard Stecker

 

Juliane Ellerhorst
Juliane Ellerhorst. Foto: privat

In St. Johann und St. Elisabeth ist immer etwas los. Hier kann jeder an unterschiedlichen Gruppen und Aktionen teilnehmen und sich entsprechend seiner Möglichkeiten einbringen. Ob Chor, Kohlfahrt, Andacht oder Gemeindereise – für Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche finden sich viele Angebote. St. Johann ist eine gesellige Gemeinschaft, in der niemand alleine bleiben muss. Ich bin Teil der Frauengruppe in St. Elisabeth. Wir treffen uns monatlich in gemütlicher Runde zu unterschiedlichen Themen. 

Im Messkreis St. Elisabeth bereiten wir in kleinen Teams die monatlichen Familienmessen vor. Hin und wieder helfe ich bei der Gartenarbeit in St. Elisabeth. Und ich habe drei Kinder, die Messdiener waren und mittlerweile als Gruppenleiter die Gemeinde unterstützen.
Juliane Ellerhorst

 

Ingo Wilberding
Ingo Wilberding. Foto: Christof Haverkamp

Die Buntheit der Gemeinde ist für mich charakteristisch an St. Johann. Aus vielen Nationen kommen Menschen zusammen, um gemeinsam zu feiern, zu beten und dem Auftrag Jesu nachzuspüren. Besonderen Ausdruck findet dieser Auftrag im Einsatz für die Benachteiligten, Einsamen und am Rand Stehenden, die es in der Großstadt reichlich gibt.  Viele Ehrenamtliche engagieren sich in unterschiedlichen Gruppen und Projekten. Und genau so ist St. Johann mitten in der Großstadt präsent als Ort der Feier des Glaubens und der Nächstenliebe und des Miteinanders. Ebenso prägend für uns ist das Zusammenspiel von Innenstadtkirche und Stadtteilgemeinde St. Elisabeth. 

Ich selber bringe mich ein im Kirchenvorstand und begleite im Sommer die Kinderfreizeit im Küchenteam. 
Ingo Wilberding