Wie Menschen in Lateinamerika Weihnachten feiern
Besinnliche Lieder und Feuerwerk
Christbaum, Feuerwerk und Geschenke: In Südamerika wird Weihnachten ausgelassen gefeiert - die einen vertraut katholisch, die anderen fast unreligiös.
Besinnlich ist sie, die Weihnachtszeit in La Paz. Auch wenn es in Bolivien eigentlich Sommer ist. Weil es aber in den Anden früh dunkel und kühl wird, kann eine ähnliche Atmosphäre wie in Deutschland entstehen. Zwar gibt es in der kargen Landschaft auf 3.600 Meter kaum Bäume, doch an weihnachtlicher Dekoration und Tradition fehlt es nicht. In den Wohnzimmern stehen geschmückte Plastiktannen, hier und dort Krippenspiele; der Truthahn wird in den Ofen geschoben, und es werden Weihnachtslieder gesungen. Bolivien ist schließlich ein katholisch geprägtes Land.
An Heiligabend wird es in der Regel spät - sehr spät: Kleine Kinder taumeln nicht selten vor Müdigkeit, wenn sie nicht schon vor der Bescherung eingenickt sind. Die Geschenke liegen auch kurz vor Mitternacht noch unberührt unter den beleuchteten Bäumchen. An ein zeitiges Zubettgehen ist im weihnachtlichen Lateinamerika nicht zu denken. Da wird am 24. Dezember ausgiebig mit Familie und Freunden gegessen, geplaudert und genossen. Wird es Mitternacht, gibt es Feuerwerk über La Paz. Die erschöpften, aber glücklichen Kinder öffnen die Geschenke, es wird angestoßen, man umarmt sich und wünscht sich Frohe Weihnachten. In Bolivien bleibt das christliche Fest für einen Europäer einigermaßen vertraut.
Wo das Klima aber heißer ist, das Meer näher, da sind die kulturellen Unterschiede beträchtlich. "In Uruguay? Da ist es eine Fiesta", sagt Maria Urruzola. "Wir haben Hochsommer, feiern Weihnachten in Gärten, draußen, wir grillen, traditionellerweise Lamm", sagt die 65-Jährige, die viele Jahre in Frankreich gelebt hat. Das Fest in ihrer Heimat habe wenig mit Weihnachten zu tun, wie man es in Europa kenne. Freilich würden auch in Uruguay die Häuser dekoriert werden. Doch insgesamt hätten die Feierlichkeiten kaum noch einen religiösen Charakter.
Religion und Staat sind strikt getrennt, Weihnachten fast unreligiös
In Uruguay sind Kirche und Staat schon seit vielen Jahren strikt getrennt, erläutert die Journalistin und Schriftstellerin aus der Hauptstadt Montevideo. Uruguay sei das Land mit den meisten Atheisten in Lateinamerika; ihr Anteil: zehn Prozent. Eine Studie von 2014 habe ergeben, dass rund 38 Prozent der Uruguayer keiner Religion angehörten.
Das Küstenland, das auch die Schweiz Südamerikas genannt wird, birgt noch weitere Besonderheiten: In Uruguay wird offiziell gar nicht Weihnachten gefeiert, sondern der "Tag der Familie". Der streng laizistische Staat hat nicht nur Kruzifixe und Heiligenbilder aus dem öffentlichen Raum verbannt, sondern auch die religiösen Feiertage aus der staatlichen Agenda gestrichen bzw. umbenannt. In Uruguay gilt Religion als Privatsache. So wird das ursprünglich kirchliche Fest Mariä Empfängnis am "Tag des Strandes" begangen; zu Ostern wird die "Reisewoche" gefeiert, und im Januar essen die Uruguayer den Dreikönigskuchen am "Tag der Kinder".
Debatten über den Laizismus begannen in Uruguay bereits Mitte des 19. Jahrhunderts - angeführt von antiklerikalen Liberalen, beeinflusst von den Ideen der Aufklärung. Das Land verstaatlichte 1861 die kirchlichen Friedhöfe, führte 1885 die standesamtliche Trauung ein und 1907 die Ehescheidung. In der Verfassung von 1917 wurden Kirche und Staat schließlich strikt getrennt. Die Bischöfe sahen damals darin eine Gefahr für das Seelenheil der Gläubigen.
Eine Sache ist in ganz Südamerika ähnlich: Das Weihnachtsfest ist deutlich lauter als in Europa. "Um Mitternacht gibt es eine farbige Explosion im Himmel über Montevideo", sagt Urruzola. Etwa 15 Minuten lang dauert das Feuerwerk. "Danach gehen die Familien, vor allem die jungen Menschen, nach draußen." Es wird getrunken, gejohlt, getanzt.
kna