Pro und Contra

Besuch bei Oma?

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Kaum eine Frage ist in den vergangenen Wochen so hitzig diskutiert worden wie jene, ob ein Besuch bei den Großeltern mit Kind und Kegel in Coronazeiten zu verantworten ist. Was gewinnt die Oberhand, Gefühl oder Vernunft? Wofür entscheiden wir uns: für enthaltsame Solidarität oder den Seelenfrieden? Zwei Meinungen dazu auch in der Redaktion: von Barbara Faustmann und von Renate Fahn.


„O, du fröhliche Weihnachtszeit …“ – in diesem Corona-Jahr besser ohne Besuch bei den Großeltern?

Pro: "Mein Herz sagt laut: Ich möchte das Kind sehen."

Weihnachten steht in meiner Familie spätestens Mitte August vor der Tür. Genau dann, wenn die Sonne noch hoch steht und die Hitze zuschlägt. Wenn ich bis dahin nicht angefangen habe, darüber zu sprechen, werden meine drei erwachsenen Kinder unruhig. „Muttern, was ist los, du hast noch nichts gesagt, wie wir dieses Jahr Weihnachten feiern?“, merkt mein Ältester beim sommerlichen Grillen im Garten an. Ich schweige erstmal. Schon lange wälze ich die Gedanken im Kopf herum, ohne wirklich zu einem Ergebnis zu kommen. In diesem Jahr ist alles anders. Warum? Mein Zweitgeborener ist im Mai Papa geworden und das heißt: Ich habe nun eine Enkelin. Zweifellos ist für mich klar, ich will sie an Weihnachten sehen. 

Und jetzt setzt Corona dem Kopf-Karussell die Krone auf. Die Vorschläge wurden unterbreitet. Wer will an Heiligabend zu wem kommen? Betrübte Mienen auf der einen Seite, Kopfschütteln auf der anderen. Mittlerweile ist Dezember, Endspurt. Jetzt müssen Entscheidungen fallen. Bei all dem stehen mir Vorsichtsmaßnahmen, Regeln und Verordnungen, die fast täglich kommen, auch nicht so hilfreich zur Seite. 

Ich will niemanden gefährden, schon gar nicht die Kleine, aber mein Herz sagt sehr laut: Ich möchte das Kind sehen. Kurz vor Toresschluss haben wir in der Familie Kompromisse gefunden, mit denen alle einverstanden sind. Es gibt Aufteilungen, damit die Treffen in kleinem Kreis stattfinden. Es ist dieses Mal ein anderes Weihnachten und ich muss gestehen, es klingt ein wenig stressfreier. Es ist übersichtlich, es gibt keine Staus im Wohnzimmer und am Esstisch. Sprich, für uns kann Weihnachten kommen. Für mich erstmals als Oma. Das will ich mir nicht nehmen lassen. Unser Konzept: Wir geben alle unser Bestes, geben auf uns und damit auf die anderen acht. 

Barbara Faustmann, Großmutter und Redakteurin der Kirchenzeitung

 

Contra: "Deswegen haben wir uns nicht weniger lieb."

In der Weihnachtsbäckerei“, trällerte mein Sohn im Kita-Alter in Endlosschleife, wenn wir zusammen Plätzchen backten. Die üppig gefüllten Keksdosen mussten teilweise versteckt werden, damit an den Feiertagen überhaupt noch was übrig war und wir nicht nur vor ein paar Krümeln saßen. Erinnerungen, schöne gemeinsame so friedliche Weihnachtszeit. In diesem Jahr ist alles etwas anders. Das Virus wirbelt unsere Welt durcheinander. Vorsicht, Rücksichtnahme, Achtung vor dem Leben rücken vermehrt und deutlich in den Fokus. Die Gesundheit ist doch das wertvollste Gut.

Mit meiner Familie bin ich einig, dass dieses Weihnachtsfest und die Feiertage unkonventioneller werden, dass wir nicht gemeinsam feiern und uns somit auch nicht in die Arme nehmen.

Deswegen haben wir uns nicht weniger lieb. Da kommt kein Gefühl der Kälte oder Ablehnung auf. Wir freuen uns auf die Zeit nach der Pandemie. Wir können dann lachen, uns herzen und Späße machen, ohne Angst, dass die paar schönen Stunden ein schreckliches Erwachen bringen könnten.

Meine Söhne sind damit aufgewachsen, dass wir nicht immer die Großeltern parat und in greifbarer Nähe hatten. Oft mussten viele Kilometer zurückgelegt werden, um sich zu treffen, aber ein Zusammengehörigkeitsgefühl war immer da.

Keine Frage, dass Kinder und Enkelkinder auch dieses Jahr mit Geschenken beglückt werden und Feude haben sollen. Im digitalen Zeitalter wird dann außerdem FaceTime aktiviert. Welch Glück, dass es heute diese Möglichkeit gibt und Küsschen gibt’s dann virtuell. Und wenn wir uns lächeln sehen, dann ist die Welt einfach schön.

Die Großmutter ist nicht nur Mutter und Oma, sie ist ein Mensch und möchte leben. Sie weiß auch, dass jedes Leben endlich ist, aber sie mag „quality time“ und ist dankbar, dass ihre Lieben das ebenso sehen.

Renate Fahn, Großmutter und Sekretärin der Kirchenzeitung