Ein Jahr "Out in Church"

Beziehungsstatus: Es bleibt kompliziert

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Vor einem Jahr gingen queere Mitarbeitende der katholischen Kirche an die Öffentlichkeit und sprachen über Ängste und Diskriminierung. #OutInChurch zieht eine positive Zwischenbilanz - und will einen Verein gründen.

Foto: kna/Julia Steinbrecht
Protest: Mitglieder von #OutinChurch bei der Verleihung des Katholischen Medienpreises im Herbst 2022. Foto: kna/Julia Steinbrecht


An jenem Montag im vergangenen Januar haben ihre Gesichter die deutschen Medien dominiert: Vor einem Jahr, am 24. Januar 2022, sprachen 125 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende der katholischen Kirche offen über ihre Sexualität und Geschlechtsidentität. Auch in der zum Start der Initiative #OutInChurch zeitgleich veröffentlichten Filmproduktion "Wie Gott uns schuf" berichteten sie von Diskriminierung, Ängsten und einem Leben im Schatten.

Dass im 21. Jahrhundert in Deutschland Menschen etwa aufgrund einer homosexuellen Beziehung ihren Job verlieren können, stieß bei großen Teilen der Öffentlichkeit auf Unverständnis - und sorgte zugleich für viel offen bekundete Solidarität. Neben einer Vielzahl kirchlicher Verbände äußerten auch Politiker ihre Sorge und sprachen von einer nötigen Änderung des kirchlichen Arbeitsrechtes.

Das nämlich wurde schnell zu einem der Hauptpunkte der Kritik. Das Grundgesetz räumt Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht auch im Arbeitsrecht ein. Aufgrund daraus resultierender Loyalitätsverpflichtungen konnte die katholische Kirche Mitarbeitenden, die etwa in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebten, kündigen.

Seit Beginn des Jahres 2023 allerdings setzen die deutschen Bistümer nach und nach ein reformiertes Arbeitsrecht um, das die Bischöfe im Herbst beschlossen hatten. Einer der zentralen Punkte: Aus der Lebensführung ihrer Mitarbeitenden will sich die Kirche künftig raushalten.

Ob es letztlich #OutInChurch zuzuschreiben ist, dass die Reform noch 2022 abgeschlossen werden konnte, bleibt offen. Fest steht jedoch, dass der öffentliche Druck auch bei den Bistümern angekommen ist. So bezeichneten denn auch als eher konservativ geltende Bischöfe das neue Arbeitsrecht als alternativlos. Die Initiative sieht die Arbeitsrechtsreform als bisher "größten und sichtbarsten Erfolg". Auch wenn andere Gruppen schon lange Änderungen gefordert hätten, habe #OutInChurch noch mal "den letzten Schub" gegeben, sagte Mit-Initiator Jens Ehebrecht-Zumsande.


Eklat beim Synodalen Weg

Dabei sah es zwischenzeitlich auch anders aus. Nachdem die Bischöfe Anfang Januar auf #OutInChurch noch mit Selbstkritik und Rufen nach Veränderungen reagiert und während ihrer Vollversammlung im Frühjahr eine Petition für die Anliegen der Initiative mit knapp 120.000 Unterschriften erhalten hatten, kam es im September in Frankfurt zu einem Eklat.

Bei der Vollversammlung des Reformprozesses Synodaler Weg scheiterte ein grundlegender Text zur kirchlichen Sexualmoral an der Sperrminorität der Bischöfe. Im Saal kam es zur spontanen Protestkundgebung, es folgte eine emotionale Aussprache. #OutInChurch zeigte sich ernüchtert. Das Aus für den Grundtext sei erneut ein "Schlag ins Gesicht" gewesen.

In ihm wurde eine neue Haltung der Kirche zu Belangen der Sexualität und Geschlechtsidentität gefordert - und damit einer der wesentlichen Punkte von #OutInChurch angesprochen, deren Anliegen von Beginn an über die öffentlich dominierende arbeitsrechtliche Debatte hinausging. Zum Beispiel sieht der Katechismus der Katholischen Kirche und somit das Buch zu den Grundfragen des Glaubens in Homosexualität weiterhin eine "Beeinträchtigung", die aufgrund der Schöpfungsordnung nicht als "gleichwertige sexuelle Prägung" anzusehen sei.

Viele kirchliche Stimmen fordern hier schon lange eine Kurskorrektur. #OutInChurch kritisierte zudem, dass die Kirche bislang nur Hetero- und Homosexualität im Blick habe. Die queere Community umfasst aber auch jene, die zum Beispiel trans, intergeschlechtlich und nicht-binär sind, sich also nicht in den klassischen gesellschaftlichen Kategorien von Mann und Frau verordnen lassen.

So forderte die Initiative denn unter anderem auch, "diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen der kirchlichen Lehre" auf Grundlage humanwissenschaftlicher und theologischer Aussagen zu revidieren. Eine Forderung, die sie bis heute als nicht eingelöst betrachtet. Der Paukenschlag auf dem Synodalen Weg spreche dabei für sich.

Mittlerweile hat #OutInChurch ein Buch herausgegeben und den Hamburger Pride Award erhalten. Im November erhielt die ARD-Dokumentation "Wie Gott uns schuf" den katholischen Medienpreis - und sorgte für hitzige Debatten über die kirchliche Sexualmoral während der Preisverleihung. Laudatorin Anne Will bezeichnete den Film als eine "kollektive Erleichterung". Im Vorfeld der Preisvergabe hatte #OutInChurch immer wieder vor bloßen Lippenbekenntnissen mancher Bischöfe gewarnt.

365 Tage später sind die Gespräche längst nicht vorbei. Inzwischen haben sich der Initiative 500 bis 600 Personen angeschlossen. "Mit Blick auf das Empowerment von Personen würde ich sagen, haben wir einen großen Erfolg erzielt", sagt Ehebrecht-Zumsande. Die Initiative habe dazu beigetragen, dass sich queere Menschen als selbstverständlicher Teil dieser Kirche betrachteten und nicht mehr wegdrängen ließen. Zum Jahrestag sei ein großes Treffen in Köln geplant, bei dem ein Verein gegründet werden solle. Damit wolle man sich nach einer aktivistischen Anfangsphase dauerhafte Strukturen geben.

Ob die noch offenen Forderungen im kommenden Jahr auf mehr Gehör stoßen, bleibt abzuwarten. Das Arbeitsrecht zumindest wurde binnen eines Jahres reformiert - in einer Kirche, die normalerweise eher in Jahrhunderten denkt.

kna