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Bilder vom Lamm Gottes

Mir ist die Anrede „Lamm Gottes“ im Hochgebet zur Frage geworden. Sprachlich heißt das ja „das Lamm von Gott“. Doch Jesus ist Mensch gewordener Gott. Eigentlich schätze ich das Verweilen in alttestamentlichen  Metaphern nicht. Rudolf Pucher, Langenhagen

Ihre Skepsis gegenüber alttestamentlichen Bildern birgt ein Problem: Es gibt kaum Bilder, die das Neue Testament komplett selbst erfunden hat. Der Hirt und die Herde; das Licht und das Feuer; König und Richter; Messias/Gesalbter; Gott als Vater – das alles sind Bilder, die im Judentum wurzeln. 

Besonders deutlich wird das in den sieben Lesungen, die die Feier der Osternacht prägen. Aber auch an jedem Sonntag ist die alttestamentliche Lesung im Hinblick auf die Verbindung zum Evangelium ausgesucht. Und wer das Neue Testament insgesamt liest, findet in den meisten Bibelausgaben viele Verweise auf Parallelstellen oder Wurzeln im Alten Testament. Deshalb kurz gesagt: Ohne alttestamentliche Metaphern ist das Neue Testament und damit der christliche Glaube nicht denkbar.

Was das „Lamm Gottes“ betrifft, haben Sie grammatikalisch natürlich recht: Wie kann Jesus das „Lamm von Gott“ sein, wenn er selbst Gott ist? Hier muss man bedenken, dass Jesus biblisch vor allem von seiner menschgewordenen Seite her interpretiert wird, weshalb sich das Gegenüber in diversen Genitiven andeutet (der Sohn Gottes, der Heilige Gottes, der Gesalbte Gottes). Jesus empfindet Gott ja auch selbst als Gegenüber, als Vater, mit dem er spricht, den er bittet. Die Reflexionen des Johannesevangeliums („Ich und der Vater sind eins“) sind deutlich später als die Bitte: „Vater, lass diesen Kelch an mit vorübergehen.“

Dass Jesus das neue und endgültige Opferlamm ist, zieht sich durch das gesamte Neue Testament (1 Korinter 5,7; Offenbarung 5,6–12). Unser Begriff „Hostie“ kommt vom lateinischen hostia (Schlachtopfer); auf vielen Hostien werden ein Lamm und ein Kreuz eingestanzt. Das alles soll zeigen: Schlachtopfer wie im Alten Testament oder im Heidentum brauchen wir nicht mehr. Jesus Christus hat sich aufgeopfert – unschuldig wie ein Lamm, damit das Schlachten ein Ende hat.

Susanne Haverkamp