Pro und Contra: Wie lange feiern?

Bis zum Abwinken?

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Mit den lockeren Corona-Regeln werden auch die Einladungen zu privaten Feiern im Familien- oder Freundkreis wieder häufiger. Bei aller Freude übers Endlich-mal-wieder-in-echt-Anstoßen stellt sich die Frage, wie eine Party stilvoll zum Ende kommt. Die Meinungen im Pro und Contra sind verschieden: Heike Kaiser will nicht auf die Uhr schauen. Evelyn Schwab möchte keine Wohnzimmer-Geiselhaft.



 Echte Freundinnen kann niemand trennen … Trotzdem ist auf jeder Feier mal die passende Zeit zu gehen. Nur wann?


PRO

Zugegeben: Den „Morgen danach“ stecke ich nicht mehr so locker weg wie noch vor 20 Jahren. Ich brauche deutlich länger, um fehlenden Schlaf zu kompensieren – und vielleicht auch mal das eine Gläschen Wein zuviel. Und frage mich: War es das wert? Die eindeutige Antwort lautet: Ja – jedenfalls in den allermeisten Fällen.
Von der Corona-Pandemie einmal abgesehen: Die Gelegenheiten, mit engen Freunden einen schönen Abend gemeinsam zu verbringen, sind seltener geworden. Mal ist der eine in Urlaub, der andere beruflich verhindert, eines der Kinder hat Geburtstag, oder es ist Babysitten bei einem Enkelkind angesagt. Umso schöner, wenn dann doch mal alle aufeinandertreffen. Und da wir uns so lange Zeit ja nicht gesehen haben, gibt es entsprechend viel zu erzählen: Von dem Sohn, der inzwischen in Bonn lebt und studiert, nachdem vorher die Vorlesungen nur online möglich waren. Von der Tochter, die inzwischen ihr zweites Kind erwartet, von gemeinsamen Bekannten, die Beziehungsprobleme haben, und, und, und ...
Als Gastgeberin möchte ich, dass es meinen Gästen gut geht. Dass die Atmosphäre entspannt ist. Dass meine Gäste auch lukullisch gut versorgt sind: Wessen Glas ist leer, möchte einer noch Nachschlag vom Dessert oder lieber einen Kaffee?
Wenn es dann irgendwann heißt: „Weißt du noch?“ und „Geschichten von früher“ zum Besten gegeben werden, fühle ich mich rundum wohl in meiner Haut. Wann haben wir das zuletzt gemacht?  
Auf die Uhr schaue ich an solchen Abenden selten. Und wenn, bin ich meist überrascht: Was? So spät ist es schon? Scheint meinen Gästen zu gefallen, sonst wäre der eine oder andere bestimmt schon längst gegangen. Das nehme ich als Kompliment und freue mich darüber.
Der „Morgen danach“ spielt in solchen Momenten kaum eine Rolle. Denn: So jung kommen wir nicht mehr zusammen! Klingt abgedroschen, ist aber so.

Heike Kaiser, Redakteurin

CONTRA

Wenn Gäste einen schönen Abend in guter Erinnerung behalten sollen – kann man ihnen dann vorschreiben, wann sie zu gehen haben? Was aber tun, wenn es kein Ende gibt, weil die Besucher sich gerade ausgesprochen wohl fühlen? Den rechten Zeitpunkt zum Gehen erwischen, das ist auch für den Gast eine kleine Kunst. Allgemeine Benimmregeln deuten an, dass eine Abendeinladung durchaus nach zwei bis drei Stunden zum Abschluss kommen sollte. Lieber dann, wenn es am schönsten ist. Statt dann, wenn  das  Zusammensein beginnt, langatmig zu werden. Soll so eine Situation gar nicht erst aufkommen, könnten ehrliche Hinweise des Gastgebers vorab hilfreich sein. Etwa: „Wir beginnen schon zeitig, damit es nicht zu spät wird. Ich muss morgen früh raus.“
Einem aufmerksamen Gast fällt sicher der Zeitpunkt auf, ab dem der Gastgeber nicht mehr so gesprächig wirkt. Oder wenn der sagt: „Das war ein interessantes Zusammensein heute. Noch ein letztes Getränk vor dem Ende des Abends?“ Knigge-Experten raten dazu, nicht aus lauter Höflichkeit gegenüber den Gästen die eigene Selbstfürsorge zu vergessen. Natürlich gibt es auch diese außergewöhnlichen Treffen, an denen man intensiv über Gott und die Welt redet und gar nicht merkt, dass die Zeit so schnell vergangen ist. Doch normalerweise sollte der Gastgeber die Gäste nicht zum Bleiben auffordern, wenn er müde ist. Oder wenn ersichtlich ist, dass auch die anderen müde werden.
In besonderer Erinnerung bleibt mir in diesem Zusammenhang der Austausch darüber, was eine deutsche Gastgeberin beim Besuch japanischer Gäste erlebte. Ein amüsanter Abend drohte am Ende in nächtliche „Wohnzimmer-Geiselhaft“ auszuarten. Besucher wie Besuchte rutschten offenbar aus Müdigkeit fast vom Sofa und harrten dennoch in eiserner gegenseitiger Disziplin aus. Erst nach dem denkwürdigen Treffen wurden beide auf die kulturellen Unterschiede aufmerksam. In Japan ist es grob unhöflich, wenn der Gast den Abend von sich aus beendet. Es wäre ein Zeichen der Gastgeber notwendig gewesen.

Evelyn Schwab, Redakteurin