Bitte setzen Sie sich doch!

„Gemeinsam Zukunft gestalten“ will die Limburger Caritasstiftung. Und hat dafür drei Preise in Höhe von insgesamt 10.000 Euro ausgelobt. Einer geht an Renate Brand für ihr„Nachbarschafts-Bänkchen“ in Kriftel.

 „Bitte nehmen Sie Platz!“, sagt Renate Brand mit einer einladenden Handbewegung hin zu der Bank neben ihrem Gartentor. Seit einigen Monaten steht das hölzerne Sitzmöbel hier am Hornauer Weg, einer ruhigen Wohnstraße in der Gemeinde Kriftel und hat schon unglaublich viel Schönes bewirkt. 

Auf die Idee, die Bank aus dem Garten vor das Tor zu holen, kam Renate Brand eher spontan. Während sie sich mit einer Nachbarin unterhielt, trafen sich unweit zufällig zwei andere Menschen und blieben zu einem Schwätzchen stehen. Renate Brand sah schnell, dass es den beiden wegen ihres Alters schwer wurde, längere Zeit zu stehen. Da fiel ihr die alte Gartenbank ein. Flugs wurde sie vors Tor getragen. „Ich habe dann die Nachbarn eingeladen, sich doch hinzusetzen“, erinnert sie sich. Ein Schlüsselerlebnis. Denn Renate Brand wurde klar, dass die Bank genau an dieser Stelle goldrichtig stand: als Einladung zum Plausch, als Ort für eine unverbindliche Begegnung.

„Bin ich hier tatsächlich willkommen?“

Noch am selben Tag wurde die Bank daher eingeweiht und erhielt auch einen Namen: „Nachbarschafts-Bänkchen“ steht seither auf der Rückenlehne, an der Renate Brand noch einen Sonnenschirm befestigt hat, damit es sich hier auch an heißeren Tagen gut aushalten lässt. Anfangs habe sie manchen noch ein wenig ermuntern müssen, sich zu setzen, sagt die Kriftelerin, die als Coach arbeitet. Mancher habe sich schon erkennbar gefragt: „Bin ich hier tatsächlich willkommen?“, hat sie beobachtet. 

Was sich dann im Laufe der Zeit an Kommunikation entwickelt hat, macht Renate Brand einfach nur glücklich. Viele Nachbarn, die sich bis dahin allenfalls vom Sehen kannten, wissen heute deutlich mehr voneinander. „Da drüben wohnt zum Beispiel eine Frau, die sich bei den Grünen Damen im Krankenhausbesuchsdienst engagiert. Das finde ich ganz toll, so etwas zu erfahren und zu merken, wie viele Menschen doch etwas für die Gesellschaft tun“, sagt Renate Brand. Ohne die Bank hätte sie wohl bis heute nichts davon erfahren. 

Eine ältere Dame kommt näher und bleibt an der Bank stehen. „Setzen Sie sich doch einen Moment“, sagt Renate Brand. „Diesmal nicht“, sie müsse jetzt erst einmal nach Hause, sagt die Nachbarin, einen Moment nutzt sie aber die Möglichkeit für einen kurzen Austausch gern. Als sie weitergegangen ist, kommt kurz drauf eine Mutter mit ihren beiden Kindern vorbei. Alle drei legen ebenfalls einen Stopp ein am Nachbarschafts-Bänkchen. Wieder kommt es zu einem kleinen Gespräch. „Das alles gäbe es so nicht, wenn die Bank hier nicht stehen würde“, sagt Renate Brand, als die drei weiter gezogen sind. 

Ein guter Grundton

Manchmal setzt sie sich einfach mal nur kurz raus, zum Kartoffelschälen oder Gemüseputzen. Wenn ausnahmsweise mal keiner vorbei komme, genieße sie die kurze Auszeit für sich, sagt die Mutter von zwei Kindern. Ihr ist wichtig, dass die Kommunikation, die hier stattfindet, einen guten Grundton hat. „Wenn einer denkt, er kann hier mal schlecht über andere reden, versuche ich ganz bewusst, gegenzusteuern“, erläutert sie. Tratsch sei in Ordnung, „aber er sollte nie bösartig sein, das macht alles kaputt.“

Weil sie gern andere anstecken will, die Idee des „Nachbarschafts-Bänkchens“ auch noch andernorts zu realisieren, hat sich Renate Brand entschlossen, sich beim Caritasverband mit diesem Projekt um den Stiftungspreis „Gemeinsam Zukunft gestalten“ zu bewerben. Dass sie mit einem zweiten Preis und 2000 Euro bedacht wurde, freut die Kriftelerin sehr. Das Geld will sie zur Anschaffung weiterer Bänke einsetzen und hofft, dass sich Menschen finden, die diese als „Nachbarschafts-Bänkchen“ vor ihrer Haustür aufstellen.

 

Zur Sache: Die Preise

Der Stiftungspreis „Gemeinsam Zukunft gestalten“ geht in diesem Jahr an Projekte im Main- und Hochtaunuskreis sowie im Frankfurter Westen. Den ersten Platz, dotiert mit 4000 Euro, sprach die Jury dem Projekt für ein Soziales Schulhalbjahr im Hochtaunus zu, das der dortige Caritasverband ins Leben gerufen hat. Im „Sozialen Schulhalbjahr“ treffen sich jeweils ein Jugendlicher und ein alter Mensch regelmäßig und haben so die Chance, voneinander zu lernen, eine Beziehung aufzubauen und neue Impulse voneinander zu erhalten. 

Einen weiteren zweiten Platz (dieser dotiert mit 4000 Euro) belegte zudem neben Renate Brand die Pfarrei St. Margareta Frankfurt mit ihrer „Kirche im Grünen“. In dem Familienzentrum unter freiem Himmel auf dem Gartengrundstück eines Pfarreimitglieds werden ebenfalls Begegnungsräume für Jung und Alt geschaffen. (babs)