Der Kult um Fußballstar Lionel Messi

"Danke, Messias"

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Die religiöse Überhöhung des Fußball-Weltmeisters Lionel Messi nimmt immer bizarrere Züge an. In einem Video zeigt der Chef des argentinischen Verbandes ihn mit einem Heiligenschein und als Jesus. Aus der Kirche kommt Kritik.

Foto: kna/Tobias Käufer
Heldenverehrung an der Wand: ein Graffito mit dem Abbild von Lionel Messi in Rosario. Foto: kna/Tobias Käufer

Mit den Testspielen gegen Panama und Curacao haben Argentiniens Fußball-Weltmeister in diesen Tagen wieder zurück ins normale Länderspielleben gefunden. Im Mittelpunkt der Verehrung stand natürlich einmal mehr Weltfußballer Lionel Messi, der seine Mannschaft im vergangenen Dezember beim Turnier in Katar als Kapitän zum Titelgewinn geführt hatte. Vor der Partie gegen Panama in Buenos Aires ehrte der argentinische Fußball-Verband (AFA) Messi und seine Mitspieler mit einer emotionalen Würdigung; beim anschließenden 2:0-Sieg traf dann auch der Torjäger mal wieder; vor 83 000 Zuschauern erzielte Messi den 800. Treffer seiner Profikarriere.

Vor wenigen Wochen hatte der Chef des argentinischen Fußballverbands, Claudio Fabian Tapia, der Heldenverehrung die Krone aufgesetzt. Er postete auf dem Kurznachrichtendienst Twitter einen Clip, in dem er Messi kurzerhand zum „Messias“ erklärte. Das 96 Sekunden lange Video, eine überschwängliche Hommage auf den WM-Finalsieg über Frankreich, haben sich inzwischen fast zwei Millionen Menschen angesehen. „Wir entscheiden uns zu glauben“, schrieb Tapia dazu.

Der Verbandschef gilt als praktizierender Katholik. Nach dem Gewinn der Copa America 2021, dem ersten Titel Messis nach einer jahrelangen Durststrecke im Nationaltrikot, besuchte er einen Wallfahrtsort. Als Dank für den Gewinn des WM-Pokals legte Tapia im Januar nach. Diesmal fuhr er nach Lujan, eine gute Autostunde von der Hauptstadt Buenos Aires entfernt. Die Wallfahrtsstätte zu Ehren der Patronin des argentinischen Volkes veröffentlichte Bilder des Pokals in der Basilika. „Wir danken unserer Mutter von Lujan“, war darunter zu lesen.

„Ich wusste, dass Gott mir den Pokal schenken würde“

Mit seinem aktuellen Video setzte Tapia neue Maßstäbe. Darin lässt er Messi erst durch ein symbolisches Fegefeuer gehen (Niederlagen im WM-Finale 2014, Copa America 2015), um dann aus den Tiefen der Hölle wieder aufzuerstehen und Triumphe zu feiern (Copa America 2021, WM 2022). Dem Star wachsen im Verlauf des Clips Engelsflügel; er bekommt einen Heiligenschein und schließlich erscheint er als Jesus. Der Beitrag endet mit den Worten „Danke, Messias“. Das kleine audiovisuelle Kunstwerk ist aufgebaut wie eine Art Gebet; eine Huldigung an den Erlöser. 

Messi selbst ging früher auf Distanz zu solchen Christus-Vergleichen. „Es ist sehr übertrieben, so genannt zu werden“, sagte er einmal im Interview des katalanischen Senders RAC1. Zu dem Video und dem aktuellen Wirbel darum hat er sich bislang nicht geäußert. Zumindest weiß der Katholik Messi, dass nicht er der Erlöser ist. Nach dem Sieg im WM-Finale gegen Frankreich bekannte er seinen Glauben und sagte: „Ich wusste, dass Gott mir den Pokal schenken würde, ich war mir sicher.“

Im Internet löste der Clip eine emotionale Debatte aus. Während einige Fans ihn gerührt feiern, gab es Kritik aus der Kirche. „Ich gestehe, dass ich das nicht glücklich fand“, sagte Pater Alejandro Puiggari, ehemaliger Direktor des Hochschulinstituts für Katechese, dem privaten katholischen Mediennetzwerk Aciprensa. „Mit dem Glaubensbekenntnis zu spielen, das für Christen sehr wertvoll ist, bedeutet, etwas zu verfälschen.“ Dieses Fundament sei Teil der christlichen DNA und dürfe nicht verweltlicht werden. In einer so schönen Zeit wie der Fußball-WM sei es „nicht hilfreich, das Religiöse, das Heilige und das Profane zu vermischen“.

In Neapel und Buenos Aires gibt es Maradona-Altäre

Genau das passiert aber längst. In Messis Heimatstadt Rosario gibt es einen Schrein, der den (offiziell nicht anerkannten) Volksheiligen Gaucho Gil zeigt. Unweit von Messis Geburtshaus legen die Menschen dort Heiligenbilder, die argentinische Fahne oder Trikots mit der Aufschrift „Messi“ nieder. Zudem gibt es immer mehr Wandmalereien, die die Großtaten des WM-Helden für die Nachwelt festhalten.

Messi löst damit mehr und mehr den 2020 gestorbenen Diego Maradona ab, der nach Argentiniens Titelgewinn bei der Weltmeisterschaft 1986 zum Volkshelden, ja Volksheiligen geworden war. Es gibt in Buenos Aires wie in Maradonas zwischenzeitlicher sportlicher Wahlheimat Neapel Altäre zu Ehren von „D10S“, dem Fußballgott mit der Rückennummer 10; und sogar eine Maradona-Kirche („Iglesia Maradoniana – La Mano de D10S“). 

Die religiöse Überhöhung des neuen Nationalhelden Messi hat nun gerade erst begonnen – und es wird spannend sein zu beobachten, welch bizarre Blüten sie noch hervorbringt.

kna