Danken macht froh

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Manche tun es, andere nicht. Der Syrer Naaman dankt für seine Heilung. Von den zehn Geheilten im Evangelium kehrt dagegen nur einer dankbar zurück. Wie steht es mit dem Danken heute und bei uns? 

Foto: kna/Barbara Mayrhofer
In der Schönstatt-Pilgerzentrale in Vallendar am Rhein hängen viele Dankestafeln von Gläubigen. Foto: kna/Barbara Mayrhofer


Dankbarkeit für Heilung

Die Situation ist in Lesung und Evangelium gleichermaßen ähnlich wie nachvollziehbar: Eine schwere Krankheit hat Naaman und die anderen ungenannten Kranken zur Zeit Jesu ereilt. Heilung ist eher unwahrscheinlich. Und dann geschieht es doch: Die Männer werden gesund. Nichts anderes passiert heute tagtäglich: Menschen erkranken schwer. Oder haben lebensbedrohliche Unfälle. Sie und ihre Angehörigen machen sich Sorgen. Und dann geschieht es: Sie werden gesund, vielleicht langsam, mühsam, aber doch gesund.

Blumensträuße und Pralinenpackungen in Ärzte- und Schwesternzimmern zeugen von der Dankbarkeit vieler Patienten für die ärztliche Mühe, für die gute Pflege. So wie Naaman wollen sie ein Dankgeschenk loswerden. Kleinigkeiten natürlich nur, aber die kommen von Herzen. Auch Krankenhauskapellen zeugen vom Dank. Blumen an der Marienstatue, brennende Kerzen vor dem Kreuz. Und viele Einträge in den ausliegenden Büchern, die ebenso viel Dank wie Bitte enthalten. Dass Gott in der Zeit der Krankheit nahe war, dafür danken nicht wenige. Und warum auch nicht? Es ist leicht zu danken, wenn alles gut ausgeht.

Dankbarkeit ohne Heilung

Leider geht aber nicht alles gut aus. Menschen sterben an ihren Krankheiten oder Unfällen. Manchmal ist das für die Angehörigen erträglich, manchmal erscheint der Tod sinnlos. Wenn er zu Kindern und Jugendlichen kommt, zu Eltern, die noch dringend gebraucht würden. Kann man da danken?

Erstaunlicherweise schon. Nicht für das Leid und den Tod, natürlich nicht. Aber für manches, was die eigentlich unerträgliche Situation tragbar gemacht hat. Manchmal liest man es in Todesanzeigen: vom Dank an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hospizen oder Palliativstationen; vom Dank an Freunde und Nachbarn, die das Leid mitgetragen haben; vom Dank an Seelsorgerinnen und Seelsorger, die bis zum Ende da waren.

Gott zu danken – auf so etwas kommt in dieser Situation wohl kaum jemand. Auch Jesus hat Gott am Kreuz nicht dafür gedankt, dass er hier und jetzt die Welt erlösen darf; er hat geklagt. Auch Paulus spricht im Brief an Timotheus nicht vom Dank dafür, dass er für das Evangelium leiden darf; er spricht vom „erdulden“. 

Dank an Gott – der kommt auch bei gläubigen Menschen wahrscheinlich erst viel später. Dann, wenn die Zeit der Trauer und der Klage, vielleicht auch der Anklage, ihrem Ende zugeht. Wenn manch einer spürt, wie es in der alten Geschichte des heiligen Augustinus heißt: Dort, wo es am schwersten im Leben war, wo ich glaubte, von Gott verlassen zu sein, dort hat er mich getragen.

Für erlittenes Leid zu danken – das schafft wohl nur eine Handvoll auserwählter Heiliger. Mystiker vielleicht, die sich in ihrem Leiden Jesus nahe fühlen. Märtyrer, die ihr Leid als Hingabe verstehen. Für alle anderen bleibt Leid Leid, und danken können sie allenfalls dafür, es mit Gottes und der Menschen Hilfe durchgestanden zu haben, ohne daran zu zerbrechen. Immerhin!

Dankbarkeit am Ende des Lebens

Vielleicht kennen Sie solche Menschen auch: die, die nur das Schlechte sehen. Die im Alter nur auf das blicken, was unglücklich gelaufen ist. Die Kindheit, die voll Armut war oder voll Gewalt; der Traumberuf, der sich nicht verwirklichen ließ; der Partner oder die Partnerin, die einen betrogen haben. Was alles gut war im Leben, was gelungen ist, das sehen sie nicht. Menschen, die so veranlagt sind, sterben oft unglücklich und verbittert. 
Anders die Dankbaren. Auch sie haben Unglück erlebt, Rückschläge, Trauer. Aber all das verblasst hinter den Erinnerungen an Glück und Liebe. Sie sterben, wie die Bibel sagt, lebenssatt. Dankbar gegenüber den Menschen, die sie umgeben und dankbar gegenüber Gott, der sie getragen hat. Objektiv haben zwei Menschen vielleicht Ähnliches erlebt – aber der eine klagt über das Schlechte, der andere ist dankbar für das Gute. Was macht wohl glücklicher?

Dankbarkeit im Alltag

Diesen Kirchenschlager kennen Sie sicher: „Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag“. Ja, er klingt nach Kindergottesdienst und Naivität. Aber ganz falsch ist er nicht. Auch wenn der Wecker stets zu früh klingelt, irgendwer die letzte Milch verbraucht hat, die jugendliche Tochter mal wieder das Bad blockiert und es obendrein in Strömen regnet. 

Danke für diesen guten Morgen? Vielleicht ja, denn immerhin ist die jugendliche Tochter zwar nervig, aber es gibt sie; die Milch ist zwar alle, aber Kaffee ist gekocht. Es regnet zwar, aber der Rasen bekommt Wasser. Ärger oder Dankbarkeit: alles eine Frage der Perspektive.

Dankbarkeit kann man lernen

Klar ist: Dankbare Menschen sind glücklicher. Klar ist auch: Menschen sind verschieden – und oft kann man nicht so viel für seinen Charakter. Aber kann daran arbeiten.
Zum Beispiel mit dem berühmten Tagesrückblick: Am Ende des Tages in ein kleines Heft bewusst das notieren, was gut war am Tag, was gelungen ist, was Freude bereitet hat. Und wenn man dann ab und zu zurückblättert in die letzten Monate, staunt man: so viel Gutes!

Oder indem man es bewusst tut: danken. Dem Ehepartner, der das Essen zubereitet hat. Dem erwachsenen Sohn, der regelmäßig anruft. Der Nachbarin, die die Zeitung morgens vor die Wohnungstür legt. Dem Hausarzt, der geduldig zuhört. Und Gott, der uns durchs Leben begleitet. 

„Nimm ein Dankgeschenk an“, bittet Naaman. „Singt Gott Psalmen, Hymnen und Lieder mit Dankbarkeit in eurem Herzen“, rät der Kolosserbrief. Dankbarsein hilft. Probieren Sie es aus!

Susanne Haverkamp