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Das Geschlecht der Engel

Warum sind Engel immer männlich? Gibt es eine Antwort darauf? R. S., 01109 Dresden

Manchmal werden sie als kleine runde Kinder dargestellt, ähnlich dem Amor, der die Pfeile der Liebe verschießt, meistens aber als junge Männer mit und auch ohne Flügel, in einem einfachen Gewand, einer Rüstung oder dem Habit eines Mönches. Engel haben über die Jahrtausende immer wieder andere Formen in der Vorstellung der Menschen angenommen. Diese Vorstellungen stammen aus dem Tanach, der Bibel und dem Koran und aus Heiligenlegenden, volkstümlichen Sagen oder Märchen. Eines scheint sie zu verbinden: Meist ist der Engel eine männlich anmutende Figur.

Dabei war doch der große mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin in seinem Hauptwerk zum Schluss gekommen, dass Engel reine Form sind, also überhaupt nicht aus Materie bestehen, somit auch nicht männlich sein können. Im Alten Testament scheint dies nicht so sicher zu sein. So kommen die Engel, die Lot und seine Familie aus Sodom retten, als Männer zu ihm. (Genesis 19) Auch Rafael, der Engel, der Tobit auf seiner Reise begleitet, wird als junger Mann beschrieben. (Tobit 5,5) Dazu kommt, dass Engel in den Sprachen der Bibel stets mit dem männlichen Genus behaftet sind, also sprachlich wie Männer behandelt werden. Offensichtlich gibt es einen Hang dazu, sich Engel als männliche Wesen vorzustellen. Auch die Frauen am leeren Grab nehmen die Engel als Männer wahr. (Lukas 24,4)

Jesus war da offensichtlich anderer Meinung. In einem Streitgespräch mit den Schriftgelehrten über die Auferstehung lässt er durchblicken, dass Engel keine Sexualität haben und somit weder Frau noch Mann sind: „Wenn nämlich die Menschen von den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch lassen sie sich heiraten, sondern sie sind wie die Engel im Himmel.“ (Markus 12,25) Es wird deutlich, dass Engel mit unseren irdischen Vorstellungen von Personen eigentlich nichts gemeinsam haben. Sie sind vor allem Botschafter Gottes und sie existieren nur als solche. Sie sind sozusagen sinnlich erfahrbarer Ruf von Gott – und somit sicher weder Mann noch Frau.

Christoph Buysch