auf unterschiedliche Weise
Das Leben feiern ...
Ostern wird alles ganz neu. Wir haben Menschen getroffen, für die das nicht selbstverständlich ist. Von einem Hochzeitspaar, jungen Eltern und einer Frau, die ohne Organspende schon längst nicht mehr leben würde.
Das Leben feiern ...
... mit einem Neugeborenen
Das Glück im Hause Robben hat einen Namen: Malea. Elf Wochen alt ist das Mädchen jetzt und es erfüllt seine Familie mit Freude und Dankbarkeit. „Wenn sie lächelt, geht uns das Herz auf“, sagt Vater Ansgar. Malea ist für ihre Eltern der schönste Grund, das Leben in allen seinen Facetten zu feiern. Für sie ist die Geburt ihres Kindes ein Versprechen in die Zukunft. Ansgar und Beate Robben wohnen in der St.-Nikolaus-Gemeinde in Groß Hesepe. Er ist Landwirtschaftsmeister, sie Hauswirtschaftsmeisterin. Gemeinsam betreiben sie einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Geflügel- und Schweinemast, Kartoffel- und Zuckerrübenanbau. Auch die Eltern des 29-Jährigen leben auf dem Hof und helfen bei der Arbeit mit.
Im vergangenen Jahr haben die Heseper geheiratet, Ende Januar kommt Malea im Meppener Krankenhaus Ludmillenstift auf die Welt. Ein bisschen Sorgen hat Beate Robben kurz vor der Entbindung schon. Weil Komplikationen drohen, leiten die Ärzte die Geburt früher ein. Und so ist das Baby mit 2595 Gramm und 48 Zentimetern etwas leichter und kleiner als andere Säuglinge. „Aber sie war ganz gesund, alles war in Ordnung“, sagt die 28-Jährige erleichtert. Ihr Ehemann bedauert nur, dass er die Geburt verpasst hat: „Das ganze hat nur sechs Minuten gedauert. So schnell konnte ich nicht da sein.“ Umso größer ist das „Hochgefühl“, als er seine Tochter das erste Mal sieht und auf den Arm nimmt.
Seitdem dreht sich fast alles um die kleine Malea. Ansgar und Beate Robben genießen jede Minute mit ihr. „Diese Kuschelmomente auf dem Sofa, die sind besonders schön“, sagt Ansgar Robben und nimmt sich dafür zwischendurch gern Zeit. Da muss die Arbeit auch mal ein bisschen warten. Beide freuen sich, wie ihr Baby jeden Tag größer wird und sich gut entwickelt. Das Lächeln, die wachen Augen, der zutrauliche Griff um den Zeigefinger, das muntere Strampeln – das ist für die Robbens pures Glück.
Aber das Thema Coronavirus spielt in diesen Tagen auch bei ihnen eine Rolle. Die Eltern von Beate Robben verzichten derzeit auf Besuche und können deswegen ihr Enkelkind nicht persönlich sehen. „Wir schicken oft Fotos und telefonieren per Video“, sagt die junge Mutter. Gleiches gilt für die Taufpaten: der Bruder von Ansgar und der Cousin von Beate. Und leider muss die Taufe wegen der Pandemie nun auch verschoben werden. In der Osternacht sollte Malea eigentlich in der St.-Nikolaus-Kirche getauft werden. Die Eltern hatten sich dieses Datum gewünscht – als Zeichen für das neue Leben, als Bekenntnis zum Glauben. Nun hoffen die Robbens auf einen Termin, „wenn alles nicht mehr so schlimm ist.“ Und wollen dann richtig groß mit der ganzen Familie zusammenkommen – eben das Leben feiern.
Petra Diek-Münchow
... als Hebamme
Ulla Konrath ist seit fast einem Vierteljahrhundert Hebamme. Ihre Berufsbezeichnung kommt aus dem Althochdeutschen: „Hebina“. Meint übersetzt etwa so viel: „Die, die das Kind aufhebt und weitergibt“, erläutert die 53-Jährige, die selbst drei Söhne hat.
„Das Leben feiern“ – macht das eine Hebamme? „Natürlich“, antwortet Ulla Konrath. Aber mit einer Einschränkung: „Nicht wir bringen das Leben auf die Welt, sondern die Mutter, die Eltern des neugeborenen Kindes.“ Das ist ein freudiger Moment. „Und dieser Moment ist hochinfektiös“, beschreibt sie ihre Erfahrung – und lächelt. Ein Kind ist ein wunderbares Geschenk – und der Beginn einer besonderen Bindung. Ulla Konrath hat diese Bindung auch selbst erfahren: „Was Eltern alles leisten müssen, der Schlafentzug, die mindestens 20 Jahre Treue zu einem Menschen, der sich zwischendurch unmöglich benimmt.“ Das ist die besondere Qualität dieser Bindung, dieses wunderbaren wie wundersamen Geschenks.
Ihren Anteil als Hebamme, ihren Anteil an dieser Feier des Lebens, sieht Ulla Konrath darin, Bindungsmomente zu fördern: „Das ist entscheidend, in der Schwangerschaft, bei der Geburt und danach in der Betreuung und der Stillanbahnung.“ Was unerwartet klingt: „Ich stehe dabei nicht auf der Seite der Kinder.“ Das mache die Mutter. „Ich stehe radikal an der Seite der Frau“, stellt Ulla Konrath heraus. Die Tätigkeit als Hebamme ist in ihrem Verständnis immer auch Frauen- wie Sozialarbeit. Oder um es klipp und klar zum Ausdruck zu bringen: „Eine Frau, die Hebamme werden möchte, weil sie Kinder so gern mag, ist fehl am Platz.“ Erzieherin und Lehrerin seien auch „schöne Berufe“.
Diese Position an der Seite der Frauen hat für Ulla Konrath zwei Gründe. Zum einen: „Die Frauen müssen mir vertrauen können.“ Egal, ob der Mann im Kreißsaal nicht der richtige Vater ist, egal in welcher sozialen Lage sich eine werdende Familie befindet: „Ich bin weder das Standesamt noch die Polizei, sondern lediglich die absolut parteiische Hebamme.“ Nur so baut sich Vertrauen auf, unterstreicht Ulla Konrath. Sie verweist auf ihre Erfahrungen als Familienhebamme in der Stadt Hannover, bei der sie sich gerade um werdende Eltern gekümmert hat, die sich in belastenden oder kriselnden Lebenssituation befinden.
Zum anderen: Das oftmals beschworene „Wunder des Lebens“ verlange Frauen körperlich und seelisch Kräftezehrendes ab. „Schwangerschaft, Geburt, Stillen – Frauen gehen einmal durch eine komplette Wandlung“, beschreibt sie: „Sie geben alle ihre Kräfte ab, um neues Leben auf die Welt zu bringen – das ist ein bisschen wie Ostern.“ Hier und mit der Radikalität an der Seite der Frauen zu stehen, decken sich die Erfahrungen ihres Berufslebens mit Glauben und Überzeugung einer engagierten Katholikin.
„Das Leben feiern“ ist für Ulla Konrath kein Moment, sondern ein Prozess: „Feiern heißt, nicht daran festzuhalten, sondern das Leben weiterzugeben.“ Deshalb ist Raum geben für Vertrauen durch Parteinahme so wichtig: „Mütter, aber auch die Väter brauchen die Zuversicht, dass sie mit einem Kind auch die Fähigkeit geschenkt bekommen, das veränderte Leben zu meistern.“ Sie benötigen die Gewissheit, Menschen zu finden, die ihnen helfen, das zu schaffen. So drückt es die Hebamme aus. Oder: Vertrauen in Gottes Beistand und in Nächstenliebe. Zwei sinngleiche Beschreibungen, wie das Leben zu feiern ist.
Rüdiger Wala
... durch Pilgern
Pilgern ist für mich wie ein Nachhausekommen“, sagt der promovierte Wirtschaftsingenieur Frank Hesping aus Braunschweig. Es ist für den 35-Jährigen eine große, tiefe Freude des Ankommens, des Loslassens und des Ganzseins mit dem Weg – eine Feier des Lebens. „Die Denkmaschine im Kopf hört dann irgendwann auf, das braucht aber eine Woche“, weiß er aus Erfahrung. „Dann wird die Seele ruhig und klar und man kommt in Kontakt mit dem Geist des Weges, mit dem Göttlichen.“
Pilgern ist für ihn auch eine Übung des Vertrauens, weil es eine einfache Zeit ist. „Man hat wenig dabei, es ist nicht alles sicher und nicht alles organisiert“, sagt Hesping, der 2015 die Ausbildung zum Pilgerbegleiter für den Braunschweiger Jakobsweg abgeschlossen hat. Er ist offen für Begegnungen und genießt sie sehr. „Pilgern übt Vertrauen in Gott und die Nähe zur Schöpfung ist wunderschön.“
Frank Hesping ist auf dem Weg zum Pilger geworden, auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. „Nach dem Studium hatte ich Zeit und bevor das Berufsleben losgeht, dachte ich, ich geh mal wandern“, sagt er schmunzelnd. Wie er bald merkte, war er mit einem sehr schweren Rucksack viel zu sportlich unterwegs. Nach einer Woche gab es eine Krise und der junge Mann wollte schon nach Hause fahren. Doch er überlegte es sich anders und schickte fast zehn Kilogramm Gepäck nach Deutschland zurück. Und verordnete sich außerdem dieses Motto: „Genieße den Weg!“
Nach einer „Babypause“ will er mit Frau und erstmals mit seinem einjährigen Sohn wieder pilgern. Seine Vorfreude ist deutlich spürbar: „Wir wollen einen Teil auf dem ökumenischen Pilgerweg von Görlitz über Leipzig nach Eisenach gehen. Theo darf dann wahrscheinlich schon ein bisschen laufen.“
Sabine Moser
... mit einer neuen Leber
Petra Dänekas genießt die Frühlingssonne. Wann immer es geht, geht sie mit ihrem Hund Paul spazieren. Oder setzt sich in den Sattel und reitet mit ihrem Pferd Ricos aus. „Ich lebe ganz intensiv“, sagt die 52-Jährige aus Leer. „Jeder Tag ist ein Geschenk für mich“.
Und das ist kein schnell daher gesagter Spruch: Die gelernte Bürokauffrau lebt seit gut sechs Jahren mit einer neuen Leber, „sonst wäre ich gar nicht mehr hier“. Das Datum ihrer Transplantation, den 8. September 2013, nennt Dänekas „meinen zweiten Geburtstag“. Bis zu der Operation muss die Ostfriesin aber einen langen Leidensweg durchstehen. Schon nach der Geburt des jüngsten Sohnes vor gut 20 Jahren werden Probleme mit ihrer Leber festgestellt, die aber zunächst keine Beschwerden machen. Das ändert sich mit den Jahren und ab Ende 2011 verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand drastisch: Sie ist ständig müde und schlapp, hat Atemnot und Wassereinlagerungen am ganzen Körper, muss oft ins Krankenhaus.
Die Situation wird dramatischer, die Mediziner geben ihr eine Überlebenschance von 30 Prozent. „Es ging mir richtig mies“, sagt die zweifache Mutter. „Am Ende war ich mehr tot als lebendig.“ Als Notfall kommt sie 2013 endlich auf die Transplantationsliste, die Ärzte in Hamburg setzen ihr die Leber eines Mannes aus Österreich ein.
Und von diesem Tag an kämpft sich Petra Dänekas mit ganzer Kraft zurück in ihren Alltag. Medikamente, Behandlungen, Krankengymnastik, Ergotherapie: Die Leeranerin nimmt mit dem Rückhalt ihrer Familie, mit viel Disziplin und einer positiven Grundeinstellung alles auf sich. Auch ihr Glaube hilft der evangelischen Christin. „Ich habe mit meinem Mann das ‚Vaterunser‘ rauf und runter gebetet“, sagt sie und dankt Gott immer wieder dafür, „dass ich hier heute sitzen darf.“
Ein gutes Jahr nach der Transplantation ist das meiste geschafft. Sie kann wieder spazieren gehen, im Garten Blumen pflanzen, durch die Stadt bummeln, Auto fahren, ausreiten, stundenweise arbeiten, Freunde treffen. Und genießt die kleinen Glücksmomente des Alltags: die erste Tasse Tee am Morgen, das Lächeln ihrer Söhne, die ersten Knospen im Blumenbeet. Manchmal setzt sie sich einfach nach draußen und hält ihr Gesicht der Sonne entgegen. „Ich habe mein normales Leben wieder“, sagt sie. „Und das ist das größte Geschenk für mich.“
Und wie geht es ihr in diesen Tagen mit der Corona-Pandemie? Petra Dänekas ist „natürlich beunruhigt“
und hat Angst vor einer Ansteckung. Sie hält großen Abstand zu anderen Menschen und bleibt zu Hause, „da fühle ich mich sicher.“ Aber sie will sich auch nicht von der Angst überwältigen lassen und versucht stattdessen, ihren Alltag möglichst normal weiterzuleben. „Ich habe nie gezweifelt. Und das will ich auch jetzt nicht tun. Ich bleibe optimistisch.“
Petra Diek-Münchow
... als Hochzeitspaar
Wir sind so dankbar, dass wir uns gefunden haben“, sagt Andreas Behner. Und dem stimmt seine Frau Monika aus vollem Herzen zu. Seit einem halben Jahr sind der 50 Jahre alte Grafelder und die 45 Jahre alte Quakenbrückerin verheiratet, für beide ist es die erste Ehe. Und das ganz große Glück.
Monika Behner arbeitet als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte in Quakenbrück, ihr Ehemann als Bankbetriebswirt in Fürstenau. Seit dem vergangenen Herbst leben beide in seiner Heimat in Grafeld. Kennengelernt hatte sich das Paar vor drei Jahren auf Madeira. Das Bankinstitut, in dem Andreas Behner arbeitet, organisiert Gruppenreisen ins Ausland. 2017 führte eine solche auf die portugiesische Insel. „Eine Bekannte hatte mir von den Fahrten vorgeschwärmt und da habe ich mich angemeldet“, erzählt Monika Behner. Was sie im Nachhinein als Fügung empfindet. Denn auch Andreas Behner sitzt im Flugzeug. Beide finden sich rasch sympathisch, reden viel miteinander und entdecken gemeinsame Interessen. Wie zum Beispiel den Schießsport und die Kommunalpolitik. „Wir haben schnell gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind“, sagt Monika Behner. „Da hat es schon gefunkt.“
Aber bis zum nächsten Kontakt verstreichen ein paar Wochen. „Vielleicht wartet man in unserem Alter erst mal etwas ab“, meint Andreas Behner. Eher zufällig treffen sich beide zuerst bei einer Siegerehrung wieder, dann nach einigen Monaten erneut bei einem Jubelschützenfest. Und dann sind sie da – „die Schmetterlinge im Bauch“, wie Monika Behner mit einem Lächeln berichtet. Sie verabreden sich immer öfter: auf einen Kaffee, ins Kino, zum Essen. „Das hat sich langsam entwickelt und war immer schön“, sagt ihr Ehemann.
Was beide aneinander mögen? Sie liebt sein Lächeln, seine freundliche Art „und dass er jeden Tag versucht, mich mit kleinen Überraschungen glücklich zu machen“. Er schätzt besonders ihren Humor und „dass sie so ist, wie sie ist. Wir passen einfach gut zusammen.“ Dass sie ihr Leben jetzt teilen dürfen, finden beide „ganz wunderbar“. Sie schwärmen von Spaziergängen durch das Grafelder Moor, von langen Fahrradtouren, vom letzten Urlaub im Schnee, von Städtetouren und der Gartenarbeit im Frühling. Immer Seite an Seite. „Dass wir das jetzt alles zu Zweit machen können, ist unser großes Glück“, sagt Andreas Behner.
Ein bisschen traurig sind beide, dass sie wegen der Corona-Krise ihre für Anfang Mai geplante kirchliche Trauung nun verschieben müssen. Denn eigentlich war alles organisiert: die Blumen ausgesucht, der Saal und die Musik bestellt, 210 Gäste eingeladen, das Brautkleid gekauft. Und ein Bebekannter wollte das Paar mit einer Pferdekutsche quer durch das Dorf zur Kirche fahren. Weil die Situation ihnen derzeit aber zu unsicher ist, sagten Andreas und Monika Behner alles ab und denken nun an einen Termin im nächsten Frühjahr. „Dann dauert die Vorfreude eben ein bisschen länger“, sagt sie. Und bis dahin darf auch ihr Ehemann das Kleid noch nicht sehen.
Petra Diek-Münchow