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Das Päpstliche Geheimnis und seine Anwendung

Was ist das Päpstliche Geheimnis? M. S., Dreieich

Mit dem Päpstlichen Geheimnis („sub secreto pontificio“) werden Dokumente und Kenntnisse im Verwaltungsablauf der vatikanischen Behörden und der Kirche insgesamt als besonders vertraulich gekennzeichnet. Sie sind nur für den jeweiligen Empfänger persönlich bestimmt und dürfen nicht weitergegeben werden. Personen, die von Amts wegen solche Dokumente und Kenntnisse bearbeiten und bearbeitet haben – etwa Mitarbeiter der Kurie oder vatikanische Diplomaten –, leisten einen Eid, mit dem sie sich zur Geheimhaltung und Vertraulichkeit verpflichten. Wenn sie sich nicht daran halten, drohen Disziplinarstrafen. 

Das Päpstliche Geheimnis wird etwa verwendet, wenn der Nuntius sich vor der Ernennung neuer Bischöfe über mögliche Kandidaten informiert. Auch im weltlichen Behördenjargon gibt es streng vertrauliche Verschlusssachen bei sensiblen Angelegenheiten. Die Kirche hat hier für sich eigene Regeln und Kriterien aufgestellt. Es sollen unter anderem Persönlichkeitsrechte besonders geschützt werden, die – wenn sie öffentlich bekanntwerden – Schaden für die betroffenen Personen oder die Kirche bedeuten könnten. 

Die Regel geht auf Instruktionen vatikanischer Behörden aus den Jahren 1968 und 1974 zurück. Problematisch wird dieses Päpstliche Geheimnis vor allem dann, wenn damit willkürlich oder systematisch wichtige Informationen zurückgehalten werden, etwa in Strafsachen – vermeintlich, um die Institution zu schützen. Deshalb gibt es in letzter Zeit aus den Erfahrungen des sexuellen Missbrauchs auch gewichtige Stimmen wie die von Kardinal Marx, die wenig Verständnis für ein Päpstliches Geheimnis in diesem Bereich haben, wenn dadurch der vermeintliche Schutz der Institution über den Schutz der Betroffenen gestellt wird. 

Da die zugrunde gelegten Instruktionen für diese Regel bereits ein halbes Jahrhundert alt sind, kann auch kritisch überprüft werden, ob sie noch angemessen und hilfreich sind.

Michael Kinnen