Lebensschutz: Kirche in Sorge

Debatte über mögliche Verfassungsrichterin

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PK mit Brosius-Gersdorf
Nachweis

Foto: Birgit Wilke/KNA

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Frauke Brosius-Gersdorf (im rosa Blazer) bei der Pressekonferenz zum Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin am 15. Mai 2024 in Berlin mit (v.l.n.r.): Claudia Wiesemann, Friederike Wapler und Liane Wörner.

Nach innerparteilichem Streit sowie öffentlicher Kritik hat die schwarz-rote Koalition die Abstimmung im Bundestag über drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht verschoben. Vor allem die Juristin Brosius-Gersdorf hatte aufgrund ihrer liberalen Haltung beim Abtreibungsrecht für Unmut gesorgt.

Die Wahl von drei neuen Richtern für das Bundesverfassungsgericht soll nun erst nach der Sommerpause stattfinden. Das beschloss der Bundestag am Freitag. Zunächst hatte die Union noch darauf gedrungen, nur die Wahl der von der SPD vorgeschlagenen Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf abzusetzen. Die Juristin war wegen ihrer liberalen Haltung beim Abtreibungsrecht in die Kritik geraten. Daraufhin berief die SPD-Fraktion eine Sondersitzung ein und verständigte sich anschließend mit der Union auf eine Verschiebung der gesamten Wahl. 

Bereits in den Tagen vor der Abstimmung hatte sich ein heftiger Streit um die Kandidatin Brosius-Gersdorf entzündet. Vor allem ihre Aussage, es gebe gute Gründe dafür, dass die Garantie der Menschenwürde erst ab der Geburt und nicht schon im Mutterleib gelte, sorgte bei vielen Christdemokraten für großen Unmut. Auch Vertreter der katholischen Kirche hatten ihre Sorge über die Nominierung bekundet.

Die Union begründete die Absetzung der Wahl von Brosius-Gersdorf allerdings jetzt mit einem erst am Freitag bekannt gewordenen Plagiatsverdacht. Der "ziehe die fachliche Expertise in Zweifel", hieß es aus Unionsfraktionskreisen. Diese sei aber zentrales Argument für die Wahl der Kandidatin gewesen. Eine angehende Verfassungsrichterin müsse über jeden Zweifel erhaben sein.  

Nach der Absetzung der geplanten Wahl machte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) für die Eskalation der Situation verantwortlich. Ein solches politisches Gerangel um die Besetzung eines Verfassungsrichterstuhl habe es noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Mit der Aussetzung der Abstimmung nähmen alle drei Kandidierenden für das Verfassungsgericht Schaden, so Haßelmann. Spahn hatte noch vor fünf Wochen den Personalvorschlägen aller neuen Richterinnen und Richter im Namen seiner Fraktion zugestimmt.

Paradigmenwechsel beim Lebensschutz befürchtet

Bereits am Donnerstag hatte der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, seine Sorge über die mögliche Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur bekräftigt. "Wenn ein nach Entwicklungsstufe und Lebensfähigkeit des Menschen abgestuftes Lebensschutzkonzept vertreten und die Menschenwürde des ungeborenen Lebens infrage gestellt wird, bedeutet dies einen verfassungsrechtlichen Paradigmenwechsel", sagte Jüsten. Ein solcher Umbruch beschränke sich nicht auf den Schwangerschaftsabbruch, sondern könne Auswirkungen auf die Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens insgesamt haben. 

Ähnliche Kritik war zuvor auch von einigen Bischöfen, darunter Kardinal Rainer Maria Woelki sowie den süddeutschen Bischöfen Stefan Oster und Rudolf Voderholzer, zu hören. Im Vorfeld ihrer Kandidatur für das Verfassungsgericht war Brosius-Gersdorf Mitglied in einer von der vorherigen Bundesregierung eingerichteten Kommission, die unter anderem eine mögliche Liberalisierung des Abtreibungsrechtes prüfen sollte. Bereits in dieser Funktion hatte die Hochschullehrerin der Universität Potsdam wegen ihrer Forderung nach einer Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen, auch ohne vorhergehende Beratung, bei Beobachtern aus christlichen Kreisen für Unmut gesorgt. 

ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp sagte: "Dass eine Kandidatin für das Amt der Bundesverfassungsrichterin öffentlich erklärt, es gebe 'gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt', beunruhigt mich sehr." Sie hingegen sei dankbar, dass der Schutz des menschlichen Lebens im Grundgesetz verankert sei. "Denn menschliches Leben ist Leben von Anfang an. Es ist inakzeptabel, ihm in seinen neun Monaten im Mutterleib keine Menschenwürde zuzusprechen." Auch der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber kritisierte die Nominierung der Potsdamer Hochschullehrerin scharf. Die Auffassung zu vertreten, dass dem ungeborenen Menschen noch keine Menschenwürde zukommt, sei "ein gravierendes verfassungsrechtliches Missverständnis", so der Jurist in einem Interview mit dem Magazin "Cicero". Hillgruber bezeichnete die Haltung von Brosius-Gersdorf als einen "Angriff auf die Fundamente unserer Verfassung".

aka/kna

Hinweis: Dieser Beitrag wurde zuletzt am 11.07.2025 um 14:45 Uhr aktualisiert