Was Wortgottesdienst-Leiter lernen müssen

Der Altarraum als Bühne

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Wie schnell soll ich sprechen? Was mache ich mit meinen Händen? Wie bewege ich mich im Altarraum? Wer in der Kirche vor aller Augen Wortgottesdienste leitet, muss eine Menge lernen. Zum Beispiel von einem Schauspieler.

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Sebastian Dunkelberg erklärt mit Gestik und Mimik, worauf man achten muss, wenn man Gottesdienste leitet. Foto: kna


Etwas unsicher schreitet Gisela Kupke die drei Stufen zum Altarraum hinauf. Das weiße Gewand reicht der 47-Jährigen bis zu den Füßen, unter dem Arm trägt sie eine schwarze Mappe. Sorgfältig rückt sie sich den Hocker neben dem Altar zurecht. „Halleluja“, sagt sie zum Test ins Mikrofon. Da muss auch Sebastian Dunkelberg lachen.

Der 56-jährige Schauspieler macht seit vielen Jahren Priester und Laien im Erzbistum Hamburg fit für die Leitung von Gottesdiensten. In der Sankt-Ansgar-Kirche in Seevetal-Hittfeld südlich der Hansestadt hat er an diesem Tag zehn Gemeindemitglieder aus dem ganzen Bistum vor sich, die zukünftig Wortgottesfeiern leiten wollen; eine Form, auf die die Kirche in Zeiten von Priestermangel und Großraumgemeinden immer häufiger zurückgreift.

Während Gisela Kupke ihre Mappe aufschlägt und einen Probegottesdienst hält, sitzt Dunkelberg in einer Kirchenbank und beobachtet. Kupke ist kein Neuling auf der liturgischen Bühne: Seit vielen Jahren leitet die Bilanzbuchhalterin ehrenamtlich Kindergottesdienste in ihrer Gemeinde in Neubrandenburg. Als sie zum Singen anhebt, horchen die Kursteilnehmer auf ob ihrer kräftigen und klaren Stimme. Selbstbewusst nimmt sie das Evangelienbuch vom Altar, trägt es zum Ambo, dem Lesepult, und rezitiert einen biblischen Text. In einem Impuls legt sie ihre Gedanken zu den Bibelworten dar und liest anschließend ein Gebet. Beides dauert jeweils fast zehn Minuten; manche, die in den Kirchenbänken sitzen, schauen bereits auf die Uhr.


Positiv wie negativ: Kritik hilft weiter

Als Kupke fertig ist, sparen sie nicht mit Kritik: „Das war mir viel zu lang“, sagt einer. „Bei dem Gebet habe ich schon nach dem zweiten Absatz auf Durchzug gestellt.“ Die anderen nicken, und auch Dunkelberg pflichtet ihm bei: „Mit dem, was du gesagt hast, hätte man drei Wortgottesfeiern füllen können“, sagt er. „Das war vielleicht ein bisschen zu viel des Guten.“ Gleichzeitig kann er Kupkes Auftritt aber auch viel Positives abgewinnen: „Du hast ein tolles Standing. Du kannst sehr gut singen und tust das mit einer großen Selbstverständlichkeit. Das ist toll.“

Dunkelberg ist bekannt aus den Serien „Rote Rosen“ und „Großstadtrevier“. Seit Ende der 1980er Jahre steht er auf Theaterbühnen und kennt sich zugleich in Sachen Kirche aus: Zwei Jahre lang studierte der Hamburger katholische Theologie. „Natürlich ist Liturgie kein Schauspiel“, sagt er. „Aber die Leiter von Gottesdiensten können die Werkzeuge eines Schauspielers sehr gut nutzen, um authentisch zu wirken.“ Stimme, Körperhaltung und Präsenz seien auch für Liturgen enorm wichtig, um ihr Publikum nicht zu langweilen. „Ich kann sehr gut erkennen, ob jemand mir nur etwas vormacht oder ob er es ernst meint.“ Bei den Kursen für die Laien versuche er zuerst, den Teilnehmern die Angst zu nehmen, so Dunkelberg. „Es gehört schon ganz schön was dazu, sich da vorne hinzustellen und einen Gottesdienst zu leiten.“

Die Zusammenarbeit mit Schauspielern und Rhetoriktrainern in der liturgischen Ausbildung sei in den meisten deutschen Diözesen gängige Praxis, sagt Daniela Braker aus dem Liturgiereferat des Erzbistums Hamburg. „Mit ihrem Blick für Mimik und Gestik liefern sie eine wertvolle Ergänzung zu unserer inhaltlichen Arbeit.“ Im Nordbistum werden jedes Jahr etwa 25 bis 30 Ehrenamtler zu sogenannten Gottesdienstbeauftragten geschult, Tendenz steigend. Ihre Ausbildung erstreckt sich über sechs Wochenenden in einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Danach werden sie vom Bischof beauftragt und in ihren Gemeinden eingeführt.

Für Gisela Kupke steht diese Einführung demnächst bevor. Die Kritik eines professionellen Schauspielers ist in ihren Augen eine große Hilfe: „Wenn ich gesagt bekomme: Sprich langsamer!, dann hilft mir das weiter.“ Das Praxiswochenende habe ihr noch einmal bewusst gemacht, dass sie noch ruhiger werden und ihre Nervösität ablegen müsse. Kleiner Trost: Ein bisschen Lampenfieber hat noch keinem geschadet. Im Gegenteil, es schärft die Konzentration und sorgt – hoffentlich – für einen guten Gottesdienst.

Von Michael Althaus


Zur Sache: Wortgottesdienste

Auch wenn die Eucharistiefeier „Quelle und Höhepunkt“ des kirchlichen Lebens ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt: Gottesdienstformen gibt es noch viel mehr. Wohl am bekanntesten ist die Tagzeitenliturgie wie die Laudes (Morgengebet) und Vesper (Abendgebet), die nicht mehr nur in Klöstern praktiziert werden. Aber auch in der Jugend- und Frauenliturgie haben sich inzwischen neue viele Feierformen entwickelt, wie Meditationen, Taizégebete oder Stationsgottesdienste.

Die Wortgottesdienste kann jeder getaufte und gefirmte Christ leiten. Frauen und Männer, die es regelmäßig tun, werden hierfür von den Bistümern in Kursen ausgebildet und vom jeweiligen Ortsbischof für diese Aufgabe gesegnet und gesendet.

Aufgrund des Priestermangels bekommt die sonntägliche Wortgottesfeier mit oder ohne Kommunionspendung wachsende Bedeutung. Im Kirchenrecht gilt sie ausdrücklich als Möglichkeit zur Erfüllung der Sonntagspflicht (canon 1248 §2).