Andrea Keber von der Initiative Maria 2.0

Der Befreiungsschlag

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Plakate hochhalten, streiken, Erstkommunionvorbereitung, Pfarrbrief drucken und beten – all das gehört für Andrea Keber zu ihrem Glaubensleben. Maria 2.0 hat sie motiviert, jetzt ist sie in der Frauenkommission im Bistum Mainz.



Andrea Keber (links) und Beate Berdel-Mantz halten die Thesen der Initiative Maria 2.0 hoch – am 21. Februar 2021 vor dem Dom in Mainz.


Die tolle Botschaft von Jesus von Nazaret, dass Gott alle Menschen gleichermaßen liebt, darf nicht dadurch verdunkelt werden, dass die Kirche Menschen ausschließt. Davon ist Andrea Keber überzeugt. Die 57-Jährige aus Nieder-Olm bei Mainz setzt sich auf vielen Feldern für ihre Kirche und für andere ein: Sie ist Pfarrgemeinderatsvorsitzende in St. Franziskus Nieder-Olm, Sörgenloch, Zornheim, sie ist treibende Kraft beim „Powerclub“ der Pfarrei für Jugendliche mit Behinderung, sie ist Vorsitzende von „Maria 2.0 Nieder-Olm“ und seit Neuestem eine der vier Sprecherinnen der Frauenkommission des Bistums Mainz.
„Ich bin katholisch aufgewachsen“, erzählt die Bankkauffrau, die derzeit nicht in ihrem Beruf tätig ist. „Der Glaube war immer da. Ich bin nicht ständig zum Beten in die Kirche gegangen. Es war einfach ein Grundvertrauen da, dass es etwas gibt, das trägt. Aus diesem Glauben heraus engagiere ich mich.“

Ihr macht das Engagement Freude

Es gab einen Moment in ihrem Leben, in dem sie spürte, wie sehr der christliche Glaube ihr Leben prägt. Als bei ihrem Sohn eine Behinderung festgestellt wurde, geriet vieles, das selbstverständlich gewesen war, ins Wanken. Doch auch wenn sie auf einmal die Zukunft nicht mehr überblicken konnte, spürte sie immer diese Kraft, die sie trägt. „Mit anderen zusammen den Glauben zu leben, das ist mir wichtig. Mir macht das Engagement mit und für andere Freude“, sagt die Rheinhessin.
Um diese Gemeinschaft sorgt sie sich seit einigen Jahren. Es sei für sie schon immer verletzend gewesen, dass Frauen in der Kirche nicht die gleichen Rechte haben wie Männer. Der Ausschluss von wiederverheirateten Geschiedenen, die Sexualmoral, die sie „unmenschlich“ findet, das sind die Themen, die in ihr gearbeitet haben. Der Missbrauchsskandal hat viele Probleme für sie noch drängender gemacht. „Es fehlen mir immer noch die Worte, dass die Täter geschützt wurden, nicht die Opfer. Das System hat den Missbrauch begünstigt. Hier ist der Umgang mit Macht ein Thema“, sagt sie.
Als die Initiative Maria 2.0 vor zwei Jahren in Münster gegründet wurde, war sie erst zögerlich, ob sie sich anschließen sollte. „Dürfen wir das?“ – „Geht hier etwas kaputt, wenn wir unsere Verletzungen und unseren Ärger öffentlich machen?“ – „Interessiert das überhaupt jemanden?“ – das waren Fragen, die sie und andere Mitglieder der Pfarrei umtrieben. Doch als die Entscheidung gefallen war, sich am Streik im Mai 2019 zu beteiligen, sei das wie ein Befreiungsschlag gewesen. „Endlich tut sich was!“, war das Gefühl, das sich bei ihr und anderen Nieder-Olmern einstellte.
Regelmäßig trafen sie sich bis zur Pandemie auf dem Mainzer Marktplatz, um ihre Forderungen öffentlich zu machen. Sie beteiligten sich am Thesenanschlag im Februar, geben Broschüren heraus und organisieren eigene Gottesdienste, wie Agapefeiern, zu denen manche Menschen hundert Kilometer anreisen. Der Druck müsse noch steigen, meint Keber.
Einige sehr engagierte Katholiken seien in ihrer Pfarrei. St. Franziskus schon ausgetreten. Sie fürchtet, dass nur ein „heiliger Rest“ übrigbleibt. Für sie ist Tradition kein Argument gegen Reformen: „Jesus war den Menschen zugewandt. Daher steht es uns auch nicht zu, Menschen auszuschließen. Wenn Jesus nur auf die Tradition geachtet hätte, gäbe es heute kein Christentum. Er würde Reformbewegungen anführen“, davon ist die Mutter dreier Kinder und Großmutter zweier Enkel überzeugt.
Wenn Paare eine Segnung wünschen, dann sollte die Kirche ihn spenden. „Sie kommen ja zu uns, weil ihnen ihre Beziehung und der Segen wichtig ist, sonst würden sie sich ja nicht bemühen. Da sollten wir nicht urteilen“, sagt Keber. Auch das Argument, die katholische Kirche in Deutschland müsse auf die Weltkirche Rücksicht nehmen, überzeugt sie nicht. „Die Kirche kann ja allumfassend sein und trotzdem gibt es Unterschiede. Wenn das Pflichtzölibat fällt, heißt das ja nicht, dass alle Priester heiraten müssen. Jeder kann nach seinem Charisma leben.“

Probleme angehen statt Mangel verwalten

Andrea Keber sagt, niemand brauche Angst zu haben vor der Reformbewegung. Sie selbst engagiert sich weiter, auch wenn sie Zweifel hat, ob sie für jede ehrenamtliche Aufgabe zur Verfügung stehen sollte. „Ich frage mich schon, ob es richtig ist, mit meiner freiwilligen Arbeit das System am Laufen zu halten. Viele Lücken entstehen ja dadurch, dass Priester fehlen, Engagierte der Kirche den Rücken zukehren und Gelder fehlen. Es ist eine Mangelverwaltung, anstatt dass man Probleme grundsätzlich angeht“, findet sie.
Aber solange es Zeichen der Hoffnung wie die Frauenkommission im Bistum Mainz gibt, macht sie weiter. „So etwas wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen“, sagt sie. „Ich gebe der Kirche noch eine Chance und erwarte klare Zeichen der Veränderung in Rom. Es darf aber nicht mehr drumherum geredet werden: Frauen müssen Zugang zu allen Weiheämtern haben.“

Von Theresa Breinlich