Wohin geht die Zeitreise ...

Der Geist leitet und weht weiter

Image
01_Haus.jpg

Der Jahreswechsel ist die Zeit für einen Blick zurück und einen nach vorn. Wohin geht die Zeitreise 2023? Wie entwickeln sich das Bistum Fulda im Ganzen und einzelne Pfarreien? Dazu einige Gedanken und Impulse von Hans-Joachim Stoehr.



Der Rohbau gibt dem Haus Halt. Behaglich wird es aber erst durch Dach, Fenster, Türen und die Innenausstattung.


Die Veränderungen bei den Pfarreistrukturen,  die  im  vergangenen Jahr bekannt gegeben wurden, sind einschneidend. Das zeigt der Blick auf die neue Bistumskarte. Ein besonderes Beispiel dafür sind die Veränderungen im derzeitigen Dekanat Fritzlar. Aus dem gesamten Dekanat, das in etwa der Fläche des Schwalm-Eder-Kreises entspricht, soll eine Pfarrei mit fast 20 000 Katholiken werden.
Wenn sich das Gemeindeleben – und das meint auch Abläufe, Vorgehensweise, Zuständigkeiten – nicht ändert, wird der Gang in die Zukunft beschwerlicher. Stichwort Pfarrer. Bei 1000 Gemeindemitgliedern konnte ein Priester vieles in der Pfarrei selbst regeln. In der Zukunft wird das schwieriger, wenn nicht unmöglich. Das heißt, die Aufgaben der Pfarrer, der Hauptamtlichen müssen sich ändern.
Bei Strukturveränderungen kochen die Gemüter hoch. Zum Beispiel wenn Gottesdienstzeiten geändert oder Gottesdienste gestrichen werden. Nicht umsonst werden die Deutschen im Ausland als besonders ordnungsliebend wahrgenommen. Alles ist geregelt. Für alles gibt es eine Verordnung, ein Gesetz, eine Satzung – im weltlichen Bereich, aber auch im kirchlichen Leben.
Das Organisieren und Regeln stößt im kirchlichen Leben aber irgendwann an Grenzen: Gottes- und Nächstenliebe sprengen solche Kategorien. Und wenn wir vom Heiligen Geist sagen, dass er „weht, wo er will“, dann lässt er sich auch nicht auf eine Organisation oder Satzung festlegen.

Es braucht mehr als den Rohbau – auch Menschen

Das bedeutet: Strukturen sind gut und wichtig, aber nicht alles. Nicht der Papst und die Bischöfe leiten die Kirche, sondern der Heilige Geist, wie der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich bei einem Vortrag in Fulda gerade feststellte. Deshalb ändert sich das Äußere kirchlichen Lebens immer wieder. Die Botschaft, der Heilige Geist, bleibt.
Das hat konkrete Auswirkungen auf das Leben in den Gemeinden. Jede Familie, jede Gruppe, jeder Kirchort praktiziert kirchliches Leben, steht in Verbindung mit dem Geist Gottes – unabhängig davon, wie weit entfernt der Pfarrer wohnt.
Aber, mal ehrlich: Wie oft wird in Kirchengemeinden oder anderen Gruppen gefragt: Wie und wo möchtest du dich ins Gemeindeleben einbringen? Eher selten. Meistens heißt es doch: Wer macht das oder das? Was davon darf es sein? Das bedeutet ja nicht im Umkehrschluss, dass Gemeindeleben nur noch aus einem „Wunschkonzert“ besteht. Aber bei mehr Eigeninitiative der Einzelnen kommt wahrscheinlich mehr Freude auf.
Die Kirche wird als das Haus Gottes auf Erden bezeichnet. Um im Bild zu bleiben: Wer lebt gern in einem Haus, das nicht behaglich ist? Es stimmt: Das Fundament allen kirchlichen Handelns ist Jesus Christus und seine Botschaft. Auch der Rohbau, die Mauern sind unverzichtbar, sie geben dem Haus Halt. Sie haben also die Funktion, die Strukturen im Gebilde der Kirche haben. Aber damit es lebenswert im Haus wird, braucht es Dach, Fens-ter, Türen und die Innenausstattung – und Menschen. Und: Der Rohbau ist noch da, wird aber durch Verputz und Innenausstattung überdeckt.

Jede(r) bringt eigene Fähigkeiten mit ein

Das Individuellste in Häusern ist die Innenausstattung, nicht so sehr das Mauerwerk. Auf die Kirche übertragen, lohnt es sich, stärker den Fokus auf die Entfaltung der jeweiligen Talente zu richten als auf die äußeren Strukturen. Der Ansatz sollte sein: Jede(r) bringt die Fähigkeiten mit ein, die er/sie hat. Wer gern handwerklich aktiv ist, kann in die Hände spucken. Wer sich gern mit anderen über den Sinn der Schrift austauscht, er ist willkommen. Wer gern Leute zum Lachen bringt, nur zu – die Botschaft ist eine frohe. Wer den Menschen lieber zuhört oder bei Streitereien vermittelt, der ist wertvoll für das Miteinander.
Darauf kommt es im letzten an. Und nicht, wie viele Priester oder Hauptberufliche auf 1000 Katholiken kommen. Und zu guter letzt: In diesem Veränderungsprozess können die Menschen auf die Hilfe des Heiligen Geistes bauen. Dessen „Wehen“ hängt nicht von der Pfarreigröße ab.

Von Hans-Joachim Stoehr