Interview mit dem katholischen Islamexperten Klaus von Stosch

„Der Islam sollte nicht dämonisiert werden“

Image
Mann vor Bücherregal
Nachweis

Foto: privat

Caption

Theologe Prof. Dr. Klaus von Stosch

Der römisch-katholische Theologe Prof. Dr. Klaus von Stosch, 52, hat die Schlegel-Professur für systematische Theologie an der Universität Bonn inne und ist ein international renommierter Experte für das Verhältnis zwischen Islam und Christentum. Er erhielt unter anderem 2009 gemeinsam mit Michael Hofmann den Forschungspreis der Universität Paderborn für das Projekt „Islam in Deutschland – Interkulturalität und interreligiöser Diskurs in der Literatur“. Von 2009 bis 2021 war er zudem Vorsitzender des auf seine Initiative neu errichteten Zentrums für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn. Derzeit ist er Leiter des International Centers of Comparative Theology and Social Issues an der Universität Bonn.

Wie ist das Verhältnis der katholischen Kirche zum Islam?

Seit der Erklärung „Nostra aetate“ von 1965 haben wir eine positive Einstellung zum Islam. Daher wird von katholischer Seite betont, dass Konvertiten aus dem Islam die schlimmen Erfahrungen mit den Taliban und anderen Islamisten nicht mit dem Islam gleichsetzen sollten, den Islam nicht dämonisieren sollten. Stattdessen sollten sie ein gutes Verhältnis zu ihrer Biografie, zu ihrer muslimischen Vergangenheit finden. Dann können sie auch zu Brückenbauern zum Islam werden.

Welche Faktoren spielen eine bedeutende Rolle bei Konversionen muslimischer Flüchtlinge zum Christentum?

Das hängt oft davon ab, wen sie kennenlernen. Ob sich eine Gemeinde um sie sorgt. Wenn dies ohne Hintergedanken geschieht und nur, weil dies Auftrag des Evangeliums ist, dann ist das auch die beste Form von Mission und Menschen fühlen sich eingeladen. Manche werden konvertieren, manche auch nicht. Das ist dann ja auch nicht mehr die erste Frage, die man stellt. Schon Papst Benedikt XVI., aber auch Papst Franziskus haben deutlich gemacht, dass die diakonische Zuwendung zu den Flüchtlingen ohne missionarische Absicht geschehen muss. Auch wenn es regionale Unterschiede gibt, denke ich, dass die katholische Kirche hierzulande in dieser Hinsicht eine gute Willkommenskultur entwickelt hat.

Gemeinhin müssen Konvertiten aus dem Islam einen zweijährigen Glaubenskurs absolvieren, um katholisch zu werden. Ist das nicht etwas sehr lang?

Zwei Jahre finde ich auch zu lang. Aber das ist Sache der einzelnen Bistümer und Gemeinden. Doch ein Jahr sollte es schon sein. Bei den Konvertiten, die jetzt in der Pfarrei Seliger Johannes Prassek getauft werden, ist das noch einmal eine andere Situation, da sie die Pfarrei schon lange kennen. In solchen Fällen kann die Zeit noch kürzer sein. Katholischerseits achtet man sehr darauf, dass es eine längere Hinführung zum Glauben gibt, damit die Konversion nicht aufgrund von Projektionen erfolgt und man eine Christusbeziehung entwickeln kann. Es sollte keine Kurzschlusshandlung infolge traumatischer Erfahrungen in den Herkunftsländern sein. Die Entscheidung muss schon tragen.

Wie bedeutend ist der römisch-katholische Ritus für Konvertiten aus dem Islam?

Die Ritualisierung des Gebets bei Schiiten und Sunniten passt viel eher zum Katholizismus als zur evangelisch-lutherischen Kirche. Insbesondere der schiitische Glaube hat viele Frömmigkeitsformen, die viel besser an den katholischen Glauben anknüpfen können, so etwa die Heiligenverehrung. Schiitische Schreine erinnern sehr an Marienheiligtümer. Allerdings gibt es auch viele Schiiten, die diese Nähe aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Mullah-Regime im Iran als problematisch erleben. Von daher konvertieren wohl nicht mehr Schiiten als Sunniten zum Katholizismus.

Die meisten Muslime konvertieren offenbar zu evangelikalen Freikirchen. Warum?

Die zeigen sich sehr viel offener als die Großkirchen und die Konversion erfolgt dort auch schneller. Das hat staatlicherseits dazu geführt, dass solche Übertritte infrage gestellt worden sind und unterstellt wird, sie erfolgten nur, um eine eventuelle Abschiebung zu verhindern. Dadurch entsteht die Gefahr, dass eine Konversion keinen Einfluss mehr darauf hat, ob jemand als Flüchtling geduldet wird oder einen Aufenthaltsstatus bekommt.

Was ist besonders an Konversionen aus dem Islam?

Grundsätzlich muss man sich vor Augen halten, dass Muslime in Ländern, in denen der Islam vorherrscht, in der Regel keine Gelegenheit haben, das Christentum richtig kennenzulernen. Hinzu kommt: Wer einmal Muslim geworden ist, muss es gemäß der traditionellen Auslegung des islamischen Rechts auch bleiben. Christen und Juden stehen demnach zwar unter Schutz und können ihren Glauben praktizieren, aber Konversionen sind nicht erlaubt.

Inwiefern kann das hier zu Aggressionen und Gewalt gegen Konvertiten aus dem Islam führen?

Für normal konservative Muslime sind Konvertiten hierzulande kein Problem. Das liegt auch daran, dass die Muslime hier in der Minderheit sind. Aber rund ein Drittel der Muslime steht unter einem zunehmenden Einfluss von Salafisten. Die sind meist sehr antichristlich. Da ist Konversion ein richtiges Problem.
 

Interview: Matthias Schatz