Pater Heiner Wilmer hat Wurzeln im Emsland

Der neue Bischof spricht auch Platt

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Der neue Bischof für Hildesheim kommt aus Schapen. Für Pater Heiner Wilmer sind seine emsländischen Wurzeln sehr wichtig. Wo er aufgewachsen ist und wie er den Kontakt zu seiner Heimat hält, davon erzählt der Herz-Jesu-Priester vor seiner Weihe Journalisten für einen Film.


Interview vor dem Elternhaus: Theo Wilmer (v.l.) und Pater Heiner Wilmer bei den Dreharbeiten mit Tontechniker Siggi Krumbeck, Kameramann Peter Linskens und Reporterin Annette Deutskens. Fotos: Petra Diek-Münchow

„Kumm drinn“ steht auf Plattdeutsch auf dem Eichenbalken über der Tür. Und so bittet Heiner Wilmer die Gäste ohne großes Aufhebens und mit viel Herzlichkeit, ins Haus zu kommen. „Das ist unsere alte Diele und da ist die Stube“, sagt er und bleibt einen Moment länger auf dem Flur stehen. „Hier bin ich aufgewachsen.“ Heute leben sein jüngerer Bruder Theo und Schwägerin Mechtild mit ihrer Familie auf dem Bauernhof. Zusammen zeigen sie, was auf dem Flur alles so steht und hängt: die alte Truhe aus dem Jahr 1736 „noch vor der französischen Revolution“, das originale Spinnrad, das ewige Licht über der Zimmertür, ein großes Gemälde mit emsländischer Heidelandschaft. Und das Buntglasfenster, das nach draußen schlicht und einfach verkündet, was den Wilmers immer schon wichtig war: „An Gottes Segen ist allen gelegen.“

Das gilt gerade jetzt. Nur noch einige Tage, dann wird Heiner Wilmer in Hildesheim zum Bischof geweiht. Für den 57-Jährigen kam im April die Ernennung überraschend, für seine Mutter und die Geschwister sicher noch mehr. Theo Wilmer und die ganze Familie haben sich sehr über die Nachricht gefreut. Auch weil der Weg in die Heimat dann nicht mehr so weit ist. Hildesheim ist schließlich viel näher als Rom, wo Heiner Wilmer bis jetzt den Herz-Jesu-Orden geleitet hatte (siehe auch „Zur Sache“). Gut zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt. „Das kann man auch für einen Tag schnell mal machen“, sagt der künftige Bischof. In den vergangenen Monaten hat er „sicher fünfmal“ seine Verwandten in dem etwa 2400 Einwohner zählenden Dorf besucht. Immer noch ist er hier verwurzelt, fühlt sich in Schapen geerdet. Und spricht selbstverständlich mit seinem Bruder nach wie vor Plattdeutsch, wie immer seit Kindesbeinen.

Auch bei den Dreharbeiten mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), für die Reporterin Annette Deutskens mit Kamera- und Tonmann angereist ist. „Plattdeutsch? Vielleicht müssen wir dann Untertitel machen“, wird in der Runde nicht ganz ernst gemeint gescherzt. Das Team produziert einen kurzen Film, der wenige Tage vor der Bischofsweihe in dem Magazin „Hallo Niedersachsen“ gezeigt wird – mit Szenen auch aus dem Gymnasium Leoninum in Handrup, das Wilmer fast zehn Jahre geleitet hat, und von dem elterlichen Bauernhof. Geduldig, entspannt und mit viel Humor folgen Theo und Heiner Wilmer den Bitten der NDR-Mitarbeiter – wechseln sogar einmal die Oberhemden, weil die kleinen Karos in der Kamera flirren. Der Neffe leiht Onkel  Heiner fix ein anderes.

Die Kirchenglocken in Schapen haben Sturm geläutet


Der Bischof auf dem Trecker: Nach einer kurzen Einweisung
könnte er den auch noch selber fahren, sagt er.

Wenn Pater Wilmer mit Bruder Theo über den Hof geht, spüren nicht nur die Fernsehleute, wie verbunden er sich mit seiner Heimat fühlt. Nebenbei erzählt er mit einem Schmunzeln, wie er früher „nicht sehr erfolgreich“ in Schapen Fußball gespielt hat und dass er heute noch vom Schützenfest spät nach Hause kommen würde. Nicht wegen des einen oder anderen Bieres – „da könnte ich gar nicht mehr mithalten“ – sondern, weil er im Dorf immer noch viele Leute kennt: von seiner alten Klasse, vom Tischtennis, vom Stammtisch. Kein Wunder, dass sich viele auf den Weg machen werden, um bei der Weihe am 1. September dabei zu sein. Laut Pfarrer Ludger Pöttering reisen über 200 Leute aus der Pfarreiengemeinschaft mit Bus und PKW nach Hildesheim, auch aus Handrup kommen nach Worten von Schulleiter Franz-Josef Hanneken „mindestens 100“. Insgesamt werden wohl mehrere Hundert Emsländer unter den Gästen im und rund um den Dom sein. Die Region ist stolz auf „ihren Bischof“ – bei der Bekanntgabe im Frühjahr haben die Kirchenglocken in Schapen Sturm geläutet.

Für einen Abstecher zur Kirche ist bei den Dreharbeiten keine Zeit, wohl aber für andere Orte auf dem Hof. Nicht nur die alte Diele, sondern auch die Mariengrotte an der Straße, die die Familie 1954 gebaut hat. Als Erinnerung an die vier Wilmers, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Und als Dank, dass es danach hier weiterging. Immer sind die Anlagen frisch geharkt, leuchtend gelbe Sonnenblumen stehen in der Vase neben der Muttergottesstatue. Wenn Wilmer seine Verwandten besucht, bleibt er für einen kurzen Moment stets davor stehen, auch heute. Und spricht dann mit seinem Bruder, wie der Betrieb läuft und ob in diesem Jahr die Ernte gut ausfallen wird. Schließlich hat Heiner Wilmer früher nach der Schule jahrelang selbst mitgearbeitet und seinem Vater geholfen. „Eigentlich hätte er als der Älteste den Hof übernehmen können“, sagt Theo Wilmer. Und sorgt mit einer weiteren Bemerkung für den Lacher des Nachmittags. „Wer weiß – wenn ich weggegangen wäre, wäre ich vielleicht Bischof geworden.“ Ob die beiden denn sehr verschieden sind, will die NDR-Reporterin zwischendurch wissen. „Heiner ist schlauer“, antwortet Theo nach kurzem Nachdenken. „Das glaub’ ich nicht“, kontert der sofort lachend.

Natürlich ist die Dürre des Sommers auch während des Besuchs rund um die Dreharbeiten ein Thema. Der Landwirt zeigt seinem Bruder den nächsten Acker. Auch in und um Schapen hat der Mais unter dem fehlenden Regen sehr gelitten, die Erträge werden nicht so gut ausfallen wie sonst. Nachdenklich schaut sich der Priester die trockenen Feldfrüchte an. Auf dem Weg zurück setzt sich Bruder Theo wieder ans Steuer des Treckers. Könnte Heiner Wilmer den noch selbst bedienen? Er schmunzelt. „Nicht gleich, aber nach zehn Minuten Einweisung würde ich das wieder hinkriegen“, sagt er. Er hört gerne zu, lässt sich Dinge erklären, lernt immer dazu. „Weitermachen, Weiterlesen, Weiterfragen hält mich wach, lebendig und gibt mir Kraft,“ sagt er. Keine schlechte Eigenschaft für einen Bischof.

Petra Diek-Münchow


Zur Sache

Pater Heiner Wilmer stammt aus der St.-Ludgerus-Gemeinde in Schapen im südlichen Emsland. Gleich nach dem Abitur am Gymnasium Leoninum in Handrup, eine Schule der  Herz-Jesu-Priester, trat er 1980 in diesen Orden ein. Er studierte von 1981 bis 1986 Theologie in Freiburg und wurde 1987 zum Priester geweiht. Nach weiteren Studien der Philosophie, der Geschichte und dem Staatsexamen folgten Stationen als Referendar, Lehrer und Schulseelsorger in Meppen, Vechta und im New Yorker Stadtbezirk Bronx. Von 1998 bis 2007 war Heiner Wilmer Schulleiter des Gymnasium Leoninum, danach bis 2015 Provinzial der Deutschen Ordensprovinz der Herz-Jesu-Priester. Seit 2015 führte  er die weltweite Kongregation als  Generaloberer in Rom.  

Die Bischofsweihe von Pater Wilmer findet am Samstag, 1. September, um 10 Uhr im Hildesheimer Dom statt. Es werden rund 3000 Gäste erwartet. In Schapen feiert Wilmer seine Bischofs-Heimatprimiz am 16. September um 9 Uhr. Nach der Messe gibt es eine Begegnung mit ihm.