Anfrage
Der Vorhang hinter der Tabernakeltür
Nein, es stimmt nicht. Dieser Zusammenhang ist ein typischer Fall dafür, dass später etwas in Dinge hineininterpretiert wird, die einen ganz anderen Ursprung haben. Aber der Reihe nach.
Konsekrierte Hostien, die man vor allem für die Krankenkommunion und die Wegzehrung brauchte, wurden in der Kirchengeschichte an verschiedensten Orten und in verschiedensten Gefäßen aufbewahrt – auch zum Beispiel auf dem Altar oder in der Wohnung des Klerikers. Erst mit der Ausweitung der Eucharistiefrömmigkeit im Hochmittelalter änderte sich das: Das 4. Laterankonzil legte 1215 die Lehre von der Wandlung (Transsubstantiation) fest, die Tabernakel wurden zunehmend prachtvoller und bekamen ihren festen Ort im Hochaltar einer Kirche.
Der Name „tabernaculum“ (Zelt) erinnert an die Ursprünge: dass nämlich ein verhüllendes Tuch (Konopeum) über den Aufbewahrungsort gelegt wurde, so dass eine zeltartige Form entstand – so wie heute noch beim Ziborium, dem mit einem Tuch verhüllten Gefäß, in dem die Hostien in den Tabernakel gestellt werden. Im Bild links sehen Sie: Es wirkt ein bisschen wie ein Zelt.
Mit dem Offenbarungszelt, in dem in frühjüdischer Zeit die Gesetzestafeln aufbewahrt wurden (Exodus 26), hat der Tabernakel nichts zu tun. Auch das ist eine spätere Interpretation, eine Suche nach religiösen oder biblischen Zusammenhängen, die es zumindest direkt so nicht gab.
Und das gilt eben auch für den Vorhang im Tabernakel, den mit dem Vorhang im jüdischen Tempel (und im Offenbarungszelt) nur das Wort verbindet. Eher gründet er auf dem schon erwähnten früheren verhüllenden Tuch, dem Konopeum. Und auf der Vorstellung, das Allerheiligste auf jede erdenkliche Art und Weise zu schützen – auch vor Blicken.
Übrigens war der Vorhang weder liturgisch noch kirchenrechtlich jemals vorgeschrieben, er ist reine Tradition. Und so gestaltete etwa der Aachener Künstler Fritz Schwerdt schon in den 1950er Jahren Tabernakel ohne Vorhang, um den Blick hinein freizugeben. Nicht selten übrigens, wie es auf seiner Homepage heißt, „gegen kirchlichen Widerstand“.