Der wichtigste Weihnachtsbaum der Welt

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Mit seinen Fotos will der Bethlehemer Christ Elias Halabi die Geschichte seiner Heimat erzählen: von Garküchen auf dem Krippenplatz bis zum Adventsfeuerwerk und der Geburtskirche geht es ihm um den größeren Kontext.

Foto: kna/Andrea Krogmann
Im Herzen der Stadt: Der Weihnachtsbaum in Bethlehem vor der Geburtskirche ist eines der beliebtesten Motive des Fotografen Elias Halabi. Foto: kna/Andrea Krogmann

Bilder, die lauter sind als Worte: Wenn Elias Halabi seine Kamera in die Hand nimmt, will er eine Geschichte erzählen. Vom Reichtum seiner Heimat und ihrer Schönheit, der Vielfalt ihrer Menschen und den unschönen Seiten ihrer Realität unter israelischer Besatzung. Von den Venen der Stadt, die im bloßen Vorbeigehen verborgen bleiben. "Ich kann kein Foto ohne seinen Kontext aufnehmen", sagt der freischaffende Fotograf aus Bethlehem. Die Geschichte, die Architektur, das soziale Gefüge müssen mit ins Bild – "ich versuche alles in meinen Bildern zu vereinen". Einen kleinen Ausschnitt davon zeigt Halabi derzeit in seiner jüngsten Ausstellung "Wir sind der Krippenplatz" im Bethlehemer "Peace Center".

Die 54 Porträts von Bewohnern, Besuchern und Passanten des zentralen Platzes vor der Geburtsbasilika stehen symbolisch für Halabis Ansatz. Anfangs, als die französische Entwicklungsagentur das Projekt an ihn herangetragen habe, sei er skeptisch gewesen, gesteht der Künstler. "Wer den Krippenplatz überquert, wird auf Anhieb wenig Interessantes sehen. Dann begann ich, Zeit auf dem Platz zu verbringen, seine Menschen zu beobachten – und sah unzählige interessante Geschichten."

Zu jeder Tageszeit ist der Platz anders, sagt Halabi. Da sind die Kinder, die den Platz morgens auf ihrem Schulweg überqueren, die Markteinkäufer, die Hungrigen an einer der Garküchen oder in den umliegenden Restaurants; die Kaffeeverkäufer und Taxifahrer, die auf Kunden warten; jene, die sich auf dem Platz eine Pause gönnen. Abends die Familien, deren Kinder auf ihren Fahrrädern Runden drehen. Freitags beten Muslime auf dem Platz, sonntags prägen ihn Christen auf dem Weg zu ihren Gottesdiensten. Soziale, kulturelle, politische Ereignisse haben hier ihren Ort, und aus der Weihnachtszeit mit ihren Paraden und Prozessionen ist der Platz nicht wegzudenken.

Wenn Halabi nicht gerade an Projekten arbeitet, dann als offizieller Fotograf der griechisch-orthodoxen Kirche in Bethlehem. So dokumentiert er alle wichtigen Feste, einzigartige und spirituelle Momente, wie er sagt. "Jede Ecke des Geburtsortes und die Gesichter der betenden Menschen sind in der Lage, den Geist des Gebets in dir zu entfachen", beschreibt er die Arbeit auf seiner Webseite.

 

Der Baum vor der Geburtskirche

Den größten Zuspruch aber bekommt Elias Halabi für eine ganz bestimmte Gruppe von Fotos. Jedes Jahr, wenn zu Beginn des Advents die Lichter am Weihnachtsbaum auf dem Krippenplatz mit Feuerwerk und Zeremonie feierlich entzündet werden, sind er und seine Kamera dabei – und seine Fans warten ungeduldig auf das Resultat. "Bethlehem hat ein kleines Budget für die Feier, nicht wie New York oder Berlin. Was das wirklich Besondere ausmacht: Der Baum steht direkt vor der Geburtskirche – dem Herzen der Stadt und dem Ort, an dem alles angefangen hat –, und damit ist es der wichtigste Weihnachtsbaum der Welt", sagt er. Das soll in seinen Bildern zu sehen sein.

Die Feier zum Auftakt des Advents in Bethlehem hat sich in den letzten zehn Jahren zum wichtigsten öffentlichen Event der Stadt entwickelt, erzählt der Fotograf mit abgeschlossenem Psychologie- und Soziologiestudium, der derzeit seinen Master in visueller Kunst macht. Welche Rolle das Entzünden der Weihnachtsbaumlichter in Halabis privatem Leben spielt, lässt sich wohl am besten an einer Geschichte ablesen, die er schmunzelnd erzählt. Vor einigen Jahren sei er beim Entzünden der Lichter auf einem der Dächer vor seiner Freundin auf die Knie gegangen und habe um ihre Hand angehalten.

Während andere Fotografen auf dem Dach des Rathauses oder des Peace Centers stehen und auf Baum und Feuerwerk fokussieren, sucht der 38-Jährige einen anderen Blickwinkel. "Ich verbringe jedes Jahr den November damit, den richtigen Platz zu finden, Orte, die besonders sind. Auch ein gewisses Risiko gehört für mich dazu."

In diesem Jahr fiel die Wahl auf den Glockenturm der lateinischen Katharinenkirche neben der Basilika. Dreieinhalb Stunden habe er ohne Licht in der Kälte ausgeharrt, aber am Ende hat es sich gelohnt. Rot erleuchtet auf seiner Aufnahme das Feuerwerk den Nachthimmel über der Geburtsstadt. Der Baum, der auf den Bildern vieler Kollegen im Mittelpunkt stehen wird, lässt sich in der Ferne erahnen. Im Zentrum des Bildes aber ist das Herz der Stadt und des Fests: Das Dach der Geburtsbasilika, unter dem ein kleiner silberner Stern in der Grotte jenen Ort markieren soll, wo mit der Geburt Jesu das Christentum seinen Ursprung nahm.

kna