Wort der Bischöfe zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren

Die Bischöfe machten sich mitschuldig

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In ihrem Wort zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren reden die deutschen Bischöfe Klartext. Sie setzen sich kritisch mit dem Verhalten der katholischen Kirche im Krieg auseinander und schonen auch ihre Vorgänger nicht.

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Ein Glockenfriedhof in Hamburg während des Zweiten Weltkriegs. Die Glocken wurden eingeschmolzen für die Rüstungsindustrie. Foto: kna


Der Kernsatz der Erklärung mit dem Titel „Deutsche Bischöfe im Weltkrieg“ lautet: „Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges ,Nein‘ entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg.“

Dieses Eingeständnis ist der Deutschen Bischofskonferenz nicht leichtgefallen, wie deren Vorsitzender Georg Bätzing in seinem Geleitwort festhält: „Wir deutschen Bischöfe wissen, dass uns die Rolle des Richters über unsere Vorgänger nicht gut zu Gesicht steht.“ Das ändere jedoch nichts an der Verpflichtung, sich der Geschichte zu stellen, „um aus ihr zu lernen für Gegenwart und Zukunft“.

Die katholische Kirche, heißt es in der Erklärung, sei trotz ihrer inneren Distanz zum Nationalsozialismus „Teil der Kriegsgesellschaft“ gewesen und habe „bis zum Ende“ ihre materiellen, personellen und geistigen Ressourcen mobilisiert. Die Bischöfe hätten Soldaten und Gläubige in ihren Predigten und Hirtenbriefen „zu Treue, Gehorsam und Pflichterfüllung, zu Bewährung, Sühne und Opfersinn“ aufgerufen. Und: „Nach dem Sieg über Frankreich 1940 läuteten im Reich die Glocken.“

Der Angriff auf die Sowjetunion habe das Kriegsgeschehen zusätzlich religiös aufgeladen im Sinne eines „Kreuzzugs“ gegen den „gottlosen Bolschewismus“. Zwar hätten die Bischöfe die ideologische Begründung des Feldzugs durch die Nationalsozialisten abgelehnt; „aber ihre Worte und Bilder bestärkten sowohl Soldaten als auch das kriegsführende Regime, indem sie dem Krieg einen zusätzlichen Sinn verliehen“.

Der offene Protest der Bischöfe gegen den „nationalsozialistischen Vernichtungskrieg“ sei ausgeblieben. Auch gegen die ungeheuerlichen Verbrechen an Menschen, die als „rassefremd“ galten, insbesondere den Juden, „erhob sich in der Kirche in Deutschland kaum eine Stimme“. Man habe außerdem jene Soldaten, die angesichts ihrer schrecklichen Kriegserfahrungen in Glaubens- und Gewissensnöte gerieten, alleingelassen.


Die Botschaft des Evangeliums endet nicht an Landesgrenzen

Die katholische Kirche und ihre Bischöfe hätten lange gebraucht, die eigenen Verstrickungen in das Dritte Reich und den Krieg anzuerkennen, bekennt die Bischofskonferenz in dem Dokument. „Heute blicken wir mit Trauer und Scham auf die Opfer und diejenigen, deren existenzielle Fragen angesichts der Verbrechen und des Krieges ohne angemessene Antwort aus dem Glauben blieben.“

Zu den Lehren aus der Geschichte zählt die Erklärung unter anderem, dass die Kirche mittlerweile „in jedem Staat und von jeder Regierung“ die Beachtung grundlegender Werte einfordere; dazu gehörten die Würde aller Menschen, die unveräußerlichen Menschenrechte, die sittlichen Grundsätze über die soziale Ordnung und alles, was dem Heil der Seelen diene. „Wir haben zudem wiederentdeckt, dass die Botschaft des Evangeliums nicht an der Landesgrenze endet und Solidarität im christlichen Sinn nicht auf das eigene Volk begrenzt ist. Die Überwindung allen Leids weltweit entspricht der Nachfolge Jesu.“

Hubertus Büker