Ursula Groden-Kranich ist neue Kolpingvorsitzende

Die Kämpferin

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Sie kriegt, was sie will. Und wenn es mal länger dauert, jammert sie nicht rum. Mit dieser Haltung ist die CDU-Politikerin Ursula Groden-Kranich Bundestagsabgeordnete und neuerdings Kolpingvorsitzende geworden. Von Ruth Lehnen

Ursula Groden-Kranich, CDU-Bundestagsabgeordnete aus Mainz und seit November Kolping-Bundesvorsitzende, lässt sich nicht so leicht ausbremsen. Ihr Vater hat es mal versucht, als er dagegen war, dass sie sofort mit 18 den Führerschein machte. Sie machte ihn trotzdem. Auch einige Parteifreunde haben ihr Steine in den Weg gelegt. Groden- Kranich ist ab und an unterschätzt worden. „Genau das war dann meine größte Stärke“, sagt sie, und ihre Augen blitzen.

Zweimal hat sie das Bundestagsmandat mit guten Ergebnissen geholt, und so langsam ist sie in Berlin angekommen. Sie arbeitet hart, sieht Mann und Tochter selten und ist sich nicht zu schade für die sogenannte Graswurzelarbeit: Gespräche, Feierstunden, Jubiläen, Turniere, Einweihungen gehören zu ihren Wahlkreis-Wochen. „Mittendrin“ ist ihr Motto.

Die neue Aufgabe als Kolping- Bundesvorsitzende passt: Zwar ist die ehemalige Schülerin der katholischen Maria-Ward-Schule keine in der Wolle gefärbte Kolpingerin, aber dem Verband doch eng verbunden. Ihr Onkel war 18 Jahre lang Vorsitzender der Kolpingsfamilie Mainz, ihre Eltern gingen immer freitags zum Kolping-Kegeln.

Wer sind die Menschen, die heute auf Wanderschaft sind?

Jetzt hat Groden-Kranich mit einem Schlag 230.000 Kolpingmitglieder hinter sich, und der Verband hat wieder jemanden im Bundestag, wie schon mit Thomas Dörflinger, ebenfalls CDU-Politiker und Groden-Kranichs Vorgänger als Bundesvorsitzender. Lang kann es jetzt nicht mehr dauern, bis sie auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken vertreten sein wird.

Für Groden-Kranich, 53 Jahre alt, bedeutet ihr Einsatz für Kolping, sich mit ihrem ehrenamtlichen Engagement neu aufzustellen. „Kolpingsfamilie“, das bedeutet für sie mehr als das lokale Treffen der Kolpingmitglieder.

Familie, das bedeutet für sie ganz generell Miteinander und Füreinander. Und zwar von allen: Frauen, Männern, Arbeitnehmern, Arbeitsgebern. Sie alle sind „Kolping“. Familie, Keimzelle der Gesellschaft: Die Politikerin nimmt diese Worte ganz unbefangen in den Mund. Aber sie malt die Familie nicht golden an: „Alte Eltern, eine Tochter in der Pubertät, ein vielbeschäftigter Mann“ – so sieht ihre Familie aus. Und trotzdem holt sie ihre Kraft daher: aus dem Wissen, eine Familie zu haben. Im politischen Berlin dagegen herrsche ein familienfeindliches Klima: „Sie werden in Berlin zum Single gezüchtet.“ Da brauche es Stärke, um das auszuhalten.

Heftige Angriffe hat es gegeben, als sie gegen die „Ehe für alle“ gestimmt hat, so wie es die katholischen Bischöfe empfohlen haben. Immer wieder werde von den Abgeordneten verlangt, unterscheidbar eigene Meinungen zu vertreten: „Es war eine Gewissensentscheidung, und ich habe mich meines Gewissens bedient.“ In einer persönlichen Erklärung hielt sie fest, „die umfassende rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren als Fürsorgegemeinschaften“ sei für sie „eine juristische und moralische Selbstverständlichkeit“, die Ehe jedoch eine Verbindung zwischen Mann und Frau.

Diese Ansicht zur Ehe hat sich im Bundestag nicht durchgesetzt, aber Groden-Kranich ist es wichtig, „dass man in einer Demokratie eine andere Meinung haben darf, auch wenn es eine Mindermeinung ist“. Im Bundestag gibt es eine Gruppe der Kolpingmitglieder, sie tauschen sich aus über solche Fragen, zum Beispiel auch über den UN-Migrationspakt, die Themen Sterbebegleitung und Organspende.

Ursula Groden-Kranich beschäftigt die Frage, um wen Adolph Kolping sich heute kümmern würde: „Wer sind die Menschen, die heute auf Wanderschaft sind?“ Zum Beispiel die Pflegekräfte aus Osteuropa, lautet ihre Antwort. Für sie könnte das Kolpingwerk ein Stück Heimat sein. Sie findet es gut, wie stark der Verband beim Thema „Jugendwohnen“ ist, und dass er sich für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Menschen in Ausbildung engagiert.

Eine Erneuerung ohne Beliebigkeit

Die Politikerin will die Kolpinghäuser weiter öffnen in die Gesellschaft, mit Jungen und Alten über Rente und Besitzstandswahrung diskutieren. Beim Zukunftsforum in Fulda, das Teil eines Prozesses zur Erneuerung ist (siehe „Zur Sache“), werden Kolpingmitglieder im März darüber diskutieren, wer in Zukunft Kolpingmitglied sein kann: auch Evangelische, auch Atheisten?

Groden-Kranich muss mit dem Kolpingwerk den Weg finden zu einer Erneuerung ohne Beliebigkeit. Die Mainzerin sieht beim Engagement in der Kirche eine Ähnlichkeit zum politischen Engagement: „Ich kann austreten oder ich kann gegen Missstände kämpfen.“ Groden-Kranich hat sich fürs Kämpfen entschieden. Die sogenannte weibliche Bescheidenheit ist dabei nicht hilfreich: „Ich drängle mich auch vor!“ Und zwar, wenn das richtig und nötig sei, um Ziele zu erreichen.

Einen straffen Zeitplan hat sie, und auf ihrer Homepage einen Stundenplan, der in Berlin den wöchentlichen frühmorgendlichen Gottesdienst der katholischen Abgeordneten aufführt. Nicht immer schafft sie es, hinzugehen. In ihrem Abgeordnetenbüro in Berlin hängt das Kreuz, das Pfarrer Michael Bartmann ihr zum Start im Bundestag geschenkt hat. Wer sich daran störe, mit dem könne sie immer noch in die Kantine gehen, sagt sie.

"Ich finde die Muttergottes hilfreich"

Überhaupt das Kreuz: „Ich muss mir nicht ein Kreuz umbinden, um katholisch zu sein, aber ich muss es auch nicht abnehmen.“ Noch so etwas, das die Bankkauffrau und Anlageberaterin in der Politik gelernt hat: Sie kann es nicht allen recht machen, und sie will es auch nicht mehr.

Auf ihren persönlichen Glauben angesprochen, bringt sie die Muttergottes ins Spiel: „Ich finde die Muttergottes ganz hilfreich.“ Zu Maria gehen, wenn etwas Besonderes ansteht, und zu ihr sagen: „Du weißt doch, wie das ist.“ Dieses Leben als Frau, Geburt, Freude, Leid, Schmerz, Hoffnung: „Die versteht dich am besten.“ Manchmal setzt sich die Politikerin in die Mainzer Seminarkirche und schaut auf die goldene Maria und das Jesuskind, und ihr gefällt, dass sich nebenan in der Nische auch der Josef findet. Da sind dann wieder alle zusammen. Als Familie.

Ruth Lehnen