Neuer Studiengang für Glaubenskommunikation
Die Kirche muss ins Netz
Wie könnte die Kirche auf zeitgemäße Art für den Glauben werben und mehr Menschen für ihre Botschaft begeistern? Ein neuer Studiengang der Universität Bochum will frische Ideen vermitteln – und so Gemeinden beleben.
Von Andreas Lesch
Jeder kennt so Fragen: Wie erziehe ich die störrischen Kinder? Was kann ich gegen meine Schlafstörungen tun? Wie halte ich die Liebe in meiner Fernbeziehung aufrecht? Wie gehe ich mit meinem Körper um, mit meiner Zeit, mit meiner nervigen Kollegin? Auf diese Fragen, sagt der Pastoraltheologe Matthias Sellmann, brauche die Kirche inspirierende Antworten. Überraschend sollten diese Antworten sein, nicht besserwisserisch, sondern freundlich und frisch. Und sie sollten dort sein, wo die Menschen sind: auf Bildschirmen in der U-Bahn und an der Autobahn, im Krankenhaus und im Supermarkt.
Solche zeitgemäßen Antworten gebe die Kirche zu selten, sagt Sellmann. Oft fehle ihr der Mut dazu. Und manchmal wisse sie auch nicht, wie das geht: die christliche Botschaft so zu übersetzen und zu verkaufen, dass die Menschen von heute sie verstehen und brauchen – und dass sie bei ihnen ankommt. Sellmann sagt: „Wir sind in gewisser Hinsicht nicht sprachfähig über unseren Glauben.“ Der Pastoraltheologe will das ändern. Deshalb bieten er und sein Team an der Ruhr-Universität Bochum ab Januar den neuen Studiengang „Crossmediale Glaubenskommunikation“ an.
Kampagnen auf Facebook und Instagram
Berufsbegleitend über sechs Semester können vor allem kirchliche Mitarbeiter wie Pastoralreferentinnen lernen, professionell und modern für den Glauben zu werben. Nicht nur innerhalb der Kirche, sondern vor allem außerhalb. „Es geht darum, die Nachbarn, die Kolleginnen, die Leute im Sportverein zu informieren, aber auch zu magnetisieren, dass man mit Gott leben kann, dass es den Glauben gibt, dass es Kirche gibt“, sagt Sellmann. Das passiere zu wenig. Speziell junge Menschen wüssten kaum mehr, was Christen tun: „Sie kriegen gar nicht mit, dass Ostern was anderes ist als Torte-Essen.“
Im Studium, so Sellmann, könnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen, eine Kampagne für das Osterfest zu entwickeln. Eine Kampagne, die viele verschiedene Kanäle nutzt – Plakatmotive und Radiospots, soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram. Eine Kampagne, zu der auch Oster-Events und ungewöhnliche Marketingaktionen gehören. Eine Kampagne also, die viele Menschen auf Ostern aufmerksam macht und für die Botschaft von Ostern begeistert.
Bisher, kritisiert der Pastoraltheologe, gebe es in der katholischen Kirche „eine komische Skepsis gegenüber modernen Medien“. Er betont: „Das ist ein echter Hemmschuh.“ In dem neuen Studiengang wird deshalb nicht nur Theorie geboten, sondern auch Praxis. Es werden nicht nur Erkenntnisse aus Theologie, Religionssoziologie und Kommunikationswissenschaft geliefert. Sondern es geht immer auch um die Frage: Was können wir jetzt konkret damit anfangen? Und: Wie geht das? So sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach dem Studium wissen, wie man eine Bühne optimal ausleuchtet – und wie die perfekte Tonmischung für einen Radiospot funktioniert.
Natürlich, betont Sellmann, solle sich nach dem Studium nicht jeder Gemeindereferent nur noch in digitalen Welten herumtreiben. Das gute alte analoge Gespräch von Angesicht zu Angesicht bleibe wertvoll. Es solle und werde nie ersetzt werden. Aber er will es ergänzen, durch neue Wege, die christliche Botschaft zu vermitteln: „Letztlich geht’s darum, ob der Funke des Glaubens zündet – und nicht darum, wie man das erreicht hat.“
Zurzeit zündet dieser Funke eher selten. Für Sellmann liegt das auch daran, dass die Kirche stark mit sich selbst beschäftigt ist. Mit den Debatten über Strukturreformen, mit dem Synodalen Weg, mit dem Missbrauchsskandal. Mit lauter Themen also, die sich nicht dafür eignen, die oft kirchenfernen Menschen da draußen zu begeistern.
Jesus hatte den Wunsch, dass viele seine Botschaft teilen
Sellmann will neue, positive Akzente setzen. Und er ist überzeugt davon, dass eine moderne Glaubenskommunikation Auswirkungen hätte – auf jede Gemeinde, die sie nutzt. Welche das wären? „Ich bin mal mutig“, sagt Sellmann – und stellt dann ein paar wirklich mutige Thesen auf.
Eine modern kommunizierende Gemeinde, glaubt er, hätte mehr Mitglieder als vorher. Sie wäre besser organisiert. Sie hätte eine neue Willkommenskultur. Sie hätte viel mehr ehrenamtlich Engagierte. Sie werde mehr Allianzen schließen mit säkularen Akteuren wie dem Tourismus, der Stadtentwicklung, dem Handel. Sie werde mehr mit jüngeren Leuten zu tun haben – und vermutlich keine Probleme, ihre Gremien zu besetzen.
Warum? Weil jemand, der für den Glauben wirbt, sich sehr mit diesem Glauben beschäftigen müsse – und damit, was andere davon erwarten. Das präge. Es sei, so Sellmann, „wie ein Vitaminpräparat, das ich mir selber gebe“. Dass am Ende möglichst überall über den Glauben gesprochen wird, das ist für ihn ganz im Sinne des Erfinders: „Jesus hatte mit Sicherheit den Wunsch, dass viele ihn hören – und dass viele seine Botschaft teilen und in ihr Leben übernehmen.“