Adventsserie 2018 – Folge 2

Die Kunst des Erwartens

Kinder zelebrieren das Warten mit dem Adventskalender. Und Erwachsene? Können wir noch warten? Und auf was? Vier Menschen denken darüber in unserer Adventsserie nach. Folge 2: Künstlerin Christine Hartmann, Fulda

Christine Hartmann Foto: privat
Christine Hartmann bei ihrer Arbeit im Atelier
Foto: privat

Wenn ich als Künstlerin ein Bild male, muss ich oft Wartezeiten aushalten. Warten auf Entscheidungen der Auftraggeber, Kirchenvorstände, Bistümer, auf Materialien, später auf das Trocknen der einzelnen Farbschichten, um weitere Arbeitsschritte ausführen zu können. Manchmal wartet man auch hinterher auf die verdiente Bezahlung …

Und dann ist da zu Beginn allen künstlerischen Schaffens noch das Warten auf eine richtige Idee. Jedem Kunstwerk geht nach einer Reihe von Vorüberlegungen die entscheidende Idee voraus. Sie kann ich nicht erzwingen. Sie muss in mir durch einen Reifeprozess, der auch im geduldigen Warten gründet, entstehen.

Warten kann ich als quälend empfinden, dem ich hilflos ausgeliefert bin. Dann ist das Warten schier endlos, nicht konstruktiv, sondern lähmend und oft auch ziellos. Mit dieser Art einer inneren Haltung werde ich nicht handlungsfähig und schon gar nicht kreativ.

Aber ich kann mich auch dazu entscheiden, das Warten als aktives Erwarten wahrzunehmen. Dies nimmt mich aus der quälenden Lethargie des Wartens in ein kreatives Erwarten.

Erwarten kommt von Warten, doch ist es im Prozess und im Resultat etwas ganz anderes. Erwarten ist ein Prozess, der mich ganzheitlich fordert und mit einbezieht, der befreit. Zudem belohnt mich die Erwartens-Zeit mit dem Geschenk der Vorfreude, welche sich positiv in meiner Arbeit und auf mein Leben auswirkt.

Vorfreude hat meine Seele positiv geprägt

Ich gebe zu, meine Erwartungen wurden auch schon enttäuscht, doch die Vorfreude hat meine Seele dennoch nachhaltig positiv geprägt.

Diese Erkenntnis ist für mich in vielen Lebensbereichen übertragbar; so natürlich auch und gerade im Advent, der Zeit des Wartens. Ich kann auf Weihnachten und Geschenke warten – dann ist dies für mich oft etwas dröge und mit einer pseudoweihnachtlichen, beinahe geschäftigen Besinnlichkeit verbunden. Das genügt mir definitiv nicht.

Mein ganz persönlicher Heiland und Retter

Schönere Adventszeiten und Weihnachtsfeste erlebe ich dann, wenn ich mich mit dem Geheimnis von Weihnachten beschäftige und Christus – als meinen ganz persönlichen Heiland und Retter – als Christkind in der Krippe erwarte. Diese Erwartung wurde mir bisher nicht enttäuscht. Christus hat sich mir dann in einem guten Wort, einer Erkenntnis, guten Begegnungen oder einer fruchtbaren Stille gezeigt.

Wenn ich Vorfreude in mir spüre, dann bin ich dem Erwarten auf der Spur!

Die Künstlerin Christine Hartmann, Jahrgang 1967, lebt seit 1993 in Fulda. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter.

Mehr Informationen über sie und ihre Kunst im Internet: Atelier14fulda.com