Die Position von Frauen in der katholischen Kirche
Die (Ohn-) Macht der Frauen
Gleiche Würde. Gleiche Rechte. Für die Frauen in der katholischen Kirche gilt das nicht. Lesen Sie hier, was Frauen aus den Bistümern Fulda, Mainz und Limburg darüber denken und was sie in ihrem Engagement für Gott, Glaube und Kirche erleben.
„Wissen Sie, wie weh solche Zurückweisungen tun?“
„Wenn ich das Wort ,Macht‘ höre – gerade im Zusammenhang mit der katholischen Kirche – spüre ich sofort ein Bauchgrummeln. Kirche braucht wie jede Organisation Strukturen, aber braucht sie Macht in dem Sinne, dass einer ,das Sagen hat‘, dass einer entscheidet, wo’s langgeht und Argumente nicht erforderlich sind – frei nach dem Motto: ,Wer Macht hat, braucht keine Begründung‘?
Ich bin Vorsitzende des Pfarrgemeinderats und Mitglied im Dekanatsleitungsteam – heißt das, dass ich Macht habe? Sicherlich nicht. Diese Frage stellt sich mir überhaupt nicht, denn ich will gar keine Macht haben.
Nein – um Macht, so wie sie unsere Kirche oft versteht, kann und darf es in einer Gemeinschaft, die auf der Botschaft Jesu gründet, nicht gehen, und somit auch nicht darum, ob Frauen an die ,Macht‘ kommen sollen. Es geht um Gleichberechtigung, um gleiche Rechte für Frauen und Männer in allen Ämtern.
Überhaupt … was ist das eigentlich für eine Fragestellung? Wie können sich Männer erlauben, darüber zu entscheiden, welche Rechte Frauen nicht haben dürfen?
Als getaufte Christen sind wir, Frauen und Männer, ermächtigt und aufgefordert, Verantwortung für und in der Kirche zu übernehmen. Das würde ich gerne – und in unserer Pfarrei ist das durchaus sehr gut möglich. Aber auch hier gibt es Grenzen, die ich immer wieder erleben muss. Nicht weil unser Pfarrer die Grenzen setzt, sondern das ,System Kirche‘.
Ich engagiere mich in der Taufkatechese und bereite Familien auf die Taufe vor, aber für die Taufe braucht es geweihte Männer. Ich feiere regelmäßig Wort-Gottes-Feiern und lege das Wort Gottes aus, aber in der Eucharistiefeier ist es mir noch nicht einmal erlaubt, die Frohe Botschaft vorzulesen. Wissen Sie, wie weh solche Zurückweisungen tun? So wie mir geht es vielen Frauen und auch Männern. Ja, wir sind aufgrund unserer Taufe ermächtigt. Aber es fehlt uns die Erlaubnis von Männern, die die Macht haben. Wenn ich ehrlich bin, fehlt mir langsam die Kraft und die Lust, auf die Erlaubnis zu warten.“
Andrea Keber ist vielfältig engagiert in ihrer Gemeinde St. Franziskus von Assisi in Nieder-Olm und dort auch eine der Sprecherinnen der Aktionsgruppe Maria 2.0.
„Entscheidungsmacht nennt der Klerus: Dienst“
„In Politik und Unternehmen wird um Frauen, auch in Führungspositionen, geworben, da sich dies positiv auf das Ergebnis auswirkt. Beim Blick zurück stelle ich überrascht kleine Schritte der Veränderung auch in der Kirche fest. Eine im letzten Jahr in Münster von wenigen Frauen ausgerufene Aktionswoche fiel bei Katholik*innen schnell auf fruchtbaren Boden, deutschlandweit gab es Feiern im Freien und eine positive öffentliche Resonanz. Das Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ ging auf den Synodalen Weg. Bischof Bätzing und Bischof Bode sind sich einig: Sie halten „die Frauenfrage“ für die zentrale Frage des Synodalen Wegs. In einigen Bistümern haben Frauen Leitungspositionen übernommen und Papst Franziskus berief soeben sieben Laien, davon sechs Frauen, in den vatikanischen Wirtschaftsrat.
Bei der Wahl des neuen Vorstands der Stadtversammlung der Frankfurter Katholik*innen in diesem Frühjahr waren sich die Kandidat*innen einig: Die Gleichberechtigung der Frauen sei wichtig. Vier Neue wurden gewählt, davon drei Frauen. Kurz darauf folgte der Lockdown; das gegenseitige Kennenlernen, das der Strukturen und der Stadtkirche fand überwiegend digital statt. Als Vorstand haben wir in dieser Zeit u.a. zur Situation von Kindern in der Corona-Pandemie Stellung bezogen, um Solidarität für die besonders Betroffenen geworben, gemeinsam mit dem Bezirk Main-Taunus aus Kinderkunstwerken einen europäischen Stern der Verbundenheit entstehen lassen. Wir möchten (be-)wirken. Einfluss gemäß der Synodalordnung des Bistums Limburg üben wir durch öffentliche Stellungnahmen und den Vorschlag der Tagesordnung für die Sitzungen der Stadtversammlung aus - und die Versammlung hat Gelegenheit zur Rückmeldung.
Jenseits dessen stößt unsere Macht an Grenzen. Mit der Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde …“ wurde gerade mit einem „Basta“ klargestellt, wie die Macht in der katholischen Kirche verteilt ist: Der Klerus entscheidet. Diese Entscheidungsmacht sei Dienst, heißt es.“
Marianne Brandt ist Vorsitzende der Stadtversammlung der Frankfurter Katholik*innen.
„Es braucht ein Gegenüber, das freiwillig mitdenkt“
„Die Machtfrage gebe ich an die Damen und Herren im Kirchenrecht weiter. Macht braucht immer ein Gegenüber, das dieser Macht die Autorität oder einen Raum gewährt, so dass Macht auch ausgeübt werden kann.
Macht ist in der Lehre ganz sicher ein Thema, wenn es um Prüfungen und ähnliches geht. Hier gilt es auch, mit der gebotenen Umsicht zu agieren.
In der Kirche würde ich die Machtfrage für mich persönlich, wie schon angedeutet, nicht stellen. Das führt bei meiner Position nicht weiter. Vernünftiger scheint mir die Frage nach den Möglichkeiten. Möglichkeiten gibt es an der Universität sehr viele, weshalb ich sehr dankbar bin, hier arbeiten zu können. Mein Traum am Ende des Studiums war es, es in die Hochschullehre zu schaffen. An der Universität habe ich Möglichkeiten, durch Lehre und durch Forschung theologische Standpunkte zu diskutieren, meine Positionen und Ideen vorzustellen, kritisch Fragen aufzuwerfen, etc.
Allerdings braucht es auch hier ein Gegenüber, das freiwillig mitdenkt und diskutiert. Über die Studierenden und Gasthörer-Innen sehe ich eine große Chance, Theologie voranzubringen, Kirchenbilder in Köpfen zu verändern, Menschen neue befreiende Sichtweisen anzubieten und damit auch Kirche zu verändern. In kleinen Schritten von unten. Gleiches gilt auch für Forschungsthemen. Theologie lebt durch Vielfalt. Das zeigen die alt- und neutestamentlichen Texte. Hier kann man ein Nebeneinander unterschiedlicher theologischer Ideen und ihrer fruchtbaren Beziehungen untereinander gut nachweisen und zeigen.
Das heißt auch: Raus aus dem kirchlich geprägten Raum und hin zu interdisziplinären Forschungsprojekten und gemeinsamer Lehre. Theologie und Kirche sind für unsere Gesellschaft wesentlich, um die Sinnfrage zu stellen und immer wieder neu nachzudenken, was Menschenwürde ist und wie wir die Würde jeder einzelnen und jedes einzelnen in unserer Zeit schützen und bewahren können.“
Stephanie Ernst ist Professorin für Biblische Einleitungswissenschaften am Katholisch-Theologischen Seminar an der Universität Marburg.
„Wer Macht hat, muss auch gut leiten – richtig eingesetzt, macht Macht sogar Spaß“
Leiten Frauen anders als Männer? Wie gehen sie mit ihrer Macht um? Und was bedeutet Macht genau – ist sie positiv oder negativ zu bewerten?
Über diese Fragen habe ich mich neulich mit einer Kollegin unterhalten. Sie sind nicht pauschal zu beantworten. Im Lauf eines jetzt schon langen Berufslebens in und mit der Kirche habe ich viele unterschiedliche Beobachtungen gemacht.
Die Frage nach der Macht berührt auch mein Leitungsverständnis als Leiterin einer katholischen Einrichtung – der Katholischen Familienbildungsstätte im Roncalli-Haus in Wiesbaden. Viele Jahre hatte ich zuvor als Pastoralreferentin gearbeitet und bin dabei immer wieder mit der priesterlichen Hierarchie in Berührung gekommen. Dabei habe ich mir oft genug eine blutige Nase geholt, wenn es um meinen Gestaltungsspielraum ging. Und auch Verletzungen erfahren. Ein Schlüsselerlebnis, an das ich mich noch sehr genau erinnere, war folgendes. Ich hatte eine Gruppe von Kommunionkindern über ein halbes Jahr begleitet, mit den Eltern zusammengearbeitet, den Gottesdienst vorbereitet. Als dann am großen Tag nach dem Gottesdienst die Familienfotos gemacht wurden, hieß es „Ach Herr Pfarrer, kommen Sie doch mit auf unser Familienfoto“.
Als die Anfrage kam, eine kirchliche Einrichtung zu leiten, konnte ich endlich inhaltlich und organisatorisch gestalten. Ich habe jetzt die Möglichkeit, einer Einrichtung ein Profil, ein Gesicht zu geben. Ich kann sie als Ort kirchlichen Handelns prägen.
Dabei ist mir ein partizipativer Leitungsstil sehr wichtig. Die Kursleitungen, die Verwaltungsmitarbeiterin, wir alle zusammen haben die Chance und die Aufgabe, für Familien einen Ort zu schaffen, an dem sie entweder Platz für ihre Sorgen haben oder sich davon auch einmal erholen und ausruhen können.
Regelmäßige Teamgespräche sind für die partizipative Leitung unerlässlich. Und die Bereitschaft, den Kompetenzen der einzelnen MitarbeiterInnen zu trauen und ihnen auch etwas zuzutrauen. Meine Aufgabe als Leiterin ist es, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen so stimmen, dass jede und jeder seine/ihre Kompetenzen bestmöglich einsetzen kann. Dazu gehört es auch, für die Mitarbeitenden verlässlich präsent zu sein und ein offenes Ohr zu haben. Das machen männliche Kollegen sicherlich auch meist so, doch meiner Erfahrung nach legen Leiterinnen hier ein größeres Engagement an den Tag.
Die Frage nach der Macht ist für mich auch ein spirituelles Thema. Meine persönlichen Charismen – die mir von Gott geschenkten Fähigkeiten – kann ich in meinem Arbeitsfeld für mich selbst beglückend und für die Menschen, denen ich hier begegne, hilfreich und förderlich einsetzen. Dies wurde mir in der Arbeitsgemeinschaft Charismenförderung des Bistums Limburg, der ich bis vor kurzem angehörte, deutlich. Charismenförderung schaut auf Ressourcen und Fähigkeiten der Menschen und zielt nicht auf Defizite ab. Das ermöglicht eine ganz andere Dynamik als ein Machtgerangel, bei dem die Frage lautet, wer der/die Beste und einzig Kompetente ist.
Und so will ich auch der Frage nach der Macht nicht ausweichen. Habe ich Macht und macht mir Macht Spaß? Natürlich habe ich Macht. Ich kann Entwicklungen zulassen und fördern oder sie behindern und stoppen. Dessen bin ich mir bewusst. Deshalb frage ich mich häufig, aus welcher Motivation heraus ich bestimmte Entscheidungen treffe. Ich hoffe aus der, mich mit aller Macht für die Belange von Familien, besonders für die Belange von gesellschaftlich benachteiligten Familien, einzusetzen. Wenn das gelingt, macht Macht sogar Spaß.
Marlene Wynands ist Leiterin der Katholischen Familienbildungsstätte für die Bezirke Wiesbaden, Rheingau und Untertaunus mit Sitz in Wiesbaden. Sie ist Diplomtheologin und Systemische Familientherapeutin.
„Eine wirkliche Erneuerung der Kirche gelingt nur, wenn Frauen alle Dienste und Ämter offenstehen“
„Ich sehe nicht ,meine‘ Macht, sondern wenn überhaupt ,unsere‘ Macht als größter Frauenverband in Deutschland, aber oft eben auch unsere Ohnmacht. In Führungspositionen allgemein, besonders aber in denen der katholischen Kirche, sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Frauen wollen uneingeschränkt Verantwortung übernehmen in demokratischer Art und Weise. Die Vision einer Kirche, in der alle an Sendung, Verkündigung und Zeugnis gleichberechtigt teilhaben, wurde durch unsere Verbandsoffensive ,Frauen. Macht. Zukunft.‘ forciert. Wenn die Frage nach der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche nicht bald Fortschritte zeigt, werden Frustration, Resignation und Ärger zunehmen. Viele Frauen werden der Kirche den Rücken kehren.
Innerhalb unserer Gemeinschaft wurde mir eine Führungsposition zugetraut, die ich in Zusammenarbeit und im Team wahrnehme. Alle anliegenden Aufgaben und Projekte werden im Vorstand gemeinsam besprochen und ich gehe dann eventuell als Vertreterin vorweg in der weiteren Ausgestaltung.
Konkret wurde ich zunächst von meinem Ortsverband angesprochen, war dann ,ganz unverbindlich‘ bei einer Jahreshauptversammlung, kannte kaum eine Frau und wurde bei einer Listenwahl unter ,ferner liefen‘ mitgewählt.
Bei der folgenden Vergabe der Ressorts hatte ich für mich als Newcomerin an die Position der zweiten Schriftführerin gedacht. Ich hatte noch nicht den rechten Überblick und dieses Amt stand
gar nicht zur Debatte. Da ich als letzte ohne Amt übriggeblieben war, gab es gute Überredungskünstlerinnen, die mir die Funktion der Sprecherin und ersten Vorsitzenden schmackhaft machen konnten. Das war sozusagen mein Start von Null auf Hundert.
Für die Mitarbeit im Diözesanvorstand brauchte es eine Aufforderung, die ich zunächst ablehnte. Da ich aber schon stark mit dem kfd-Virus infiziert war, habe ich mir das Angebot noch einmal durch den Kopf gehen lassen, dann zum Telefonhörer gegriffen und als Kandidatin zugesagt. So wurde ich dann in den Diözesanvorstand gewählt, war danach vier Jahre Vorsitzende und wurde für weitere vier Jahre wiedergewählt.
Ja, es brauchte am Anfang schon ein bisschen Mut und Abenteuersinn. Aber man wächst bekanntlich mit seinen Aufgaben! Peu à peu lernte ich die Frauen im Verband und den verschiedenen Gremien kennen, nutzte die entstandenen Netzwerke und wusste mich dabei immer unterstützt von den Frauen und unserem Präses im Vorstand, den Mitarbeiterinnen in der Geschäftsstelle und natürlich von Irene Ziegler, der Frauen- und kfd-Referentin. Am wichtigsten sind aber die Frauen an der Basis in den circa 150 Ortsverbänden im Bistum, die letztlich die Politik des Verbands und des Vorstands mittragen.
Dass ich Lehrerin für Deutsch und Religion bin, kommt mir bei der Ausübung meiner Funktion entgegen. Und die Freude, die mir die vielseitigen Aufgaben und Treffen bereiten, motiviert mich und gibt mir Kraft.
Die erfolgreiche Umsetzung von Ideen, das Erreichen eines Zwischenziels, eine gut besuchte Veranstaltung, positive Rückmeldungen, Gespräche auf Augenhöhe, gehört und anerkannt zu werden in Diskussionen, Solidarität unter den Verbänden, gemeinsames Weitergehen in eine Richtung, nämlich hin zu einer geschwisterlichen und geschlechtergerechten Kirche, – all das trägt dazu bei, mit Begeisterung, Elan und Leidenschaft weiterzumachen.
Wenn dann aber ein Schreiben aus Rom alle Bemühungen und Hoffnungen zunichte zu machen scheint, ist das schon wie eine Ohrfeige. Da stelle ich mir wirklich die Frage, wofür wir Frauen unsere Freizeit und unsere Kraft einsetzen. Hat das noch Sinn? Eine synodale Kirche scheint weiter entfernt denn je. Die aktuelle Instruktion aus Rom trägt nicht dazu bei, die derzeitige Krisensituation der katholischen Kirche in Deutschland zu verbessern. Deshalb erwarten wir eine deutliche Unterstützung des Katholikenrats, unseres Bischofs und des Priesterrats in den wichtigen Anliegen der Frauen, um gemeinsam die Frohe Botschaft des Evangeliums in die Welt zu tragen.
Die kfd ist der festen Überzeugung, dass eine wirkliche Erneuerung der Kirche nur gelingt, wenn Frauen alle Dienste und Ämter offenstehen.“
Bettina Faber-Ruffing ist Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) im Bistum Fulda.