"Pro und Contra": Osternacht morgens?

Die richtige Stunde für die Feier

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Seit Jahrhunderten wird darum gestritten: Wann ist die richtige Stunde für die Feier des wichtigsten aller Gottesdienste, der Osternacht? Die einen sagen: Es ist eine Nachtfeier, und die gehört ins Dunkle. Andere wollen Tod und Auferstehung zusammen sehen: vom Dunkel ins Licht. Auch die Redaktion streitet darüber. Johannes Becher ist für den frühen Morgen, Evelyn Schwab mag lieber die Nachtstunden.



Lichtfeier in der Osternacht: Mitfeiernde geben das Licht des Osterfeuers einander weiter.

 

PRO

Papa, gehen wir wieder ganz früh ans Osterfeuer?“ Die Frage meines Sohnes klingt mir noch immer im Ohr. Nur einmal im Jahr fragt er, ob wir zum Gottesdienst gehen: an Ostern. Es ist ganz besonders für ihn, wenn es noch dunkel ist, loszugehen und wenn es schon hell geworden ist, der Mama das Licht der Osterkerze zu bringen.
Aus dem Dunkel ins Licht: Der Junge hat es verstanden. An Ostern feiern wir eben nicht das Sterben und den Tod, sondern dessen Überwindung. Den Tod des Todes. Wo ist dein Stachel? Deshalb feiern wir Auferstehung Jesu. Und die gehört ins helle Licht. „Am frühen Morgen“ laufen die Frauen zum Grab und bringen die Botschaft, dass es leer war. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Halleluja.
In der Liturgie der Kirche feiern wir im Grunde einen dreitägigen Gottesdienst: vom Letzten Abendmahl an Gründonnerstag über das Leiden und Sterben am Karfreitag bis zur Feier der Auferstehung. Und genau dieser Übergang lässt sich mit dem Zeitpunkt des beeindruckendsten aller Gottesdienste deutlich machen: Zu dessen Beginn muss es noch duster sein. Tiefste Nacht. Idealerweise würden in der dunklen Kirche die Lesungen vorgetragen. Dann erst geht es nach draußen: zum Feuer. Die Kerze wird entzündet. Lumen Christi. Jesus Christus, die Lichtgestalt, entzündet reihenweise das Feuer in allen, die mitfeiern: Was für ein Zeichen.
Genauso wichtig aber ist es, dass auch draußen der Morgen kommt. Das Sonnenlicht erhellt den Tag, und der strahlt durch die Fenster ins Kircheninnere.
Lichtfeier. Wasserweihe. Brotbrechen. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“
Das unüberbietbare Zeugnis des Jesus von Nazaret, der vom Tod ins Leben zurückkehrt, ist liturgisch nicht besser zu feiern als am frühen Morgen – mit dem Beginn noch im Dunkel der Nacht und dem Ende im Morgenlicht. Dieses Ritual muss man nicht erklären, es spricht aus sich selbst.

Johannes Becher, Redaktionsleiter

 

CONTRA

Nächtliche Feiern zum Osterfest sind kirchlicher Brauch seit den frühesten Jahrhunderten. Denn im liturgischen Zeitablauf beginnt der neue Tag bereits bei Sonnenuntergang. Gerade die Nacht zwischen Karsamstag und Ostersonntag hat eine besondere Symbolik.
Inhaltlich geht es um den Spannungsbogen von der Dunkelheit zum Licht, vom Tod zum Leben. Die frühe Kirche betonte dabei stets das nächtliche Wachen und Erwarten. Und auch heute gestalten manche Gemeinden sogar die ganze Nacht, beginnend mit der Lichtfeier am späten Abend und endend mit der Eucharistie am frühen Ostermorgen.
Weil die eigentliche Osterfeier eine nächtliche Messe ist, spricht nichts dagegen, sie am späten Abend des Karsamstags stattfinden zu lassen. Die Ostervigil darf nicht vor Einbruch der Dunkelheit beginnen. Sonst geht die Zeichenhaftigkeit der Lichtfeier verloren. Das feierliche Entzünden des Osterfeuers vor der Kirche, das Weiterreichen der Flamme, die Sehnsucht nach einem unvergänglichen Licht, das alle Dunkelheit vertreibt. Die brennende Osterkerze, in Prozession in die dunkle Kirche getragen. Der Wunsch, dass diese Kerze leuchten möge, bis ein Morgenstern aufgeht, der in Ewigkeit nicht untergeht.
Dass die Ostervigil dabei nicht zu den sonst üblichen Zeiten einer Vorabendmesse angesetzt wird, versteht sich von selbst.
Für viele Katholiken ist der Gang zu Lichtfeier, Wortgottesdienst, Taufliturgie und Feier der Eucharistie am späten Abend praktikabler als in der Frühe des Ostermorgens zwischen vier und sechs Uhr – bevor die Morgendämmerung einsetzt. Vor allem für Familien mit Kindern oder alten Menschen erscheint mir dieser Zeitpunkt ungünstig. Aber ganz abgesehen davon spricht mich ein nächtliches Hineingleiten in das Ostergeheimnis eher an als die Feier am frühen Morgen: Ein wachendes Hineinfeiern in dieses besondere Fest.

Evelyn Schwab, Redakteurin

Evelyn Schwab