Leipziger Künstler hat ein neues Altarbild für das Kloster Wechselburg gemalt

Die Sehnsucht nach dem Glauben

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Michael Triegel
Nachweis

Foto: Ruth Weinhold-Heße

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Michael Triegel: Seine Vorbilder sind die Meister der Renaissance

Der Leipziger Maler Michael Triegel hat ein neues Altarbild für das Kloster Wechselburg in Sachsen gestaltet. Das Werk ist der Patronin der Pfarrei, Edith Stein, gewidmet. Damit erinnert der Künstler auch an seinen eigenen Glaubensweg. Ein Werkstattbesuch.

Im Atelier von Michael Triegel in der Leipziger Baumwollspinnerei liegt neben Farben und Leinwänden auch ein Totenschädel als Modell. Sein neuestes Gemälde lehnt an der Wand, mehr als drei Meter hoch – ein neues Altarbild. 

Seine aufwendige Maltechnik nahm sechs Monate Zeit in Anspruch. „Das ist bei der Größe physisch anstrengend, weil ich zuweilen auf der Leiter herumturne. Aber es ist auch psychisch anstrengend, über so eine lange Zeit die Spannung zu halten – bis zur letzten Vogelfeder“, sagt Triegel.

Er ist einer der bekanntesten Maler aus Leipzig. 2010 malte er Papst Benedikt XVI. in altmeisterlicher Tradition. Seine Vorbilder sind die Maler der Renaissance. Trifft man den Künstler, erstaunt seine bescheidene Herzlichkeit. Das Malen sei für ihn Handwerk, ein Beruf, den er von 9 bis 17 Uhr ausübt, sagt er. Die Anfrage, den Edith-Stein-Altar zu gestalten, der am 2. Mai im Kloster Wechselburg geweiht wird, habe ihn sofort begeistert: „Wenn ich male, muss ich vergessen, dass es ein Auftrag ist.“ 

Besonderer Lichteinfall 

Triegel Altarbild Ausschnitt
Der Künstler Michael Triegel und sein Werk. Foto: Ruth Weinhold-Heße 

Detailgetreue Gewänder und zum Greifen nahe Wunden finden sich auch in diesem Bild. Es ist aber vergleichsweise schlicht. Triegel dachte dabei an die Basilika des Klosters aus dem 12. Jahrhundert: „diese reine, strenge, wunderschöne Romanik“, wie er sagt. Er nutzt einen Trick, den er beim römischen Maler Caravaggio abgeschaut hat: Der Lichteinfall im Bild entspricht dem der Apsis, wo es hängen wird. Der Betrachter fühlt sich so als Teil der Szenerie. „Für mich birgt ein Altarbild die Versuchung, es anzubeten. Aber es ist letztlich nur ein Werkzeug, hat eine dienende, liturgische Funktion“, betont er.

Schon sein Marienaltar im Naumburger Dom wirkt versöhnter als frühere Werke, der Edith-Stein-Altar nun strahlt Klarheit aus. Vor tiefem Schwarz setzen sich zwei Menschen leuchtend ab: Edith Stein, mit ihrem Ordensnamen Teresia Benedicta vom Kreuz, die neben dem Judenstern, den sie „fast wie einen Orden trägt“, das Neue Testament an ihr Herz drückt, zeigt auf den Gekreuzigten. Der wiederum löst seine Arme vom wuchtigen Holz und wird zum segnenden Auferstandenen. Auf dem Boden liegen ein Totenschädel und viele zerlesene Bücher; Tod und leeres Wissen sind überwunden. „Sie ist eine Advocata Dei, eine Vermittlerin, mit der wir zusammen vor dem Gekreuzigten stehen und seinen Segen empfangen“, erläutert Triegel.

So real wie möglich

Der Weg ins Vernichtungslager war Edith Steins letzter Gang. „Heilige wie sie sind Menschen, die ein echtes Leben gelebt haben, in ihren Anfechtungen, Zweifeln, Hoffnungen, aber auch in ihrer Stärke, und uns dadurch Vorbild sein können“, sagt der Künstler. „Sie hat die Imitatio Christi wörtlich genommen, ist wirklich den Weg in die Passion gegangen. Sie hat sich der Nachfolge Christi im Leben und im Tod gestellt.“ 

Das Menschliche steht aber im Fokus des Bildes. „Ich wollte sie so real wie möglich darstellen. Das war problematisch, denn sie konnte mir nicht Modell stehen, wie es sonst immer wichtig für meine Arbeiten ist.“ Triegel skizzierte Edith Stein allein von Fotos. Für die Studien zu ihrer Kleidung reiste er zu den Karmelitinnen. Dort stand die Priorin Modell.

Edith Stein, jüdische Philosophin, die sich 1922 katholisch taufen ließ und 1933 dem Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen beitrat, wurde 1942 von den Nationalsozialisten ermordet. „Sie hat uns in der heutigen Zeit sehr viel zu sagen“, sagt Triegel, „gerade als Frau.“

Pater Maurus Kraß, Prior des Wechselburger Benediktinerklosters, gewann Triegel für den Auftrag. Finanziert wird das Altarbild allein durch Spenden. 2020 wurde die Pfarrei Edith Stein gegründet, zu der das Kloster seitdem gehört. Der Prior machte dem Maler keine Vorgaben. Er lobt Triegels Bilder: „Sie zeigen einen erhebenden Realismus, der mich berührt und der sich beim Betrachten nicht erschöpft. Meine Seele wird angeregt, in höhere Dimensionen zu gelangen.“ Er erklärt auch, dass Edith Stein gut in diese säkulare Gegend passe: „Sie ist eine einladende Persönlichkeit, wuchs selbst als säkulare Jüdin auf und fand über Jahre in der Begegnung mit Freunden zum Glauben.“ 

Triegel zieht Vergleiche zum eigenen Glaubensleben: „Ich bin wie sie intellektuell geprägt. Aber sie ist an den Punkt gekommen, dass die reine Rationalität nicht der letzte Schluss sein kann, dass es noch etwas Anderes gibt, ein Geheimnis. Sie setzte sich intensiv mit der Mystik auseinander.“ Triegels Bilder sind figürlich und voller Symbole: So steht der Stieglitz für die Passion, weil er in Dornenhecken nach Nahrung sucht.

Geboren in Erfurt, aufgewachsen in der DDR, war das Christentum für den 56-jährigen Künstler lange nur bürgerliches Bildungsgut. Bach und Raffael prägten ihn, er las „alles, was verboten war“, und sehnte sich danach, glauben zu können. Aber erst nach dem Papst-Portrait, nachdem er sich bei Exerzitien im Alltag intensiv mit seinen Zweifeln auseinandersetze, ließ er sich 2014 taufen. „Meine Zweifel nehme ich inzwischen als Geschenk.“

Ruth Weinhold-Heße