Trauerwand in der Kirche

Dort haben Klage und Hoffnung einen Platz

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Der Verlust eines lieben Angehörigen schmerzt. Mit der Trauer umzugehen, ist oft ein langer Weg. Angebote in Kirchengemeinden können Trauernden helfen, wieder ins Leben zurückzufinden. Aber nicht für jeden ist ein Gesprächskreis das Richtige. Aber vielleicht eine Trauerwand, wie es sie in Nordhorn gibt.


Christina Duhn (l.) und Birgitt Wernicke vor der neuen Trauerwand
in der Nordhorner St.-Josef-Kirche. Foto: Petra Diek-Münchow

Über zwei Meter türmen sich die Blöcke aus Ibbenbürener Sandstein in der Nordhorner St.-Josef-Kirche auf. Aber sie sind nicht extra schick poliert, sondern bewusst aufgemauert mit Lücken und Löchern in den Fugen, mit abgeschlagenen Ecken und rauen Kanten. „Im Leben läuft auch nicht immer alles glatt“, sagt Gemeindereferentin Birgitt Wernicke. „Da gibt es auch Brüche und Abbrüche.“ Leid, Krankheit, Trennung, Streit, Abschiede und vor allem der Tod können solche Bruchstellen schlagen. Davon will die neue Trauerwand in dem katholischen Gotteshaus erzählen – will ein Ort in der Stadt sein, an dem alle Klage und Trauer ihren Platz haben. 

Hier können Angehörige, Freunde, Kollegen und Nachbarn Lichter entzünden und auf die Steine stellen. Können zugleich aufschreiben, was sie gerade bewegt: Fragen und Sorgen, Zweifel und Wut, auch Hoffnung und Dank. Schon jetzt, nur wenige Tage nachdem die vier Quadratmeter große Wand fertig ist, wird das Angebot gut angenommen. Viele Gebetszettel stecken in den Nischen, manche sorgfältig gerollt, andere schnell zusammenfaltet. Ein bisschen wie bei der Klagemauer in Jerusalem.

Über Gebetszettel eine Last loswerden

Wie entlastend es sein kann, seine Gedanken und Gefühle zu notieren, hat Birgitt Wernicke bei ihrer Arbeit oft erfahren. Sie ist ausgebildete Trauerbegleiterin und übernimmt seit einigen Jahren regelmäßig Bestattungsdienste. Außerdem kümmert sie sich schwerpunktmäßig um die Trauerpastoral in Nordhorn und hat seitdem mehrere Projekte dazu gestartet: eine Sprechstunde unter freiem Himmel auf dem Friedhof, einen Kochkurs in der Familienbildungsstätte für Trauernde, die Ausstellung „Ein Koffer für die letzte Reise“ und offene Trauerandachten mit meditativen Texten, Musik und stillen Momenten. 

Vor allem diese Gottesdienste in St. Josef gaben den Anstoß für die neue Trauerwand. Denn eigens für die Andachten hatte sie aus Backsteinen stets eine kleinere Mauer auf- und hinterher wieder abgebaut. Und auch diese kam schon bei den Gästen gut an. „Das war eine unglaublich dichte Erfahrung, über diese Gebetszettel eine Last loszuwerden und mit Hoffnung wieder nach Hause zu gehen“, sagt sie. „Die Klagemauer wurde so zu einer Wand des Lichts.“ Schnell wuchs daher die Idee, aus dem Provisorium eine dauerhafte Lösung zu machen: für die Trauergottesdienste und für Besucher, die allein zu einem stillen Gebet kommen möchten. In Ruhe können sie dazu auf zwei Kirchenbänken vor der Mauer Platz nehmen.

Das Projekt ist nicht nur für St. Josef gedacht, sagt Christina Duhn, die als Mitglied des Pfarrgemeinderates zu der eigens dafür gebildeten Arbeitsgruppe gehört, sondern für die ganze Stadt. Die Kirche soll dabei innerhalb der Nordhorner Stadtpfarrei St. Augustinus einen besonderen inhaltlichen Akzent bekommen, als geistlicher Ort für Trauer und Abschied. Die Kosten dafür hat zum größten Teil das Bonifatiuswerk übernommen, weil die Mauer als innovatives Projekt in der Trauerpastoral gesehen wird. 

Die Trauerwand ist mehr als nur ein Gedenkort

Nach Kenntnis von Wernicke und Duhn gibt es bislang kein vergleichbares Projekt im Bistum. Beide können sich gut vorstellen, dass die Trauerwand mehr als nur ein Gedenkort werden wird. Ausdrücklich laden sie Menschen und Gruppen aus allen Gemeinden und auch anderer Konfessionen ein, den Ort kreativ zu nutzen. Zum Beispiel für Firmlinge, die von einer zu nächsten Kirche wandern, unterwegs Steine für das Schwere und Blüten für die Hoffnung sammeln und dann beides bei der Mauer ablegen. Zum Beispiel für Radgruppen, die bei ihrer Frühlingstour dort Station machen und Andacht halten. Oder auch für Kinderkreuzwege, Schulklassen, Friedensgebete, Allerseelen. 

Und auch für die Zettel in der Wand haben die zwei Frauen schon Ideen, denn die sollen nicht einfach irgendwo verschwinden. Sondern als Fürbitte in die Messe eingebracht oder an Aschermittwoch verbrannt werden. 

Petra Diek-Münchow

Die Trauerwand in der Nordhorner St.-Josef-Kirche wird am Samstag, 29. Februar, während der Vorabendmesse um 17 Uhr gesegnet.

Im aktuellen Kirchenboten stellen wir weitere Projekte der Trauerarbeit vor. Außerdem erklärt Trauerbegleiterin Birgitt Wernicke im Interview, warum gute Trauerarbeit so wichtig ist.