Sibylle Brechtel gibt Bogenschießkurse für Führungskräfte
Durch Bogenschießen achtsam werden
Sie weiß, was schlechte Führung bedeutet: Sibylle Brechtel hat sie in einem Angestelltenverhältnis selbst erlebt. Seit 2008 ist sie selbstständig. Als
Gesundheitscoach. Mit intuitivem Bogenschießen will sie Führungskräften vermitteln, achtsam zu sein – sich selbst, aber auch anderen gegenüber. Von Heike Kaiser
Erst geht er ein wenig auf Distanz. Auf den kritisch-abwägenden Blick folgt jedoch bald ein langgezogenes, aber durchaus freundliches „Miau“: Der grau getigerte Kater Felix begrüßt mich neugierig, als ich sein Frauchen Sibylle Brechtel in den Wintergarten ihres Hauses begleite.
Die schlanke blonde Frau wirkt selbstbewusst, ruhig, ausgeglichen, offen. Sie hat sich vor elf Jahren in Diez bei Limburg als Gesundheitscoach selbstständig gemacht, arbeitet mit der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) zusammen, gehört dem Bund Katholischer Unternehmer (BKU) an, hält Vorträge und Seminare für Führungskräfte – und ist Diözesanvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) im Bistum Limburg. Werte vermitteln, mehr Achtsamkeit sich selbst, aber auch anderen gegenüber einüben, dem Ausgebranntsein vorbeugen. Eine nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung bewirken. Wertschätzung ausdrücken: Das sind ihre Leidenschaften.
Nicht das Ziel treffen, sondern den Weg finden
Dafür setzt Sibylle Brechtel eine ungewöhnliche Methode ein: das intuitive Bogenschießen. „Es geht weniger darum, dass der Pfeil das Ziel trifft, sondern dass der Mensch seinen Weg findet“, erläutert die zweifache Großmutter und Mutter von zwei Kindern. „Beim intuitiven Bogenschießen braucht der Mensch alles, was er als gute Führungskraft auch haben muss: eine gute Haltung, einen festen Stand, ein klares Ziel vor Augen – doch dann darf er das Loslassen nicht vergessen.“ Beim Bogenschießen, erläutert Sibylle Brechtel, „agiere ich ohne Visiervorrichtung, habe beide Augen offen, meine Körperhaltung ist anders als gewöhnlich. Ich bin nur auf mich selbst konzentriert und habe nicht im Sinn: ,Ich muss noch besser werden als derjenige, der wie ich versucht, den goldenen Punkt zu treffen.‘“ Das Bogenschießen, erklärt sie, „verbindet Intellekt und Körperwahrnehmung“.
Bevor es jedoch an Pfeil und Bogen geht, arbeitet Brechtel zusammen mit ihren Seminarteilnehmern Themen auf, die zur Wertevermittlung nötig sind: „Welche Haltung ist maßgeblich, um als authentische Führungskraft wahrgenommen zu werden? Wie drücke ich meine eigenen Werte aus? Wer bin ich, wie stelle ich mich selbst dar? Das schlägt sich in der Unternehmenskultur nieder“, ist Brechtel überzeugt.
Eine ihrer Maximen lautet: „Jede Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt.“ Sie ist heute froh, diesen „ersten Schritt“ gewagt zu haben – in die Selbstständigkeit. „Mir haben sich seitdem neue Welten eröffnet, ich erlebe die Fülle des Lebens und lerne viele neue und interessante Menschen kennen.“
Ihr letztes Angestelltenverhältnis bezeichnet Brechtel als „frustrierend“. Sie fühlte sich „wie im Hamsterrad, durch innerbetriebliche Umstände gingen Wertschätzung und damit der Sinn der Arbeit verloren“, berichtet sie. „Also habe ich angefangen, mich vielfältig fortzubilden.“ Freimütig bekennt Sibylle Brechtel, selbst auf dem Weg in den Burn-out gewesen zu sein. „Heute bin ich pumperlgesund und brauche keinerlei Tabletten gegen zu hohen Blutdruck.“
Was wären Pfarreien ohne die Frauen?
Eine weitere Lebensmaxime von ihr lautet: „Leben heißt, sich verändern und entwickeln.“ Das erfährt sie zum Beispiel in der kfd. Sibylle Brechtel ist – ehrenamtlich – deren Diözesanvorsitzende im Bistum Limburg. Die Katholikin steht kirchlichen Strukturen und Haltungen oft kritisch gegenüber – etwa in der Frage des Frauenpriestertums, beim Thema Ökumene oder im Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen. Deswegen möchte sie mit dem Frauenverband Ideen und Aufbrüche in der Kirche mitgestalten. „Denn wie sollen Pfarreien am Leben gehalten werden ohne Frauen?“
Ihr persönlicher Glaube, sagt Sibylle Brechtel, „ist das Grundfundament für meine Werte, dafür, wie ich mit anderen Menschen und meinem Beruf umgehe. Richtlinie für das, was geht und was nicht.“ Vor allem Respekt und Wertschätzung gehören dazu. „Ich muss nicht mit den Einstellungen von anderen einverstanden sein, aber ich muss den anderen respektieren – und dessen Lebenserfahrung.“
Mit dieser Haltung will sie auch auf ihre beiden sieben- und elfjährigen Enkelkinder einwirken, die jeden Donnerstagnachmittag bei ihrer Oma und ihrem Opa verbringen. Am liebsten im „Erlebnisgarten“ hinter dem Haus mit dem großen Teich, den vielen Bäumen und bunten Pflanzen. In dieses Paradies ist vermutlich auch Kater Felix verschwunden. Als ich mich von ihm verabschieden will, ist er jedenfalls nirgends zu sehen ...
ZUR SACHE: Brennen, ohne auszubrennen
Sibylle Brechtel arbeitete 30 Jahre in verschiedenen Funktionen im Gesundheitsbereich. Seit 2008 ist sie unter anderem Trainerin „Gesund führen – sich und andere“, Trainerin „Achtsamkeit am Arbeitsplatz“, Trainerin „Intuitives Bogenschießen für Training, Therapie und Coaching“ und Business-Coach (DBVC).
Das Seminar „Führen mit dem Bogen: Intuitives Bogenschießen und Achtsamkeit“ führt Sibylle Brechtel regelmäßig als offenes und firmeninternes Seminar durch. Es bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich intensiv mit ihrer Rolle als Führungskraft zu befassen und das Thema Achtsamkeit bei der Selbstund Mitarbeiterführung zu entdecken. Sie erarbeiten Strategien, um dafür zu sorgen, dass sie auch künftig noch für ihren Job „brennen, ohne auszubrennen“.
„In der modernen Arbeitswelt befinden sich viele Mitarbeiter und ihre Führungskräfte sozusagen im Dauerstress. Das heißt, auf eine gezielte Anspannung folgt keine angemessene Entspannung“, sagt Sibylle Brechtel. „Das führt zu Erkrankungen und Leistungseinbußen.“ Solchen Entwicklungen könne jedoch vorgebeugt werden – zum Beispiel mit Hilfe eines Bogenschießtrainings, „bei dem die Teilnehmer den Prozess des Sich-Anspannens und Sich-Entspannens reflektieren“.
Eine Trendstudie der Techniker Krankenkasse vor zwei Jahren hat ergeben, dass Führungskräften eine zentrale Rolle bei der betrieblichen Gesundheitsförderung zugeschrieben wird. „In fünf Jahren wird das Thema ,Gesund führen‘ für den Unternehmenserfolg noch wichtiger sein“, ist Sibylle Brechtel überzeugt. Deshalb sollten Führungskräften Strategien, Methoden und Techniken vermittelt werden, wie sie ihre eigene Gesundheit und Leistungskraft sowie die ihrer Mitarbeiter bewahren können. „Führen kann nur, wer sich selbst führt“, sagt Brechtel. „Eine Kompetenz, die man entwickeln und trainieren kann, indem man das eigene Tun und Verhalten reflektiert und sich gezielt mit den eigenen Stärken und Schwächen befasst.“ (kai)
Die nächsten Seminartermine: 16. August, 9 bis 17 Uhr, Kloster Gnadenthal Hünfelden; 7. September, 9 bis 17 Uhr, Forum Vincenz Pallotti, Vallendar/ Koblenz. Ab Herbst wird sie ihr Angebot der Bogen-Präsenz-Seminare nach einer Ausbildung zum Leading Simple Coach (die Ausbildung zum Menschenentwickler) um Onlineseminare erweitern. Informationen/Kontakt: www.brechtel-gesundheitscoaching.de