Impuls zum Sonntagsevangelium am 10. September 2023

 Ein billiger Trost?

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Mirjam Baumgarten und Theresia Fuhrmann
Nachweis

Foto: Christof Haverkamp 

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Wenn Mirjam Baumgarten (links) und Theresia Fuhrmann zusammen beten, merken sie, dass noch einer dazwischen ist.

Je leerer die Kirchen werden, desto lieber wird der Satz Jesu zitiert: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind ...“ Für zwei Frauen aus Bremen ist der Satz Lebenskonzept – und auch Mahnung in der Gemeindearbeit.

In diesem Jahr haben die Erzieherin Theresia Fuhrmann und die Gemeindereferentin Mirjam Baumgarten in ihrer Gemeinde St. Josef in Bremen zu Ostern ein besonderes Angebot gemacht. Sie feierten eine Ostervigil, in der alle neun Lesungen der Osternacht gelesen wurden. „Wir haben gedacht: Wenn da zwei oder drei kommen, dann reicht uns das“, sagt Fuhrmann. Tatsächlich kamen 17 Männer und Frauen, die gemeinsam drei Stunden lang beteten, sangen und das Geheimnis der Osternacht erlebten. „Es war eine wunderschöne und berührende Feier“, sagt Baumgarten.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“, so heißt es im Evangelium an diesem Sonntag. Ein Satz Jesu, der Trost spendet: Es braucht keine Massen an Teilnehmern, um die Gegenwart Gottes zu erfahren. Zwei oder drei sind schon genug.

Es frustriert, wenn nur wenige kommen

Jeder merkt es: In den vergangenen Jahren, vor allem seit der Corona-Zeit, werden die Kirchen immer leerer. Am Sonntag zum Gottesdienst sitzen vielleicht nur noch 50 Gläubige dort, wo früher 500 die Bänke füllten. Auch Vorträge, Gebetskreise und Gesprächsangebote, die liebevoll und zeitaufwendig vorbereitet wurden, locken nur noch wenige in die Pfarrsäle. „Ach, du weißt doch, wo zwei oder drei“, sagen sich dann die Organisatoren. Verkommt Jesu Satz vielleicht zum billigen Trost?

Theresia Fuhrmann und Mirjam Baumgarten haben so etwas noch nicht erlebt, immer kamen mehr als zwei oder drei. „Aber natürlich kennen wir die Situation“, sagt Fuhrmann. Und natürlich sei es frustrierend, wenn Angebote oder Gottesdienstfeiern nicht angenommen würden. 

„Es ist die Arbeit tausendmal wert“

Für sie ist der Umgang mit dem Satz Jesu aber eine Frage der Einstellung. „Für jeden Einzelnen, der kommt, lohnt es sich, einen Gottesdienst oder ein Gebet anzubieten“, sagt Fuhrmann. Denn von außen könne man gar nicht ermessen, was die Aktion bei den wenigen, die da sind, bewirkt. „Wenn ein biblisches Wort an diesem Abend ins Herz wächst, wenn es nur einen stärkt oder jemand eine neue Erkenntnis gewinnt, dann ist es die Arbeit tausendmal wert“, sagt Fuhrmann.

Auf der anderen Seite rät Baumgarten auch zu Selbstkritik: Wenn ein Kurs, ein Vortrag oder ein Abend kaum Leute anlockt, sollten die Organisatoren auch überlegen, ob das Angebot passend ist. Was wünschen sich die Menschen? Brauchen sie etwas anderes? „Diese Fragen stellen wir uns auch immer wieder. Da muss man sich auf die Suche machen und genau hinhören“, sagt Baumgarten. 

Die beiden Frauen haben das getan. Sie fragten etwa die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihres Bibelkreises, warum sie so selten im Gemeindegottesdienst sind, was ihnen dort fehlt und was sie sich wünschen. „Sie sagten uns: Wir wollen im Gespräch miteinander sein, wir wollen uns persönlich einbringen, wir wollen unseren Raum haben. Darauf versuchen wir mit unseren Angeboten einzugehen“, sagt Baumgarten. Mitmachen, mitreden, mitdenken statt (fast) nur zuhören.

Bei der Ostervigil in diesem Jahr begrüßten sie die Männer und Frauen persönlich. Als jemand zur Toilette musste, legten sie eine Pause ein, hielten kurz Stille und machten dann gemeinsam weiter. „Jeder hat gespürt: Es ist gut, dass ich da bin. Ich sitze hier nicht anonym, sondern ich bin mit meinem Namen und meinem Leben hier und werde von den anderen und von Gott gesehen“, sagt Fuhrmann. Das sei für viele eine neue und wohltuende Erfahrung.

Wo zwei oder drei – das erleben Fuhrmann und Baumgarten aber nicht nur in ihrer Gemeinde, sondern auch privat. Beide waren viele Jahre Ordensfrauen, ehe sie sich unabhängig voneinander zum Austritt entschieden. Gemeinsam gingen sie nach Bremen und leben dort in einem kleinen Reihenhaus. „Wir wollten aber nicht irgendwie in der Welt sein. Uns war wichtig, unsere Verbundenheit mit Gott und unsere Christusbeziehung weiterzuleben“, sagt Fuhrmann. Und das ginge ihrer Erfahrung nach kaum alleine. „Dafür braucht man Gemeinschaft“, sagt sie. 

Der Satz Jesu von den zweien oder dreien sei ein Sinnbild dafür. „Unsere Beziehung zu Jesus verbindet uns nicht nur mit ihm, sondern auch untereinander“, sagt Baumgarten. „Christus steht an erster Stelle. Alles andere ordnet sich in seiner Wertigkeit dann ganz von allein, meistens“, ergänzt Fuhrmann. Sie sind sich ganz sicher: „Der Herrgott ist bei uns konkret anwesend.“

Gemeinsames Beten gibt Kraft für den Alltag

Daraus ziehen die beiden Kraft für ihren Alltag – und für ihren Glauben. Mindestens einmal am Tag beten die früheren Benediktinerinnen gemeinsam. Am Abend kommen sie zusammen und danken Gott für den Tag, für das, was sie erlebt haben, und für die Begegnungen mit anderen Menschen. Und sie bringen Gedanken aus der Regel des heiligen Benedikt in ihr Leben ein, die ihnen nach wie vor viel bedeutet. 

Für Fuhrmann ist etwa eine Stelle aus dem Cellerar-Kapitel wichtig, wo es heißt, der Cellerar möge dem Mönch, wenn er nichts anderes zu geben habe, doch wenigstens ein gutes Wort schenken. „Das versuche ich, in meinem Leben zu beherzigen. Bei meiner Arbeit als Erzieherin spüre ich immer wieder, dass die Menschen nicht immer etwas Materielles brauchen. Ein gutes Wort ist für sie aber manchmal selten geworden“, sagt Fuhrmann.

Diese Haltung wirkt. Wenn Freunde zu Besuch sind, sagen sie oft, in ihrem Haus herrsche eine besondere Atmosphäre, es sei so ruhig und friedlich. „Die Menschen spüren, dass ihnen das guttut“, sagt Baumgarten. „Und diese Ruhe kann nur aus dem Glauben kommen. Und aus der Sicherheit, die unsere kleine Gemeinschaft uns gibt.“ Schließlich ist immer noch jemand dabei.

Kerstin Ostendorf