Fritz Paul dokumentierte 30 Jahre das Leben im Lager Friedland

Ein Fotograf der Hoffnung

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Verzweiflung, Hoffnung und Zuversicht. 30 Jahre lang dokumentierte Fritz Paul das Leben im Lager Friedland bei Göttingen. Sein Nachlass wurde jetzt dem Museum übergeben. Zwei Aktenordner mit Negativen – eine Schatzkiste.


An einer Bretterwand hängen Bilder des Suchdienstes von
vermissten Kindern. Ein Dokument der Zeitgeschichte von Fritz Paul.

Es gibt Menschen, die lassen sich am besten charakterisieren über eine Anekdote. Hier ist so eine: Fritz Paul war gut befreundet mit dem Nobelpreisträger Otto Hahn. Der Zufall wollte es, dass beide gleichzeitig in einem Göttinger Krankenhaus lagen. Fritz Paul wurde ein paar Tage eher wieder gesund nach Hause geschickt. Jeden Morgen machte er sich auf den Weg in die Klinik, und bevor er sich ans Krankenbett von Otto Hahn setzte, zog er sich einen Bademantel über. Der Freund sollte nicht merken, dass er selbst längst entlassen worden war.

Diese Geschichte über seinen Vater erzählte Christian Paul auf die Frage: Was für ein Mensch war dieser Fotograf aus Göttingen eigentlich, der ab 1946 rund 30 Jahre lang das Leben im Durchgangslager Friedland dokumentiert hat? Jetzt übergab der Sohn das Archiv an das Museum des Lagers: zwei dicke Ordner mit Negativstreifen.

 


Mit Hoffnung in den Gesichtern kommt ein Bus mit
polnischen Spätaussiedlern im Grenzdurchgangslager
an. Fritz Paul hielt den Moment fest.

Ein Fotograf mit großem Mitgefühl

Mitfühlend, heute würden wir sagen: empathisch – so begegnete Fritz Paul den Menschen, die vom Schicksal des Krieges und der Nachkriegszeit mit mehr Hoffnungen als Gepäck in die Baracken zogen, um von hier aus einen neuen Schritt ins Leben zu gehen: entlassene Kriegsgefangene, Flüchtlinge, Vertriebene, verlassene Kinder, später Aussiedler. Als Deutschland sich in der Normalität einrichtete, kamen sie immer noch zu Tausenden.

Viele hat Fritz Paul fotografiert. Ausgemergelte Gesichter, hoffnungsvolle Augen vor den Wänden mit den Suchlisten, das erste Lächeln über ein warmes Essen, die Enttäuschung über das wieder vergebliche Warten am Bahnhof.  All das verbirgt sich zwischen den Deckeln der beiden Ordner.

 


Mit der Leica in der Hand und
Mitgefühl im Herzen dokumentierte
Fritz Paul das Leben in Friedland.

Chronist des Lager-Alltags

Als Fotograf war Paul, der vor wenigen Tagen hundert Jahre alt geworden wäre, sehr gefragt: Die großen Nachrichtenagenturen schickten ihn ebenso auf Termine wie die örtliche Tageszeitung. Aber immer wieder machte er sich auf den Weg von Göttingen nach Friedland. Dort kannte man den Herrn im Lodenmantel, mit Filzhut und ständig einsatzbereiter Leica. Nicht auf Sensationsbilder war er aus, mit Taktgefühl trat er den Menschen gegenüber, die er ablichtete. Er selbst war aus sowjetischer Gefangenschaft geflüchtet und hatte eine Ahnung davon, was sie hinter sich hatten.
 


Christian Paul übergibt das Archiv seines Vaters an
das Museum Friedland.

Ursprünglich war er beauftragt worden, Passbilder für den Suchdienst zu reproduzieren. Doch bald und für viele Jahre wurde er zum Chronisten des Lagerlebens, hielt den Alltag fest und die großen Ereignisse wie zum Beispiel den Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer, die „Heimkehr der Zehntausend“ 1955 und im gleichen Jahr die Weihe der St. Norbert-Kirche.

„Wahrhaftigkeit und Solidarität zeichnen Fritz Paul und sein Werk aus“, würdigte Museumsleiter Klaus Engemann die Übergabe des Foto-Nachlasses. „Für uns ist es ein großer Schatz, den wir in den nächsten Jahren heben und für unsere Besucher zugänglich machen werden.“

Das Museum im Bahnhof Friedland ist geöffnet mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Informationen im Internet: museum-friedland.de

Stefan Branahl