Osnabrückerin übersetzt Bibel in Leichte Sprache

Ein Halleluja, das alle verstehen

Eine Frau steht vor einem großen Whiteboard. Darauf steht, von Hand geschrieben, der Inhalt des Psalms 113. Links das Original und rechts schreibt die Frau gerade die Übersetzung an die Tafel. In Leichter Sprache.

Foto: Johannes Hörnemann/Offizialat Vechta

Aus schwer macht sie leicht: Sonja Hillebrand übersetzt Psalmen in Leichte Sprache. Das ist eine Sprache, die barrierefrei ist und die Bibel so für alle erfahrbar machen kann.

Heute wird bundesweit auf das Recht auf verständliche Sprache aufmerksam gemacht. Warum das auch für die Bibel gilt – und wie Psalmen in Leichte Sprache übersetzt werden: Drei Frauen erzählen, wie Worte Zugang ermöglichen können. Warum das gar nicht so einfach ist, weiß vor allem die Osnabrücker Theologin Sonja Hillebrand.

Bis heute wurde die Bibel in etwa 760 Sprachen übersetzt. Mehr als sechs Milliarden Menschen können sie also in ihrer Muttersprache lesen – darunter viele, die die Heilige Schrift trotzdem nicht verstehen. 

Lara Mayer vom Katholischen Bibelwerk e.V. (Foto: Privat)

„Halleluja, lobt ihr Knechte des Herrn, lobt den Namen des Herrn“ – fordern die ersten Verse aus Psalm 113 seine Lesenden auf. Für die einen mag die Bedeutung klar sein, für andere nicht. Wer geistig beeinträchtigt ist, Probleme mit dem Lese- und Hörverstehen hat, Deutsch gerade erst lernt oder etwa an Demenz erkrankt ist – für sie sind die komplizierten Texte in der Bibel oft unverständlich. Die Lösung? Besondere Übersetzungen. Bibel, aber barrierefrei: Psalmen in Leichter Sprache.

Und genau darum soll es auch bei einem Online-Workshop von Lara Mayer gehen. Sie kennt sich aus, arbeitet beim Katholischen Bibelwerk e.V., ist dort zuständig für Leichte Sprache – genauer: für das Alte Testament, nur eben in verständlicherer Form als die meisten es kennen.

Wie ein abgesenkter Bordstein für Rollstühle – nur eben als Text. 

Aber was genau ist das, Leichte Sprache? „Einfache, klare Sätze mit übersichtlichem Schriftbild“, erklärt Lara Mayer. Interessant dabei: Leichte Sprache ist nicht am Schreibtisch von Wissenschaftlern entstanden, sondern aus der Praxis. Menschen, die mehr Teilhabe forderten, haben sie aktiv mitentwickelt. 

Selbstständigkeit und Zugang. Das sind die Stichworte, um die sich bei Leichter Sprache alles dreht. „Wie oft“, fragt Mayer in die virtuelle Runde, „denken wir beim Thema Barrierefreiheit an Sprache?“. Rampen, Aufzüge, Blindenschrift – alles nichts neues, alles richtig. Wichtig, doch selten mitgedacht: Die Leichte Sprache. Sie sei wie ein abgesenkter Bordstein für Rollstühle – nur eben als Text. 

„Eine absolute Expertin“ sei unter den Teilnehmenden des Workshops, sagt Mayer und meint damit die Osnabrückerin Sonja Hillebrand, die nun auf dem Bildschirm zu sehen ist. Die Theologin wiegelt ab: Als „absolute Expertin“ sehe sie sich nicht, da müsse sie „tiefer stapeln“. Dabei beschäftigt Hillebrand sich seit acht Jahren mit dem Thema. Im Februar hat sie ihre Doktorarbeit zu Psalmen in Leicht abgeschlossen. 

Ein Computerbildschirm mit einer PowerPoint-Folie. Darauf sind die zehn Gebote zu sehen, wie sie in Leichter Sprache lauten: In den 10 Geboten sagt Gott zu den Menschen: Du darfst an 6 Tagen arbeiten. Aber am 7. Tag darfst du nicht arbeiten. Der 7. Tag ist ein Ruhe.tag. Der Ruhe.Tag heißt Sabbat ...
So gehen die Zehn Gebote, wenn sie in Leichter Sprache verfasst werden. Auch das lernen die Teilnehmenden während des Online-Workshops von Lara Mayer, in dem auch Sonja Hillebrand zur Psalmen-Übersetzung erzählt. (Foto: Lisa Discher)

 

„Ich finde Psalmen generell einfach unheimlich toll.“ Für jede Lebenslage, sagt Hillebrand, gebe es einen passenden Psalm. Doch nicht jeder können die so einfach verstehen. Warum „der Herr ein Hirte“ sei, fragen sich diejenigen, denen es schwer fällt, Metaphern in der Sprache zu entziffern, die  Bedeutung von Bildsprache zu erkennen.

Die Macht der Übersetzerin

Sonja Hillebrand weiß um die Herausforderungen: „Die Bibel ist zwischen 2000 und 3000 Jahre alt.“ Ihre Vielschichtigkeit, gerade bei bildhafter Sprache, wie es bei den Psalmen etwa der Fall sei – die sei nicht gerade leicht zu übersetzen. Die Sprache der Bibel sei eine sehr alte, könne abschreckend sein. „Aber wir müssen unsere Sprache den Menschen anpassen.“ Dazu gehöre auch, tausend Jahre alte Texte heute und für alle verständlich zu formulieren; Kompliziertes zu vereinfachen.

„Übersetzen heißt immer auch interpretieren, auswählen und kürzen“, sagt sie. „Aber das kennt man bereits aus der Liturgie.“ Schließlich würden selbst im Gotteslob Texte gekürzt, um die Aussage zu schärfen, sie besser verständlich zu machen. 

Wir müssen Wege finden, diese Botschaft so zu vermitteln, dass sie wieder und für alle verständlich ist.

„Kirche ist noch stark in der Tradition und damit in traditioneller Sprache verhaftet“, sagt Hillebrand. Doch diese schöne Botschaft, die in der Bibel und ihren Psalmen stecke – die wolle die Theologin dennoch vermitteln. Allen. Diese Mühen, sagt sie, die fehlten noch in der Kirche. Und das, obwohl Sprache doch verändert werden könne, ohne dass ihr Sinn und die eigentliche Botschaft verfälscht werde. „Wir müssen Wege finden, diese Botschaft so zu vermitteln, dass sie wieder und für alle verständlich ist.“ 

Sonja Hillebrand (Foto: Johannes Hörnemann/Offizialat Vechta)

Doch wie entscheidet die Theologin, was im Text bleibt – und was weggelassen wird? Hillebrand erklärt: „Ich schaue auf die Zielsituation und meine Zielgruppe.“

Sie will, dass eine bestimmte Aussage eines bestimmten Psalms klar wird. So wird aus „Halleluja, lobt ihr Knechte des Herrn“ ein „Ich lobe Gott, ich singe Halleluja.“ Was stört, lässt Hillebrand weg. 

Damit gehe auch eine gewisse Macht einher, gibt Hillebrand zu. Was sie an Leichter Sprache besonders fasziniert? „Ich kann mich nicht hinter Phrasen oder Worthülsen verstecken. Ich muss auf den Punkt kommen.“ 
 

Ein Recht auf Verständnis

Im Online-Workshop wird schnell klar: Die Bibel in Leichte Sprache zu übersetzen, ist eine Herausforderung. Gerade, wenn es um die Psalmen geht. Diese poetischen Verse fordern auch die, die bereits viel Erfahrung mit dem Thema gemacht haben. 

Jill Heuer zum Beispiel. Sie ist Referentin für inklusive Seelsorge, arbeitet bei der Deutschen Bischofskonferenz. „Im Neuen Testament geht das Übersetzen noch gut – viele Geschichten über Jesus lassen sich gut nacherzählen“, sagt sie. „Aber bei den Psalmen hatte ich noch viele Fragezeichen.“ Darum hat auch sie sich zum Workshop von Lara Mayer angemeldet. 

 Bei den Psalmen hatte ich noch viele Fragezeichen.

Jill Heuer kam schon im Studium mit Leichter Sprache in Berührung. Ihre Motivation: „Ich bin überzeugte Christin und möchte allen Menschen von Jesus so erzählen können, dass sie es auch verstehen.“ Auch denen, sagt sie, die wenig über Bibel, Glaube und Kirche wüssten oder Probleme beim Lesen und Verstehen von schweren Texten hätten. Für Heuer ist Leichte Sprache ein Weg, mehr Menschen zu erreichen. 

Gleichzeitig sei Leichte Sprache nur ein Teil eines größeren Ganzen. „Sie ist wichtig für Inklusion, aber nicht allein ausreichend.“ Das Thema generell müsse sichtbarer sein. Denn, so sagt Heuer, die Behindertenrechtsbewegung gebe es seit Jahrzehnten. „Und seit Jahrzehnten macht sie auf Barrieren aufmerksam.“ Doch noch immer gibt es zu viele, bis hinein in die schwer verständliche Sprache der biblischen Psalmen.

Wer meine, Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen seien, könnten doch einfach zur Kinderbibel greifen, der verkenne Wichtiges, so Heuer. Schließlich geht um mehr als nur komplexe Bilder in einfache umzuwandeln. Es geht um Gerechtigkeit, das Recht auf Verständnis und einen Zugang zum Wort Gottes. Für alle.

Lisa Discher
Zur Person

Sonja Hillebrand (44) lebt in Osnabrück und ist Theologin im Bischöflichen Offizialat Vechta, das die Publikation Ihrer Doktorarbeit finanziell unterstützt. 
Ihre Arbeit erscheint Dezember 2025 als Buch unter dem Titel: „Ist Gott größer als der Himmel? Die Herausforderung einer Psalmenübersetzung in Leichte Sprache am Beispiel von Ps 113“ beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. 

 

Bibel in Leichter Sprache

Wer sich für Altes Testament und Evangelium in Leichter Sprache interessiert, findet über die Seite des Katholischen Bibelwerks e.V. weitere Informationen.

Kontakt
Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart

Tel: +49 711 61920 50
Mail: bibelinfo@bibelwerk.de