Wie feiern Christen den Sonntag?
Ein idealer Sonntag
Der Sabbat soll heilig gehalten werden, so heißt es in der Lesung an diesem Sonntag. Doch was heißt das eigentlich konkret? Wir haben bei vier Christen nachgefragt, ob und wie sie den Sonntag feiern.
Friedrich von Jagwitz, Theologe & IT-Spezialist
Es war im Theologiestudium, als Friedrich von Jagwitz zum ersten Mal über die Sonntagsruhe stolperte. Wegen des Studiums las er in der Bibel und stieß auf Stellen, in denen ein Prophet die Geschäfte kritisierte, die das Volk am Sabbat tätigte. Immer durch den Zusatz verstärkt: „So spricht Gott!“ Dazu kam, dass er ein Schreiben von Papst Johannes Paul II. entdeckte, in dem der erklärte, wie er sich den Sonntag vorstellte: Der Tag sei dazu da, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen und nicht zu tun, womit man sich in der Woche beschäftigt.
Für den jungen Theologiestudenten bedeutete das, am Sonntag kein theologisches Buch in die Hand zu nehmen, aber auch keine Geschäfte im Internet zu machen – bis dahin eine bevorzugte Beschäftigung in der freien Sonntagszeit. „Ich habe damals gemerkt, dass sich mein Herz viel zu sehr diesen Geschäften zuwendet“, sagt von Jagwitz.
Inzwischen ist der 37-Jährige verheiratet und Vater von drei Kindern. Er ist in der IT-Branche tätig. Sonntagsarbeit? „Ist zum Glück nicht zwingend erforderlich“, sagt er. Konsequent legt er Diensthandy und Laptop spätestens am Samstagabend zur Seite und holt beides erst Montagmorgen wieder hervor. Konsequent verzichtet er weiterhin auf Internetgeschäfte und geht auch keine Brötchen holen. Selbst beim Auto sieht er zu, dass der Tank möglichst schon Samstag gefüllt wird.
Erstes Ziel am Sonntag ist für ihn die Feier der Messe mit Frau und Kindern. Dann möchte er – der unter der Woche beruflich oft unterwegs ist – Zeit für seine Familie haben, möglichst auch den Kochlöffel schwingen. Grundsätzlich ist die Familie mit der Einstellung zum Sonntag einverstanden – nur bei den Brötchen gehen die Meinungen manchmal auseinander.
Von Matthias Petersen
Marco Rocco, Leiter Kath. Fachstelle
Zeit ist für Marco Rocco aus Montabaur ein wesentlicher Faktor, den Sabbat zu heiligen. „Dank unseres christlich-jüdischen Erbes ist dieser freie Tag – anders als in anderen Kulturen – für uns eine Selbstverständlichkeit“, sagt der 32-Jährige. „An diesem Tag nehme ich mir Zeit für meine Familie, meine Frau und unsere drei kleinen Kinder (sechs, vier und ein Jahr alt), für Freunde und Besuch.“
„An jedem Sonntag werden wir an Ostern erinnert, und deswegen tun wir an diesem Tag viele Dinge im Feiercharakter“, betont der Leiter der Katholischen Fachstelle für Jugendarbeit Westerwald/Rhein-Lahn. Der Sonntag ist für Marco Rocco „ein Tag, an dem ich bewusst sehr gerne früh aufstehe, um den Charme des Morgens zu erleben und den Tag voll auszuschöpfen“.
„Kirche und Theologen sagen, wir sollen uns am Sonntag Zeit nehmen für Gott. Ich würde das Ganze gern umdrehen: Am Sonntag, am Sabbat, will sich Gott für mich Zeit nehmen. Da ist Gott der Schenker, das ist ein Perspektivwechsel. Und ich möchte etwas Gutes dazu beitragen. Wenn sich der Sonntag für mich gut anfühlt, dann ist das auch ein Zeichen für eine gute Gottes- und Menschenbeziehung.“
Den Sonntag heiligen – dazu gehört für Marco Rocco, das Handy auszuschalten, nicht in den sozialen Medien zu chatten und keine Konflikte zu lösen. „Dazu ist am Montag immer noch Zeit.“
Von Heike Kaiser
Jan Zantoph, Rettungssanitäter
Verletzte und Tote sieht Jan Zantoph jeden Tag. Da spielt es keine Rolle, ob es Sonntag ist. Der 27-Jährige fährt für die Hildesheimer Malteser Rettungswagen. Ein Knochenjob, bei dem man nicht auf die Uhr schauen darf. Gestern wäre die Spätschicht eigentlich um halb zehn zu Ende gewesen, zu Hause war er kurz vor Mitternacht, sagt er.
Seit Jan Zantoph arbeitet, ist der Sonntag für ihn ein gewöhnlicher Arbeitstag. Schichtdienst als Rettungssanitäter. Den Sonntag heiligen? Zwischen Blaulicht und Erstversorgung kommen solche Gedanken gar nicht erst.
In die Kirche geht Jan Zantoph regelmäßig. Aus persönlichen Gründen das letzte Mal zu seiner Konfirmation, heute, weil er in seiner Freizeit ehrenamtlich für die Malteser im Einsatz ist und den Sanitätsdienst für besondere Gottesdienste übernimmt.
Den Sonntag heiligen? Nein, sagt der Malteser. Fast ist er von der Frage überrascht. Ein freier Sonntag ist für ihn Ausschlafen, ein gemütliches Frühstück oder ein Spaziergang mit der Freundin. Sonntag ist für ihn zuerst: nicht arbeiten, ein Tag ohne Herzinfarkt oder Verkehrsunfall, ohne das Leiden anderer Menschen.
Jan Zantoph geht auf in seinem Beruf. Wer sich mit ihm unterhält, kann das spüren. Er kümmert sich um andere Menschen. In seiner Freizeit setzt er sich für Flüchtlinge ein und erfüllt Sterbenskranken den letzten Wunsch. Jeden Tag. Auch sonntags.
Von Stefan Branahl
Gottfried Schubert, Grundschulrektor i.R.
Dahlien einpflanzen wie an diesem Donnerstag – an einem Sonntag? Nein, das ist für Gottfried Schubert tabu, genauso Rasenmähen oder Autowaschen. „Der Sonntag ist doch etwas ganz Besonderes. Er hebt sich vom Alltag ab“, erzählt der 79-Jährige. Das bedeutet: häusliche Tätigkeiten einschränken. Allenfalls mal bei Hitze Pflanzen gießen.
Gottfried Schubert und seine evangelische Ehefrau lieben es sonntags „etwas betulicher, gediegener und stiller“. Dazu ziehen sie sich schick an („kein Schlabberlook“), dekorieren den Tisch mit feiner Decke, Kerze, Blumen und holen ihr Sonntagsgeschirr und -besteck aus dem Schrank. Und genießen den Nachmittagskaffee mit Kuchen und den Spaziergang. Am wichtigsten ist dem engagierten Gemeindemitglied in „Maria von der Immerwährenden Hilfe“ in Nidderau aber die Messe: „Weniger als Verpflichtung, vielmehr als Bedürfnis. Sonst fehlt mir was.“
Schon als junger Mensch im Banat, im ehemaligen Jugoslawien und in der DDR-Diaspora. „Vier Kilometer Fußmarsch haben mir da nichts ausgemacht.“ Die Vorabendmesse („nur zweite Wahl“) oder ein evangelischer Gottesdienst? Beide ersetzen nicht die Sonntagseucharistie! Bis heute, so der pensionierte Grundschulrektor.
Den Sonntag hat er stets geachtet, als aktiver Lehrer notwendige Arbeiten möglichst auf Werktage verlegt. Das ließ sich als Präsident des Hessischen Chorverbands nicht immer machen; Versammlungen beendete er aber meist gegen Mittag. Konzert-Einladungen indes nimmt der heutige Ehrenpräsident Schubert mit seiner Frau gerne an: „Das ist doch etwas Besonderes an einem Sonntag.“
Von Bernhard Perrefort