Zwei Ordensfrauen leben und arbeiten in einem alten Freizeitpark

Ein Leben auf dem Rummelplatz

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In Rom leben Ordensschwestern in einem Freizeitpark und betreiben zwei Spielbuden. Nebenbei kümmern sie sich um arme Menschen in der Umgebung und unterstützen transsexuelle Prostituierte - mit dem Segen des Papstes.

Foto: kna/Severina Bartonitschek
Auf dem Rummel: Schwester Genevieve (links) und Schwester Anna Amelia teilen sich das Leben und die Arbeit mit den anderen Schaustellerfamilien im Freizeitpark. Foto: kna/Severina Bartonitschek


Die Viale Papa Francesco beginnt zwischen zwei Blechschuppen. Hinter einem Eisentor führt der "päpstliche" Kiesweg vorbei an alten Bauwagen, die mit den Jahren immer mehr zu kleinen Wohnhäusern ausgebaut wurden. Hier leben die zwölf Schausteller-Familien eines kleinen Freizeitparks in Lido di Ostia, einem Vorort von Rom direkt am Mittelmeer. Und hier wohnen auch die Ordensschwestern Genevieve und Anna Amelia in zwei alten Wohnwagen - seit etwa 13 Jahren. Sie und die Schausteller seien hier eine große Familie, erzählen die Frauen, die schon seit Jahrzehnten auf Kirmesplätzen wohnen. 2015 besuchte Papst Franziskus überraschend den Freizeitpark und das ungewöhnliche Zuhause der Schwestern. Daher hat die Straße ihren Namen.

Die Französin Genevieve und die Italienerin Anna Amelia gehören zu den Kleinen Schwestern Jesu. Der Orden ist vom französischen Eremiten Charles de Foucauld (1858-1916) inspiriert. Anders als andere Gemeinschaften leben die Ordensschwestern nicht in Klostergebäuden, sondern oft in einem nichtreligiösen Umfeld. Ihren Lebensunterhalt erwirtschaften sie meist als einfache Arbeiterinnen, etwa in Fabriken oder Dienstleistungsbetrieben, sie arbeiten am Fließband oder als Putzfrauen.

In Deutschland lebten bis vergangenes Jahr Schwestern in einem Wohnwagen auf dem Tempelhofer Feld in Berlin und suchten Kontakt mit Obdachlosen. In Halle an der Saale wohnen Ordensfrauen in einem Plattenbau am Stadtrand, in Frankfurt am Main in einem Viertel mit vielen jungen Familien aus unterschiedlichen Nationen. Und in Rom leben sie eben in einem Freizeitpark unter den Schaustellern und sind sogar selbst welche.

Zwei Buden betreiben Genevieve und Anna Amelia: Die Münder des großen Clowns und der japanische Mangafigur sollen mit einem Ball getroffen werden, acht Würfe kosten 2 Euro. An ihrer blau-grünen Lostrommel aus Stahl gewinnt jeder einen Preis. Neben der bunten Wurfbude hängen Krippenbilder, eine Friedenstaube fliegt durch einen Regenbogen, auf der Theke stehen Körbchen mit Terrakotta-Figuren. Die Schwestern verkaufen sie zu kleinen Preisen. Das Geld, das sie einnehmen, ist ihr Lebensunterhalt.

 

Papst Franziskus kam zu Besuch

An den meisten Tagen schieben die Schwestern die Rollläden ihrer Buden nach oben - im Rhythmus des Jahrmarktes am Nachmittag. Am Morgen gehen sie ihren alltäglichen Aufgaben nach, beten, gehen in die Messe, machen Besorgungen oder putzen ihre Bauwagen. Gut 50 Jahre haben die beiden etwa 8 Meter langen und 2,5 Meter breiten Gefährte bereits auf dem Buckel. Anna Amelia wohnt im linken Wagen, der zugleich ihr Lager ist. Genevieve hat ein schmales Bett in dem anderen Wagen - es wird tagsüber als Ablagefläche genutzt. Der Platz ist begrenzt, auch weil die Schwestern etwa ein Drittel ihrer Wohnfläche für eine kleine Kapelle abgezwackt haben. Hier betete vor knapp acht Jahren auch der Papst.

Fotos von Franziskus finden sich an einigen Stellen der Unterkunft. Schwester Genevieve und der Papst kennen sich noch aus Argentinien, wo das heutige Kirchenoberhaupt einst Erzbischof von Buenos Aires war. Nach seiner Wahl zum Papst trafen sich die beiden in Rom wieder und blieben in Verbindung. So stellte die französische Ordensschwester gemeinsam mit einem Pfarrer aus der Umgebung Kontakt zum Vatikan her, als die Corona-Pandemie vielen Menschen in der Nachbarschaft die Lebensgrundlage entzog, nicht nur den Schaustellern.

Ebenfalls betroffen waren transsexuelle Prostituierte, die kein Geld mehr verdienten und Unterstützung benötigten. Der Vatikan half damals aus, und die Menschen wollten dem Papst danken. Seitdem treffen regelmäßig Gruppen von Transfrauen das Kirchenoberhaupt am Rande der wöchentlichen Generalaudienz im Vatikan. Schwester Genevieve erzählt, es habe auch Kritik gegeben für ihre weit geöffneten Arme. Aber das sei am Anfang ihrer Arbeit gewesen und schon sehr lange her.

Kürzlich ist Schwester Genevieve 80 Jahre alt geworden. Bei einem Treffen im Vatikan stimmte Franziskus ein Ständchen für sie an und gab einen Kuchen aus. Richtig gefeiert haben die Ordensschwestern dann aber im Freizeitpark mit gut 100 Gästen: Mit einer Messe zwischen Kindergeburtstagen, Autoscootern und Karussells. Das Fest organisiert hatte ihre Schaustellerfamilie. Das Wichtigste im Leben sei, Freude zu haben und diese zu teilen, meint Genevieve. Und auch nach den vielen Jahrzehnten auf Rummelplätzen liebe sie ihre Arbeit und ihr Leben. "Das hier ist mein Zuhause, hier möchte ich sterben. Aber da hat der da oben auch immer noch ein Wörtchen mitzureden", sagt die kleine Ordensfrau, lächelt und zeigt mit einem Finger gen Himmel.

kna