40 Jahre Thomas-Morus-Kirche in Rostock.
Ein Lernort der Ökumene
Foto: Werner Morawski
Ab den 1970er Jahren wurden im Norden Rostocks – dank industrieller Plattenbauweise – in rasantem Tempo riesige Neubausiedlungen hochgezogen. Bald wohnten mehr als 100 000 Menschen in Lütten Klein, Groß Klein, Schmarl, Evershagen und Lichtenhagen, darunter etwa 3000 katholische Christen. Kirchen waren in der sozialistischen Wohnstadt nicht vorgesehen. Aber am 2. Februar 1985 wurde in Evershagen die Thomas-Morus-Kirche geweiht – als katholisches Gemeindezentrum; doch auch die evangelische Gemeinde aus Evershagen sollte hier ihre Gottesdienste feiern können.
Evangelisch und katholisch unter einem Dach – kann das gut gehen? Das war für die Rostocker Christen vor 40 Jahren keine Frage. Denn sie teilten sich schon lange eine Kirche: die zwei Kilometer entfernte evangelische Dorfkirche Lichtenhagen. Hierzu gab es sogar eine vertragliche Regelung zwischen Oberkirchenrat und Bischöflichem Amt Schwerin. „Das war eine wunderbare Zeit – ein Wunder, von dem man noch viele Jahre leben kann“, erinnert sich Marianne Unverricht, seinerzeit Seelsorgehelferin. Gemeinsam renovierten Katholiken und Protestanten die gotische Dorfkirche. Sie teilten sich die anfallenden Aufgaben – und sprangen manchmal über ihre Schatten. Marianne Unverricht erinnert sich an eine Konferenz, in der die Katholiken gefragt wurden: „Fehlt euch noch etwas?“ Ja, es fehlte ein Ort für das Allerheiligste. „Da sagte Pastor Christoph Stier: Wir haben doch auf dem Boden noch das alte Sakramentenhaus!“ So kam das gotische Kunstwerk wieder in die Kirche, wurde restauriert und ein Tabernakel eingelassen – in einer evangelischen Kirche.
Für die wachsende katholische Gemeinde wurde in Klein-Lichtenhagen auch eine Kapelle (St. Birgitta) in einer Bauernkate eingerichtet. Ganz andere Möglichkeiten brachten die „Sonderbauprogramme“ Mitte der 70er Jahre. „Neugebaute Kirchen verschafften der DDR dringend benötigte Devisen“, so der Schweriner Historiker Georg Diederich. „Allerdings durfte aus ideologischen Gründen nicht an zentralen, gut einsehbaren Orten gebaut werden.“ Etwas abseits liegt heute auch „Thomas Morus“ mit Gemeinderäumen und Kita. „Als wir einzogen, waren die Meinungen geteilt“, erinnert sich der damalige Pfarrer Bernhard Angrick. „Einige wären gern in der Dorfkirche geblieben. Andere sahen in der neuen Kirche eine Chance.“ Man hatte Platz, war näher dran im Stadtteil. „Die Verbundenheit, die wir in der Dorfkirche hatten, blieb die gleiche. Die Kirche war katholisch, aber in der Pastoral waren wir gleichberechtigt. In allem, was wir taten, hatten wir den anderen im Blick.“ Für Pfarrer Angrick war das eine Aufbruchszeit: „Wir hatten Schwung, unsere Gemeinden waren jung – im Durchschnitt 35 Jahre. Das Verhältnis war nicht nur kollegial, sondern freundschaftlich. Ich habe damals gelernt, was in der Ökumene möglich ist.“
Bis heute ist sehr viel möglich in Thomas Morus. Gemeinsame Andachten, Feiern, Projekte im Religionsunterricht, Einsatz für die Rostocker Tafel, „all das ist seit langem gewachsen“, sagt Dietmar Wellenbrock, Pfarrer der heutigen Pfarrei Herz Jesu. „Die Ökumene, die wir dort haben, ist ein Pfund – mit zukunftsweisenden Erfahrungen,“ Gefeiert wird unter anderem mit einem Festgottesdienst am 1. Februar mit Erzbischof Stefan Heße um 17 Uhr.