„Du, komm mal schnell ins Pfarrhaus!“
Ein Nachruf auf Monsignore Winfried Schiemann

Foto: Rainer Cordes
Winfried Schiemann bei seiner Verabschiedung am 4. Oktober 2009 in St. Anna, Schwerin.
Mein am 27. Februar heimgerufener Mitbruder trug den Namen des wortgewaltigen Organisationstalents Winfried Bonifatius. Am 1. Juli 1967 empfing Winfried Schiemann er als gebürtiger Danziger in Wismar die Priesterweihe. Wir konnten ihm zum Goldenen Weihejubiläum in Wittenburg, seiner Ruhestandspfarrei, für das Vorbild priesterlicher Treue danken – gemeinsam mit vielen Gläubigen der Orte seines Wirkens: Schwerin, wo er als Vikar und später als Leiter des Seelsorgeamts und als Theologenreferent, schließlich auch von 1997 bis zum Ruhestand 2009 als Propst tätig war; Boizenburg, wo er Kaplan und Pfarradministrator war; Neubrandenburg, wo er in Norbert Werbs Nachfolge 16 Jahre lang Pfarrer war und zum Monsignore und später zum Ehrendomherr des Hamburger Metropolitankapitels ernannt wurde.
Drei für Winfried Schiemann typische Aussprüche bringen sein priesterliches Wirken zum Ausdruck:
- „Du, komm mal schnell ins Pfarrhaus!“ Die Stärke der „Vocatio“. Winfried Schiemann konnte stets Menschen von der Straße weg, aus dem offenen Fenster des Pfarrhauses heraus berufen und in den Dienst nehmen. Ein echter Seelsorger eben. Manche trauten sich in Neubrandenburg nicht mehr, überhaupt am Pfarrhaus vorbeizulaufen, weil sie ahnten, dass der Pfarrer garantiert eine Aufgabe für sie habe… Für jeden einen passenden Ort im Leben der Kirchengemeinde zu finden – auch in den zahlreichen Haus- und Familienkreisen - , ist ein großes Talent. In der Wendezeit berief Winfried Schiemann vom Runden Tisch aus Menschen in neue Aufgaben; etliche Neubrandenburger fanden später ihren Platz in der Landesregierung in Schwerin. Auch so manche Priester sind aus seinen Pfarreien hervorgegangen. Der Priester als Rufer, damit Christus beruft. „Vocatio“ - „Komm, folge mir nach!“ In einer Zeit, in der bei uns Priestermangel herrscht, ist diese so persönlich-vertraute Form direkter Ansprache ein hohes Gut.
- „Die Frage ist nicht, ob, sondern wie hoch ich gewonnen habe.“ Winfried Schiemann konnte wie kein anderer feiern und spielen (Skat und Doppelkopf zum Beispiel). Unvergessen auch seine Begrüßung: „Obwohl Ihr hier seid, ist es schön!“ Manche tauften diesen Stil der Gemeindeleitung zutreffend „Feierpastoral“. Jeder hier kann eine eigene Erinnerung an nicht enden wollende Feste, Wochenenden in Rerik, Singestunden, Spieleabende beisteuern. Celebratio – das lateinische Wort für das Feiern bringt hervorragend zum Ausdruck, dass Zelebration sowohl die liturgische als auch die gesellige Feier meint. Als Priester dürfen wir bis an unser Ende zelebrieren – und er tat es zuletzt im Rollstuhl. Welch eine Freude, was für ein Lebenssinn – auch wenn Krankheit und Leid, Alter und Gebrechen den Alltag erschweren. Winfried Schiemann zelebrierte im wahren Sinne des Wortes 57 Jahre lang seine Berufung.
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„Hallo, hier ist Winfried, bitte Rückruf!“ Wer diese kurze Nachricht auf dem Anrufbeantworter abgehört hat, tat gut daran, umgehend zurückzurufen. Die Stärken der „Communio et traditio“. Er sorgte sich um diejenigen, mit denen er sich vertraut gemacht hat – unermüdlich und bis an die Grenzen eigener Erschöpfung. Anrufe zu Geburtstagen, Jubiläen, Schicksalsschlägen; persönliche Teilnahme an allen wichtigen Gottesdiensten und Beerdigungen; mitbrüderliche Sorge und – wenn nötig – auch Kontrolle; Gründung eines Priesterkreises in Mecklenburg, damit man sich regelmäßig trifft und umeinander weiß. Der Priester als Versammler und Bewahrer. Er setzte sich wort- und tatkräftig ein, wenn wertvolle Traditionen zu zerbrechen drohten. Er zählte die Anzahl der Teilnehmer bei Konferenzen und Besinnungstagen und rief die Fehlenden an – „wo warst Du?“ Correctio fraterna, mitbrüderliche Zurechtweisung – von wem außer von ihm lassen wir uns denn sonst noch etwas sagen? Danke, Winfried!
Winfried Schiemann war ein Rufer, ein Zelebrant und Organisator, ein Versammler und Bewahrer.Erzbischof Stefan Heße feiert das Requiem für den Verstorbenen am Freitag, 07. März, um 11 Uhr in der Pfarrkirche in Wittenburg. Die Beisetzung findet zu einem späteren Zeitpunkt im Kolumbarium des Mariendoms statt. Der Herr schenke ihm die ewige Ruhe, und ewige Licht leuchte ihm. Herr, lass ihn ruhen in deinem Frieden.