Christkönig

Ein politischer Feiertag

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Mit Christkönig weicht der dunkle Totenmonat November dem lichtvollen Advent. Vielleicht geht das Fest auch deshalb oft ein wenig unter. Schade, denn Christkönig ist ein sehr politisches und darin durchaus aktuelles Fest.

Foto: imago images/ecomedia/Robert Fishman
Der Glaube überragt die weltliche Macht: Die 1967 eingeweihte katholische Kathedrale Christkönig in Liverpool. Foto: imago images/ecomedia/Robert Fishman


Christkönig ist eines der jüngsten Feste der Liturgiegeschichte. Und es ist eines, das von Anfang an staatskritisch gemeint war. Denn spätestens im 19. Jahrhundert löste sich in Europa die Verbindung von Thron und Altar auf – eine Bedrohung für die Kirche. Frankreich hatte es vorgemacht: Aus einem katholischen Land wurde eines, in dem Kirchen zerstört und der Glaube aus dem öffentlichen Raum vertrieben wurden. Diesen Laizismus galt es zu bekämpfen. 

In Frankreich gab es deshalb eine Christkönigsbewegung, lange bevor sie für die ganze Kirche eingeführt wurde. Manche sagen: Sie war antidemokratisch, weil sie quasi einen Gottesstaat forderte, in dem die Gesetze Christi mehr galten als die Gesetze des Landes. Aber gut: Demokratie war lange nicht die von der Kirche bevorzugte Regierungsform; die Monarchie galt als gottgegeben – und solange der König katholisch war, war alles perfekt.

Mitten hinein in die Diktaturen

Nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich die politische Lage in Europa. Es war nicht mehr nur die Demokratie, die sich breitmachte, es waren Diktaturen, faschistische zumal. Mit Frieden und mit christlichen Werten sah es da schlecht aus. Genau in diese Zeit hinein führte Papst Pius XI. im Heiligen Jahr 1925 das Christkönigsfest ein.

In Deutschland wurde es erst nach 1933 wirklich populär. Die Katholiken spürten immer mehr, wie die Nationalsozialisten das kirchliche Leben einschränkten, Vereine und Verbände verboten und den Glauben auf die Kirchenmauern beschränken wollten. Da kam das neue Fest gerade richtig: Denn religiöse Feste des Kirchenjahres feiern, das durfte man immer noch.

Besonders die Jugend war von Einschränkungen betroffen – sie wurde als Konkurrenz zur Hitlerjugend empfunden. Als auf den traditionellen zentralen Bekenntnistag der katholischen Jugend das Reichssportfest gelegt wurde, wählten die Jugendlichen demonstrativ das Christkönigsfest als neuen Bekenntnistag aus, an dem sie ihre Zugehörigkeit zu Jesus Christus deutlich machen und ein Zeichen gegen den Führerkult setzen wollten. Akten zeigen, dass die Gestapo viele der Gottesdienste und Veranstaltungen am Christkönigstag beobachten ließ. Jesus Christus als Gegenbild zum Führer – dieser Protest wurde durchaus verstanden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor das Fest an Bedeutung. Der neugegründete Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) wies Christkönig keine besondere Bedeutung mehr zu, und auch sonst verlor das Fest seinen politischen Beigeschmack. Seit es nach der Liturgiereform des Konzils auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres gelegt wurde, überwiegt der Blick auf das zukünftige Reich Gottes, auf den Himmel, in dem Christus als König herrscht.
Für das Hier und Jetzt findet das Christkönigsfest dagegen kaum noch Beachtung, zumal Monarchien gerade wenig in Mode sind. Dabei hätte der Feiertag durchaus Ansätze für heute. Denn wenn man Jesus als Vorbild für aktuelle Herrscher, Präsidenten, Kanzler und Premierminister nimmt, ergeben sich interessante Ansätze.

Das Gegenteil vom starken Mann

Viele Völker suchen heute wieder nach dem starken Mann. Das ist das Erfolgsgeheimnis von Männern wie dem US-Amerikaner Trump, dem Brasilianer Bolsonaro, dem Philippino Duterte, dem Russen Putin. Viele wollen jemanden, der sagt, wo es langgeht, der die Bösen unnachgiebig bestraft, das eigene Volk nach vorne bringt und Orientierung bietet in der komplizierten Welt.

Auch manche Jünger Jesu wollten so jemanden. Einen, der die römische Besatzungsmacht endlich aus dem Land vertreibt und Gerechtigkeit einziehen lässt. Einen König, wie David es war, der die Feinde Israels besiegte und ein ruhiges Leben garantiert. Schöne Vorstellung.

Nur: Jesus macht nicht mit. Er ruft keine Legionen von Engeln, wirft keine Römer raus, rettet noch nicht einmal sein eigenes Leben. „Steck das Schwert in die Scheide“, sagt er zu Petrus und zu Pilatus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Dornen statt Gold auf dem Kopf. Ohnmacht statt Macht. Wer in der Politik den starken Mann sucht, kann sich sicher nicht an Jesus orientieren.

Von seinem Ursprung her ist Christkönig auch ein sozialpolitisches Fest. Wohl deshalb wird im Lesejahr A als Evangelium dieses Tages die Geschichte vom Weltgericht verkündet: „Was ihr für einen dieser Geringsten getan habt ...“ (Matthäus 25,31–46)

Wer herrschen will im Sinne Jesu, kann deshalb nicht zuerst die Reichen, Starken und Schönen im Auge haben, sondern muss Politik machen für die kleinen Leute, die Benachteiligten, für die, die sich selbst nicht helfen können. Das, was in Lateinamerika „Option für die Armen“ heißt und wovon Papst Franziskus geprägt ist, das ist die Art und Weise, wie Jesus Herrschen versteht.

Schätze im Himmel sammeln

Der Vorwurf ist so alt wie das Regieren selbst: „Die da oben wirtschaften doch nur in die eigene Tasche!“ Heute nennt man es Korruption. Oder auch Vetternwirtschaft, wenn einer sich nicht selbst, sondern seine Freunde und Verwandten begünstigt. Immer wieder stolpern Politikerinnen und Politiker in diese Falle – und über diese Falle, wenn es herauskommt. Nicht nur in Bananenrepubliken.

Jesus warnt oft davor, nur Reichtümer anzusammeln, zumal auf Kosten anderer. Er rät stattdessen: „Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören.“ (Matthäus 6,20) Für Regierende heißt das: Ihre Arbeit ist ein Dienst an anderen. Natürlich sollen sie angemessen bezahlt werden, aber wichtiger als die Einkünfte ist die Wertschätzung, die man bekommt, wenn man zuerst an die anderen denkt.

Susanne Haverkamp