Offene Kirchen

Ein Segen für Pastoral und Tourismus

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Kirchen sind Finger Gottes in der Welt, Leuchttürme des Hoffens für Beter und Besucher. Es sind nicht nur wertvolle Kunstschätze oder eine staunenswerte Architektur, die Touristinnen und Passanten anziehen. Für viele ist es die himmlische Stille, die wohltuend dem hektisch lauten Großstadttrubel trotzt. Offene Kirchen: ein Schatz für die Welt.



Der neue digitale Kirchenführer für St. Stephan in Mainz soll im November zum Einsatz kommen. Im Hintergrund die Fenster von Marc Chagall, die viele Mainz-Besucher anziehen.


Sie ist ein Juwel unter Frankfurts Kirchen

Schon die Lage hoch über dem Main in der malerischen Höchster Altstadt macht sie besonders. Der älteste Kirchenbau der Stadt ist sie zudem. Und der Kunstschätze voll. „Der eigentliche ‚Schlager‘ sind aber die original erhaltenen karolingischen Säulen“, sagt Ulrich Boller von der Stiftergemeinschaft Justinuskirche.
Diese ist auch eine Besonderheit, die auf Zeiten zurückgeht, in denen die Höchster in der benachbarten Hoechst AG einen bedeutenden Förderer ihres Stadtteils und seiner zahlreichen Denkmäler hatte.
Die Hoechst AG gibt es nicht mehr, wie so vieles, was die Justinuskirche in ihrer mehr als tausendjährigen Geschichte schon gesehen hat. Die Stiftergemeinschaft aber gibt es nach wie vor. Und sie tut weiter das Ihre, um das Gotteshaus gemeinsam mit Pfarrei und Bistum zu hegen und zu pflegen – und auch für Menschen über die Gottesdienste hinaus zu öffnen. „Sie einfach so offen stehen lassen, das geht nicht“, sagt Boller, der Mitglied des Vorstands in der Stiftergemeinschaft ist. Zu groß ist die Angst vor Vandalismus und Langfingern.
Daher „gibt es zweierlei, was die Stiftergemeinschaft organisiert“, erläutert er. Zwei Mal im Monat lade sie samstags zu offenen Führungen ein und gemeinsam mit der Pfarrei St. Margareta, deren Pfarrkirche die Justinuskirche ist, würden zudem feste Öffnungszeiten ermöglicht. Allerdings hat Corona da zuletzt einiges an Beschränkungen erfordert. Doch das, hofft nicht nur Boller, soll sich bald wieder ändern.
Denn das Interesse an der Justinuskirche und auch zusätzlichen Führungen für geschlossene Gruppen sei groß. Und das nicht nur wegen der spannenden Baugeschichte und der Innenausstattung des Gotteshauses. „Die Justinuskirche ist auch ein Ort der Spiritualität, des Nachdenkens, des Gebets“, weiß Historiker Boller und fügt mit Nachdruck hinzu: „Es ist eine Kirche, kein Museum. Das ist uns allen ein ganz wichtiger Punkt.“

Die Internetseite www.justinuskirche.de informiert  über den Kirchenbau und seine Ausstattung, die Öffnungszeiten und die Möglichkeiten für Führungen sowie über die Stiftergemeinschaft.

Von Barbara Schmidt

 

Fulda pflegt Kultur des Willkommens

Das große Portal der Fuldaer Stadtpfarrkirche war jahrelang geschlossen. Eine große Freitreppe führt  vom Platz „Unterm Heilig Kreuz“ mit seinem prägenden Obelisken herauf vors Portal, aber um in die Kirche zu gelangen, mussten Besucher wieder umkehren, den Weg die Treppe hinunter und zu einem der beiden Seiteneingänge nehmen. Vor allem viele Touristen wussten nicht, dass die Treppe sie nicht ans Ziel führte – mal abgesehen von der schönen Aussicht auf den Platz und den Obelisken.
Inzwischen ist das Portal des barocken Gotteshauses in der Fuldaer Innenstadt tagsüber geöffnet. Und nicht nur das: Wer durch das mächtige Portal in den Innenraum der Kirche eintritt, den erwartet ein Bereich mit Sitzgelegenheiten und Informationen. Die Botschaft soll sein: Willkommen! Besucher innen und Besucher erfahren auf einem Bildschirm, welche Aktivitäten derzeit stattfinden. Dank-Karten liegen bereit zum Mitnehmen. „Uns ist die Haltung einer Willkommenskultur wichtig“, erklärt Bernadette Wahl, Referentin für Citypastoral in der Stadtpfarrei St. Simplizius, Faustinus und Beatrix.
Eine Zeit lang gab es auch ein ehrenamtliches Team, das die Kirchenbesucher willkommen hieß. „Wir haben aber erkannt, dass es nicht ausreicht, einfach nur da zu sein. Es ist wichtig, dass die Menschen auch in der Lage sind, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.“ Dabei gehe es nicht so sehr darum, zu missionieren, was oft zu negativen Reaktionen führt. Vielmehr soll den Besuchern im Gespräch ermöglicht werden, sich zu öffnen, für ihre Belange sollen sie einen Ansprechpartner finden. Dazu müssten Ehrenamtliche in die Lage versetzt werden, etwa durch Qualifizierungen vor allem in Gesprächsführung.
Wer in der Fuldaer Stadtpfarrkirche das Gespräch mit Gott im Gebet sucht, der findet neben dem großen Kirchenraum in der Nähe des Portals eine kleine Anbetungskapelle. Dort ist den ganzen Tag das Allerheiligste auf dem Altar für Beter ausgesetzt. Und wer persönliche Bitten zu Gott tragen will, kann einen Zettel mit seinem Anliegen an der „Gebetswand“ hinterlegen. Hierzu wird der zusammengerollte Zettel in eines der Löcher gesteckt werden. Die Anliegen werden dann von der Gemeinde mit ins Gebet genommen.
www.stadtpfarrei-fulda.de

Von Hans-Joachim Stoehr

 

Die „Chagallkirche“ ist ein Muss in Mainz

„Wo geht’s hier zu Sankt Stephan?“ Diese Frage von orientierungslosen Touristen ist in den Gassen der Mainzer Altstadt immer mal wieder zu hören. Vor der Corona-Pandemie reihte sich Reisebus an Reisebus am Fuß des Stephansbergs. Die „Chagallkirche“ ist ein Muss für alle, die in Mainz Station machen. Ziel der „Kunst-Pilger“ sind die berühmten blauen Fenster, die der Künstler Marc Chagall für die Stephanskirche gestaltet hat, die einzigen in Deutschland. Ein jüdischer Künstler schuf ein Werk für ein christliches Gotteshaus – auch die inhaltliche Botschaft dieser Fenster ist einmalig.
Doch die Corona-Pause und zunehmend weniger Ehrenamtliche aus der Gemeinde, die sich um die Vermittlung des bedeutenden Kunstwerks kümmern können, lassen von den früheren Besucherströmen wenig übrig. Thomas Winter, Pfarrer von St. Stephan, ist alarmiert. Weil die Kirche nur noch stundenweise für Besucher geöffnet werden konnte, machte er sich Sorgen, auch um die Finanzen der Pfarrei. Denn die Erlöse am Schriftenstand sowie Spenden sind eine der wenigen Einnahmequellen für die Gemeinde.
Die Gründe, warum die Ehrenamtlichen fehlen, sind vielschichtig: Wegzug, Krankheit, Rückzug wegen Corona. Pfarrer Winter greift zum Telefonhörer und ruft bei der Mainzer Tageszeitung an. Die veröffentlicht dazu einen Artikel, einen Hilferuf. „Chagall-Fenster kaum noch erlebbar“ titelte die Zeitung. Pfarrer Winter macht in dem Beitrag deutlich, was für ein Schatz den Besuchern von Mainz verloren geht, wenn die Kirchentüren aus Mangel an Personal verschlossen bleiben.
Sein Aufruf, ehrenamtlich in der Pfarrei mitzuhelfen, zeigt eine überraschende Wirkung. Pfarrer Winter ist begeistert: „Mehr als 50 Interessierte haben sich gemeldet, um einen Dienst zu übernehmen.“ Und etwa 30 Stadtführer hätten auf die Schnelle zugesagt, vorübergehend auszuhelfen. Jetzt bräuchte er fast einen Touristenreferenten, scherzt Thomas Winter bei so viel Zuspruch.
Auf die Frage, ob nicht 450-Euro-Kräfte hätten aushelfen können, antwortet er, dass es nicht nur um eine Aufsichtsperson in der Kirche geht, sondern um eine Dreifachbesetzung, etwa auch am Schriftenstand, eine personelle Kraftanstrengung, so Winter.
Auch die besonderen Chagall-Meditationen von Monsignore  Klaus  Mayer –  auf seine Initiative  hin schuf Chagall die Fenster für St. Stephan – finden seit der Pandemie nicht mehr statt. Mayer, ehemaliger Pfarrer von St. Stephan, ist jetzt
98 Jahre alt. Die fehlenden Meditationen, „hinterlassen eine Lücke“, sagt Pfarrer Winter nachdenklich. Froh ist er, dass mit Beginn der Herbstferien die Kirche nun wieder von
10 bis 17 Uhr geöffnet sein kann, in den Wintermonaten von 10 bis 16.30 Uhr. Auch über den neuen digitalen Kirchenführer mit Fotos, Videos und Audios freut er sich. Dieser Multimedia-Guide ist bereits samstags und sonntags in der Testphase und soll ab November zum Einsatz kommen.

Führungen zu den Chagall-Fenstern bietet der Pfarrgemeinderat an. Gruppen können sich im Pfarrbüro melden und einen Termin vereinbaren: Telefon 06131/231640 oder per
E-Mail an: pfarrbuero@st-stephan-mainz.de

Von Anja Weiffen

 

Der Wormser Dom ist ein Besuchermagnet

Um Menschen, die sich für das Gotteshaus interessieren, eine Anlaufstelle zu bieten, gibt es die City- und Touristenseelsorge „Treffpunkt am Dom Worms“. Die von Pastoralreferentin Claudia Staudinger aufgebaute Struktur führt nach ihrem Weggang seit einem Jahr Diakon Matthias Kirsch weiter, allerdings nur mit dem Zeitbudget eines Diakons mit Zivilberuf, wirft Matthias Kirsch ein. Der Diakon koordiniert in dieser Funktion zum Beispiel einen Kreis von elf Ehrenamtlichen, die sich bereit erklärt haben, sich als Ansprechpartner für Besucher zur Verfügung zu stellen. Die Mitglieder dieses Kreises werden geschult und weitergebildet, um Interessierten den Wormser Dom näherzubringen, über die architektonische und geschichtliche Dimension des Bauwerks hinaus. Im Haus am Dom, direkt neben dem Dom, haben die Ehrenamtliche eine Anlaufstelle, die sich aber nicht auf das Haus am Dom beschränkt. „Wir sitzen dort aber nicht und warten, dass jemand zu uns kommt“, betont der Diakon. „Zwei bis vier Stunden in der Woche ist jemand aus unserem Kreis im Haus am Dom oder im Dom und Umgebung anwesend. Meiner Erfahrung nach vergeht keine Stunde, in der man nicht mit Besuchern ins Gespräch kommt.“. Kirsch nennt dies „Präsenzdienst“, der personell noch ausbaufähig wäre, da die bisherigen Ehrenamtlichen ebenso wie er hauptberuflich gebunden sind. Doch auch wenn keine Ansprechperson anwesend ist, gibt es einiges zu entdecken. An der Anlaufstelle im Haus am Dom – an einem antiken Taufbecken, das bei den Bauarbeiten für das Gemeindezentrum vor einigen Jahren entdeckt wurde – gestalten die Helfer der City- und Touris-tenseelsorge immer wieder „Impulse“, die zum Nachdenken anregen. Beispielsweise ein Bild mit einem besonderen Sinnspruch oder ein interessant gestaltetes Fenster. Darüber hinaus erarbeitet der Ehrenamtskreis Projekte, um Menschen auch auf kultureller Ebene anzusprechen. Matthias Kirsch nennt die Dom-Illumination als Beispiel, die vor ein paar Wochen unter dem Motto „Nacht der Heiligen“ circa 350 Besucher angezogen hat, von denen viele nicht zur Kerngemeinde gehörten. „Diese Aktion ist überraschend gut gelaufen“, so Kirsch. Bei der Veranstaltung wurde der Wormser Dom in unterschiedlichen Farben ausgeleuchtet, und Heilige wurden anhand von Darstellungen und Texten vorgestellt, auch mit der Frage: Was haben sie uns heute zu sagen? Ein weiteres Projekt, das Besucher nutzen können: Diakon Kirsch hat gerade eine Broschüre zusammengestellt mit Predigten, die in der Fastenzeit zum Christusfenster und den darin befindlichen Zeichen aus dem Alten Testament gehalten wurden. So können sich Interessierte das Christusfenster in der Nikolauskapelle anschauen und haben dazu in Form dieser Texte eine geistliche Anregung. Matthias Kirsch: „Es geht uns beim ehrenamtlichen Dienst der City- und Touristenseelsorge darum, den Dom als ,sprechendes Bauwerk‘ näherzubringen, das Gebäude geistlich lesen zu können und das an Interessierte weiterzugeben.“

Treffpunkt am Dom
Diakon Matthias Kirsch
Lutherring 9,
Pfarrgruppe Dom u. St. Martin
67547 Worms, Telefon: 06241 / 5 96 16 30
E-Mail: willkommen@wormser-dom.de

Von Anja Weiffen